Kammer warnt

Gefälschte BtM-Rezepte in Berliner Apotheken

Berlin - 18.07.2018, 09:10 Uhr

Die gefälschten BtM-Rezepte in den Berliner Apotheken lauten der Kammer zufolge vor allem auf Tilidin. (s / Foto: imago)

Die gefälschten BtM-Rezepte in den Berliner Apotheken lauten der Kammer zufolge vor allem auf Tilidin. (s / Foto: imago)


In Berliner Apotheken tauchen derzeit vermehrt gefälschte Tilidin-Rezepte auf. Das teilt die dortige Apothekerkammer unter Berufung auf das Landeskriminalamt (LKA) mit. Die BtM-Rezepte wurden demnach als gestohlen gemeldet. Apotheken sollen Verdachtsfälle direkt an das LKA melden.

Laut Landeskriminalamt (LKA) Berlin fallen derzeit vermehrt als gestohlen gemeldete BtM-Rezepte in Berliner Apotheken auf. Das ist dem aktuellen Newsletter der Kammer zu entnehmen. Die Verordnungen –  in der Regel über 100 ml Tilidin-Tropfen – seien gut gemacht, enthielten aber Fehler. Vor allem die erforderlichen Angaben gemäß § 9 Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtMVV) sollen unvollständig sein, heißt es.  

 § 9  BtMVV 

1) Auf dem Betäubungsmittelrezept sind anzugeben:

1. Name, Vorname und Anschrift des Patienten, für den das Betäubungsmittel bestimmt ist;

2. Ausstellungsdatum,

3. Arzneimittelbezeichnung, soweit dadurch eine der nachstehenden Angaben nicht eindeutig bestimmt ist, jeweils zusätzlich Bezeichnung und Gewichtsmenge des enthaltenen Betäubungsmittels je Packungseinheit, bei abgeteilten Zubereitungen je abgeteilter Form, Darreichungsform,

4.Menge des verschriebenen Arzneimittels in Gramm oder Milliliter, Stückzahl der abgeteilten Form,

5. Gebrauchsanweisung mit Einzel- und Tagesgabe oder ein Hinweis auf eine schriftliche Gebrauchsanweisung;

6. […]

7. Name des verschreibenden Arztes, Zahnarztes oder Tierarztes, seine Berufsbezeichnung und Anschrift einschließlich Telefonnummer,

8. [….]

9.Unterschrift des verschreibenden Arztes, im Vertretungsfall darüber hinaus der Vermerk „i.V.“.

Typischerweise kämen die Kunden außerhalb der üblichen Praxiszeiten mit dem Rezept in die Apotheke, sodass eine Rücksprache mit dem Arzt nicht möglich ist. Außerdem erzählten die „Patienten“ eine Geschichte, warum sie das Arzneimittel dringend benötigten, z. B. starke, akute Schmerzen.

Apotheker sind angehalten, sich nicht drängen zu lassen. Wenn das Rezept nicht in Ordnung ist, dürfe keine Belieferung erfolgen, betont die Kammer. Die Angaben nach § 9 BtMVV seien zwingend erforderlich. Verdachtsfälle und Vorkommnisse, die Rezeptfälschungen betreffen, sollen direkt an das LKA gemeldet werden. 

Allerdings weist die Kammer darauf hin, dass Patientendaten nicht übermittelt werden dürfen – auch dann nicht, wenn es sich potenziell um gefälschte Daten handelt.

Wie hoch ist der Schaden?

Rechnen Apotheker gefälschte Rezepte bei der Kasse ab, wird nicht erstattet – sofern die Kasse die Fälschung erkennt. Eine offizielle Statistik zu Rezeptfälschungen gibt es nicht. 2016 veröffentlichte die BKK VBU Zahlen, wonach ihr in den Jahren 2014 und 2015 rund 300.000 Euro Schaden durch falsch abgerechnete Leistungen aus Apotheken entstanden seien, von denen gefälschte Rezepte den Hauptteil ausmachten. Denn die Apotheker würden häufiger selbst getäuscht, als dass sie selber täuschen würden, sagte eine Sprecherin der Krankenkasse gegenüber DAZ online. Überschlägt man diese Zahlen und rechnet nur einmal durchschnittlich auf alle Kassen hoch, geht es um enorme Schadenssummen. Die Dunkelziffer dürfte zudem hoch sein.

Wie erkennt man eine Fälschung?

Die ABDA gibt Hinweise, wie Fälschungen erkannt werden können. So seien in den nicht echten Rezepten häufig die Druckzeilen nicht einheitlich linksbündig. In der Kodierzeile rechts unten auf den Rezepten stimme die Vertragsarztnummer dann auch häufig nicht mit der Nummer im Arztfeld überein. Stutzig werden sollten Apotheken-Teams auch bei auffällig ungeordneten Adressangaben, wenn etwa die Postleitzahl nicht vor der Ortsangabe stehe. Ebenfalls auffällig sei es, wenn das Geburtsjahr des Versicherten vierstellig angegeben sei, obwohl die Praxissoftware der Ärzte nur eine zweistellige Angabe zulasse, heißt es von der ABDA. Besonders bei Arzneimitteln aus dem Betäubungsmittelbereich oder all solchen, die missbräuchlich verwendet werden können, sei besondere Aufmerksamkeit erforderlich, so der Verband.

Neben besonderer Vorsicht bei solchen Schmerz- und Beruhigungsmitteln raten Experten, unter anderem die der ABDA, auch zu besonderer Aufmerksamkeit etwa kurz vor Feierabend. Wenn abends die Arztpraxen geschlossen sind, oder Mittwochnachmittags, gibt es keine Chance für Nachfragen – eine Situation, die Betrüger gerne ausnutzen. Auch Unerfahrenheit neuer Mitarbeiter und Berufsanfänger stehen im Fokus der Kriminellen. Im Zweifel sollten Apotheken-Mitarbeiter auf ihren Bauch hören und lieber einmal zu viel als zu wenig die Polizei informieren. 



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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