Nach dem Rückruf

Fragen und Antworten zur Valsartan-Verunreinigung

Stuttgart - 13.07.2018, 17:45 Uhr

Zum Thema Valsartan gibt es derzeit viel Informationsbedarf in den Apotheken. (j / Foto: tournee / stock.adobe.com)                                      

Zum Thema Valsartan gibt es derzeit viel Informationsbedarf in den Apotheken. (j / Foto: tournee / stock.adobe.com)                                      


Der Rückruf valsartanhaltiger Arzneimittel aufgrund einer potenziellen Verunreinigung mit N-Nitrosodimethylamin (NDMA) hat für große Verunsicherung gesorgt – und zwar bei Patienten, Ärzten und Apothekern. So scheint beispielsweise vielen nicht klar zu sein, dass der Rückruf nur aus den Apotheken und beim Großhandel, nicht aber beim Patienten erfolgte. Im Folgenden werden die wichtigsten Fragen beantwortet.

Was sollen Apotheken Patienten raten, deren Präparat vom Rückruf betroffen ist?

Da mittlerweile bekannt ist, welche valsartanhaltigen Arzneimittel nicht von dem Rückruf betroffen sind, empfiehlt das BfArM nun mehr, dass Patienten auf ein solches Arzneimittel umgestellt werden sollten. Patienten, die valsartanhaltige Arzneimittel einnehmen, sollten sich daher mit ihrem Arzt oder Apotheker in Verbindung setzen. Diese können dann abklären, ob das von ihnen derzeit eingenommene Arzneimittel aus einer der zurückgerufenen Chargen stammt. Auf keinen Fall soll das Präparat eigenmächtig abgesetzt werden.

Welche Präparate sind vom Rückruf betroffen?

Die vollständige Liste finden Sie hier.

Können Patienten ihr vom Rückruf betroffenes Valsartan in ihrer Apotheke einfach „umtauschen“ oder ihr Geld zurückbekommen?

Patienten, die ein nicht vom Rückruf betroffenes Präparat benötigen, brauchen in jedem Fall ein neues Rezept. Zum einen ist Valsartan ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel, das Apotheken nur auf ärztliche Verschreibung aushändigen dürfen. Zum anderen erfolgte der Rückruf nur auf Ebene der Apotheken und des Großhandels, daher besteht für Patienten kein Anspruch auf einen kostenfreien Ersatz.

Wird erneut eine Rezeptgebühr fällig?

Grundsätzlich wird für nicht von der Zuzahlung befreite Versicherte wieder eine Zuzahlung fällig. Die Apotheken müssen diese Zuzahlung in voller Höhe an die jeweilige Krankenkasse weiterleiten. Allerdings haben bereits Kassen angekündigt, dass sie ihren Versicherten die Zuzahlung erstatten. Die AMK empfiehlt betroffenen Versicherten, bei ihrer Kasse anzufragen.

Was ist mit den Mehrkosten, die bei Verordnung der Altoriginale anfallen?

Einzelne Kassen übernehmen wohl die Mehrkosten. Die AOK Rheinland/Hamburg zum Beispiel bestätigt gegenüber DAZ.online, sowohl anfallende Zuzahlungen als auch Mehrkosten für ihre Versicherten zu übernehmen. Die AOK Nordost will ebenfalls für die Mehrkosten bei Verordnungen über Altoriginale wie Diovan oder Provas aufkommen – allerdings nur einmalig. Auch hier lohnt es sich also, bei der Kasse anzufragen, allerdings besser im Vorfeld, da die Mehrkosten beträchtlich sind. 

Können Apotheker, wenn sie pharmazeutische Bedenken geltend machen oder durch Aufdrucken einer anderen Sonder-PZN, retaxsicher jedes lieferbare Valsartan-Präparat abgeben, auch wenn es nicht zu den drei preisgünstigsten zählt oder das namentlich verordnete ist?

