G-BA-Beschlüsse

Alendronat-Brause versus Tabletten: Wie ähnlich ist „Aut-idem“?

Berlin - 09.07.2018, 09:00 Uhr

Ist es für Osteoporose-Patienten ein Unterschied, ob sie die schleimhautreizende Alendronsäure als gepufferte Lösung oder als Tablette einnehmen? Darüber streiten sich Hersteller und G-BA. (s / Foto: Imago)

Ist es für Osteoporose-Patienten ein Unterschied, ob sie die schleimhautreizende Alendronsäure als gepufferte Lösung oder als Tablette einnehmen? Darüber streiten sich Hersteller und G-BA. (s / Foto: Imago)


G-BA: Bei Dysphagie soll Arzt entscheiden

Ein weiterer therapierelevanter Vorteil besteht aus Herstellersicht für Patienten mit Dysphagie. Hier ist anzumerken, dass es sich bei Osteoporose um eine Alterserkrankung handelt. Und mit zunehmendem Alter nehmen Schluckbeschwerden zu. Auch eine Ösophagitis, wie sie beispielsweise durch Bisphosphonate begünstigt wird, kann zu Dysphagie führen.

Der G-BA erkenne zwar an, dass eine Lösung für Dysphagie-Patienten besser anzuwenden sei als Tabletten. Hier liege es jedoch in der Verantwortung des Arztes, das Aut-idem-Kreuz zu setzen. Dieses fehle in der Praxis häufig, argumentiert der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH), der an dem Stellungnahme-Verfahren beteiligt war. Insbesondere bei Verordnungen von Klinikärzten, die mit den Erstattungsregularien im ambulanten Bereich nicht vertraut seien, so der Herstellerverband. Auch der Apotheke lägen meist nicht die wesentlichen Informationen vor, um über einen Austausch zu entscheiden.

Weitere Differenzen zwischen den Parteien bestehen unter anderem darin, ob eine Hybridzulassung, wie sie bei Binosto® vorliegt, ein Kriterium für die Austauschbarkeit zu anderen wirkstoffgleichen Arzneimitteln darstellt. Der Beschluss liegt nun beim Bundesministerium für Gesundheit (BMG). Die Frist, innerhalb der das BMG den Beschluss rechtlich beanstanden kann, endet Mitte Juli.

Aut-idem-Beschlüsse aus technologischer Sicht

Der aktuelle G-BA-Beschluss ist nicht der einzige, der aus galenischen Gründen auf Widerstand von Herstellerseite gestoßen ist. So beschloss der G-BA am 17. September 2015, dass Risperidon-Schmelztabletten mit Filmtabletten austauschbar seien. Zur Erklärung: Schmelztabletten können im Gegensatz zu anderen festen Darreichungsformen nach Schleimhautkontakt nicht ausgespuckt werden. In der Psychiatrie kann so die neuroleptische Medikation gewährleistet werden, wenn die Gabe unter Aufsicht erfolgt.

Auch bei den Inhalativa scheinen technologische Unterschiede für den G-BA keine Rolle zu spielen. Denn diese Darreichungsformen, deren Handhabung für viele Patienten gewöhnungsbedürftig ist, fallen unter die normale Aut-idem-Regelung. Die korrekte Anwendung ist jedoch eine notwendige Voraussetzung für den Therapieerfolg. Bei Dosieraerosolen etwa ist es für viele Patienten schwierig, gleichzeitig Einzuatmen und den Sprühknopf zu betätigen. Applikationssysteme wie beispielsweise EasiBreathe® oder Autohaler® lösen die Wirkstoffabgabe mit dem Einatmen automatisch aus und ersparen dem Anwender die komplexe Koordination. In der Lauertaxe sind diese Inhalationssystem jedoch als „normales“ Dosieraerosol gelistet und durch andere Dosieraerosole austauschbar.

Experten, Facharzt- und Patientenverbände kritisieren diese G-BA-Entscheidung. Die Deutsche Atemwegsliga und die Deutsche Patientenliga Atemwegserkrankung haben am 3. Februar eine Petition an den Bundestag gestartet, mit der sie die Aufnahme der Inhalativa in die Substitutionsausschussliste des G-BA fordern. Die Petition kann noch bis zum 17. Juli mitgezeichnet werden.



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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