Pilotstudie

Suchtmedizin: Mit Cannabis gegen Opiat-Verlangen?

Berlin - 23.07.2018, 09:00 Uhr

Opiatentzug macht nervös und Marihuana beruhigt die Nerven. Forscher der LMU-München untersuchen, ob Cannabis in der Substitutionsmedizin eingesetzt werden könnte. (s / Foto: Imago)

Opiatentzug macht nervös und Marihuana beruhigt die Nerven. Forscher der LMU-München untersuchen, ob Cannabis in der Substitutionsmedizin eingesetzt werden könnte. (s / Foto: Imago)


Cannabis hat höhere therapeutische Breite als Methadon

Eine Droge soll also die Probleme einer anderen verringern können – treibt man damit den Teufel mit dem Beelzebub aus? Mediziner sind inzwischen von dem obligaten Therapieziel abgekommen, dass Substitutionspatienten eine totale Abstinenz erreichen müssen. Dies gilt nicht nur für das Substitutionsmittel, sondern auch für den Beikonsum anderer psychotroper Substanzen. Wichtiger ist es, die Lebensqualität zu verbessern und Komorbiditäten zu verringern.

Auch Studienleiter Professor Markus Backmund geht es bei seinem Konzept um eine Art Schadensbegrenzung. „Die Cannabispflanze ist im Vergleich zu anderen Suchtmitteln wie Alkohol oder Kokain relativ unschädlich“, erklärte Studienleiter Professor Markus Backmund in einer Pressemitteilung. Laut Wissenschaftlern der University of Pittsburgh Schools of Health Sciences sterben allein in den USA rund 170 Menschen pro Tag an einer Überdosierung, die auf verschreibungspflichtige Schmerzmittel zurückzuführen ist. Eine solche Überdosis-Krise sei mit Cannabis gar nicht möglich, betonte das Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin. Außerdem habe Cannabis eine höhere therapeutische Breite als Opioide wie beispielsweise Methadon. „Wenn wir einem Patienten eine zu hohe Dosis eines Opiats verabreichen, kann es sofort zu einem Atemstillstand kommen. Bei Cannabis haben wir nicht annähernd ein so hohes Risiko.“

Klinische Studien in Planung

Die in München vorgestellte Pilotstudie ist ein erster Hinweis darauf, dass Cannabis ein Potenzial in der Suchtmedizin haben könnte. Die Patientenzahl war gering. Ausgewertet wurde ein zufälliger Beikonsum. Um zu beurteilen, ob Cannabis bei Substitutionspatienten einen therapeutischen Effekt hat, wären klinische Interventionsstudien mit standardisierten Blüten oder Cannabisarzneimitteln erforderlich.

Für die Forscher dienen die Ergebnisse der Pilotstudie daher als Grundlage für weitere klinische Studien, die Maricann nach eigenen Angaben ebenfalls unterstützen wird. Das Design der Anschlussstudien sieht vor, dass den Teilnehmern Cannabis-basierte Medikamente mit unterschiedlichen Wirkstoffkonzentrationen verabreicht werden. Ziel ist es, die Wirkungsweise der Inhaltsstoffe im Körper zu untersuchen, um neue Therapieansätze zu entwickeln.



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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