Ob Kassen in dieser Sondersituation vom Rahmenvertrag abweichen, ist derzeit noch unklar. Aktueller Stand ist: Der Rahmenvertrag gilt. Bei Nichteinhaltung droht eine Retaxation.

Engpässe und die ideale Verordnung

Wie werden die Ärzte informiert?

Die Ärzte werden über die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft sowie über ihre kassenärztlichen Vereinigungen informiert.

Warum sind Wirkstoffverordnungen suboptimal?

Auf eine reine Wirkstoffverordnung hin darf nur eines der drei preisgünstigsten Arzneimittel abgegeben werden. Ob sich darunter eines der nicht vom Rückruf betroffenen Mittel befindet, ist in jeder Stärke anders. Am besten verordnen Ärzte eines der noch verfügbaren Präparate namentlich ohne Aut-idem-Kreuz. Dabei empfiehlt es sich, kurzfristig mit einer Apotheke die Lieferfähigkeit zu klären. Ob die Kassen in dieser Sondersituation von den Vorgaben des Rahmenvertrags abweichen, ist bislang nicht bekannt.

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Sind auch andere Substanzen betroffen?

Bislang sind keine Fälle bekannt und auch keine diesbezüglichen Rückrufe oder Meldungen erfolgt. Chinesische Medien berichten über ein Statement des chinesischen Herstellers Zhejiang Huahai Pharmaceutical, in dem er erklärt, dass in anderen Produkten der Firma keine genotoxischen Verunreinigungen detektierbar seien, „because of the different technological conditions“. Die AMK erwartet Ergebnisse der Prüfungen verwandter Wirkstoffe beziehungsweise deren Analysenzertifikate in Kürze.

Die Firma Hennig hat bereits am gestrigen Donnerstag erklärt, dass Candesartan Hennig®, Irbesartan Hennig® und Losartan Hennig® sowie die entsprechenden Kombinationen mit HCT nicht von der produktionsbedingten Verunreinigung mit N-Nitrosodimethylamin betroffen sind. Valsartan von Hennig hingegen ist betroffen. 

Welche Firmen sind nicht von dem Rückruf betroffen?

Vier Hersteller mussten ihre Präparate nicht zurückrufen: Mylan dura, TAD Pharma, Novartis und Aurobindo.


Werden die verbleibenden Hersteller die Lücke füllen können?

Marktführer TAD Pharma hat angekündigt, alles daran zu setzen, die Produktion zu erhöhen, um die Nachfrage zu befriedigen und damit sicherzustellen, dass Produkte auf dem deutschen Markt verfügbar sind. Auch Mylan will alles in seiner Macht stehende tun, um eine rasche Auflösung dieser Situation im Interesse der Betroffenen zu unterstützen. Da dies eine komplexe Situation ist, sei es zu früh für eine Stellungnahme, heißt es auf Nachfrage von DAZ.online. Die Experten von Mylan prüften derzeit, ob Mylan in der Lage ist, kurzfristig mit signifikanten zusätzlichen Volumina einem drohenden Engpass beizukommen.

Die AMK warnt jedoch, dass durch die Vielzahl an betroffenen Patienten, nicht ausgeschlossen werden kann, dass Ersatzpräparate nicht mehr in ausreichender Menge lieferbar sind. Berichten aus Apotheken zufolge gibt es bereits Engpässe. In diesem Fall empfiehlt sich die Umstellung auf einen vergleichbaren Wirkstoff, nach Entscheidung durch den behandelnden Arzt.

Umstellung auf andere Sartane und Gesundheitsrisiko

Was ist bei der Umstellung auf andere Sartane zu beachten? 

Azilsartan, Candesartan, Eprosartan, Irbesartan, Losartan, Olmesartan und Telmisartan können Alternativen zu Valsartan sein. Eine dosisäquivalente Umtsellung ist grundsätzlich möglich. Allerdings sind nicht alle Sartane in allen Indikationen zugelassen, und es gibt Unterschiede hinsichtlich der Dosisanpassung bei schlechter Nierenfunktion.

Besteht ein akutes Risiko für Patienten, die potenziell verunreinigte Valsartan-Präparate eingenommen haben? 

Laut BfArM besteht kein akutes gesundheitliches Risiko. Wenn das der Fall ist, wird in der Regel auch auf Patientenebene zurückgerufen – so geschehen zum Beispiel vor einigen Jahren bei fehlerhaften Adrenalinpens.

Zu den weiteren Risiken schreibt das BfArM: „Auf europäischer Ebene läuft derzeit ein umfangreiches Verfahren, um diese zu bewerten“. Die weitere Risikobewertung hänge davon ab, ob und in welchen Mengen in betroffenen Fertigarzneimittel-Chargen NDMA enthalten ist.

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Wie viel N-Nitrosodimethylamin (NDMA) ist in den Arzneimitteln enthalten?

Die Verunreinigung wurde beim Wirkstoff gefunden. Ob und wie viel NDMA in den jeweiligen Fertigarzneimitteln mit Wirkstoffen von diesem Hersteller enthalten ist, weiß man bislang nicht. Einige der betroffenen Zulassungsinhaber sehen es jedoch als wahrscheinlich an, dass sich die Verunreinigung auch dort findet. Gesicherte Erkenntnisse darüber liegen laut BfArM zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vor. Die hierfür erforderliche Analytik sei komplex, heißt es.

Wie konnte N-Nitrosodimethylamin in den Wirkstoff gelangen?

Derzeit geht man davon aus, dass eine Änderung des Syntheseverfahrens zu der Verunreinigung geführt hat. Der Wirkstoffhersteller Zhejiang Huahai Pharmaceutical Co. hat diese im Jahr 2012 vorgenommen. Bei dem geänderten Verfahren kann auch N-Nitrosodimethylamin als Nebenprodukt einer säurekatalysierten Reaktion von Dimethylamin mit Nitritsalzen entstehen.

Wie wurde die Verunreinigung festgestellt?

Laut BfArM basiert die Meldung auf den Untersuchungsergebnissen des Wirkstoffherstellers. Dieser hatte im Rahmen der Produktion für einen Fertigarzneimittelhersteller aus Spanien entsprechende Analysen durchgeführt.

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Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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4 Kommentare

Geiz ist Geil

von ampelmann am 17.07.2018 um 10:41 Uhr

Das ist die Folge der Geiz ist Geil Mentalität.
Und es kommt noch schlimmer solange diese Mentalität weiterhin von den Krankenkassen ausgeübt und vom Gesetzgeber gefördert wird.

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Valsartan

von Karl Peter Zeh am 16.07.2018 um 17:21 Uhr

Das hat nichts mit internationalem Welthandel zu tun. das ist der unstillbare, ungesetzliche Geldhunger unserer Pharmabranche!
Wer verantwortet das? Wer wird zur Rechenschaft gezogen? Schließlich werden bisher Millionen Patienten damit und ausgsprochen gut behandelt.

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Valsartan-Skandal

von Herbert Bach am 16.07.2018 um 11:57 Uhr

Valsartan, ein Blutdrucksenkungsmittel mit wenig Nebenwirkungen hat sich inzwischen zum Renner entwickelt.
Früher für den Großteil der “ Holzklassversicherten” tabu, es sei denn man bekam z.B. bei der Einnahme von anderen
Blutdrucksenkungsmitteln unerwünschte Nebenwirkungen z. B. Dauerhusten.

So lang das Produkt mit einem Patent geschützt war,musste man mit Blutdrucksenkern einschl. der Kombinationspräparate
(Entwässerung/Diuretika) leben, die einem der Arzt verschrieb. Nur diese Mittel hatten oft unterschiedlichste Nebenwirkungen.
Die Gruppe gehört zu den ACE-Hemmern.

Und wie so oft, der Feind des Guten ist das bessere: AT1-Rezeptor-Antagonisten mit dem Wirkstoff Valsartan.
Und für diese Mittel lief das Patent aus. das heißt, der Eigenanteil rutschte in den Keller, denn nun konnten
die sogenannten Nachahmer Hersteller, die Generikapharmaindustrie Valsartan herstellen.

Und wo lassen “Ratiopharm”, “Stada”, “Hexal” und Co herstellen, dort wo es am billigsten ist, in Indien und in diesem Fall
in China. Diese Mittel werden nun europaweit vom Markt genommen.

Für den Patienten heißt dies sofort Ersatzpräparate, die nicht im Verdacht stehen, verunreinigt zu sein, sich vom
Arzt verschreiben zu lassen. Die Kassen ersetzen die Rezeptgebühr, aber nicht den “Eigenanteil”.

Beispiel, Diovan von Novartis (früherer Patentinhaber) ist nicht verunreinigt, weil nicht in China produziert, Kosten für Mitglieder der TK:
Eigenanteil 84,00 EUR! Weitere wenige Anbieter die nicht betroffen sind, “ TAD” und ” Mylan”. Vielleicht gibt es
ja noch weitere nicht belastete Valsartanprodukte.

Also im Internet gegoogelt und siehe da, es gibt noch nicht verunreinigte Valsartan Produkte nur:
Die sind so gut wie ausverkauft. Selbst große Internet-Apotheken zeigen an: Nicht lieferbar
Und das ist ja logisch, Milliarden von Tabletten, die plötzlich nicht ausgeliefert werden können,
sind nicht von heute auf morgen durch andere Anbieter zu produzieren

Schade wer jetzt keinen Computer o.ä. besitzt um selbst zu recherchieren.

Die Dummen sind die Patienten aber den Generikaherstellern ist es ja egal, Hauptsache die Aktien werfen
Renditen ab und die Anleger sind zufrieden. Was interessiert mich der Produktionsstandort.

Ja ich bekomme ein nicht verunreinigtes Medikament:” Diovan” von Novartis, Zuzahlung durch mich, Stand
heute, Sonntag 84,00 EUR (“Eigenanteil”) und 5,00 EUR. Ach ja, die GKV übernimmt großzügigst die 5,00 EUR.

Wie lautete das zu “Kaisers Zeiten”? Wer Pharmazeutik oder Chemie in der Welt studieren wollte musste
deutsche Lehrbücher kaufen...

Mit freundlichen Grüßen
Herbert Bach

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Beratung unser Patienten

von Joachim Sievers am 14.07.2018 um 11:46 Uhr

Stellen wir uns bitte vor, wir SELBST wären Patienten, die täglich ein verunreinigtes Valsartan über Jahre eingenommen hätten. Jeden Tag eine unbekannte Dosis DMNA, einer kanzerogene Leitsubstanz, für die es keine Schwellendosis gibt. DMNA wirkt in Kombination mit anderen Kanzerogenen (z.B. Rauchen, Grillgut, Arzneimitteln?) überadditiv, zielt auf Speiseröhre, Leber und Niere und vermutlich in jungen Jahren intensiver als bei älterer Kundschaft.
Welche Hilfe bräuchten wir für uns selbst?
1. Die Aussage des Bfarm, dass von DMNA keine akute (!) Gefahr ausgeht, ist korrekt. Also nicht absetzen.
2. Seit wann nehme ich DMNA ein? Offensichtlich besteht das Problem seit 2012 durch Änderung des Syntheseweges. Nur meine Apotheke (!) oder die Krankenkasse kann mir sagen, welche Firmen (Rabattverträge !) ich in den letzten Jahren zu mir genommen habe. Also lasse ich mir die Rezepte zur Beweissicherung als Image ausdrucken (Kosten??).
3. Damit gehe ich zum Rechtsanwalt. Es wird Jahre dauern, bis die Verunreinigungen der letzten 6 Jahre definiert sind. So kann ich meine Ansprüche wahren, falls ich in einigen Jahren erkranken sollte.

Übertrieben? Liebe Kollegen, lesen Sie mal "Risikobewertung von N-Nitrosaminen in Luftballons, Bundesinstitut BGVV vom 11.04.2002".

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