Zwölf Jahre Haft für Peter S.

„Sie haben die Apotheke in eine kriminelle Einrichtung verwandelt“

Essen - 06.07.2018, 14:15 Uhr

Zur Urteilsverkündung im Verfahren gegen den Apotheker Peter S. war heute die Presse wieder sehr präsent. ( j / Foto: hfd)

Zur Urteilsverkündung im Verfahren gegen den Apotheker Peter S. war heute die Presse wieder sehr präsent. ( j / Foto: hfd)


Zyto-Zubereitung ist „keine Operation am offenen Herzen“

Doch ist S. überhaupt verantwortlich? Das Gericht ist einerseits davon überzeugt, dass der Apotheker über Jahre einen guten Teil der unterdosierten Arzneimittel selbst hergestellt hat. „Es lag in seinem kriminellen Interesse, unterdosiert herzustellen“, sagte Hidding. Doch sei andererseits nicht ausschlaggebend, ob S. „eigenhändig gepanscht“ hat – das Gericht nimmt an, dass auch Mitarbeiter involviert waren. Dabei sei nicht anzunehmen, dass diese eigenhändig und ohne Wissen des Chefs unterdosiert haben. Dieser habe die volle Kontrolle gehabt. „Es lief nichts an ihm vorbei“, erklärte Hidding, der mit seinen Kollegen ein Organisationsdelikt sieht.

Und: Hat S. „quasi nur aus Versehen falsch dosiert?“, fragte Hidding. Zwar hätten zwei Sachverständige ausgesagt, dass der Apotheker 2008 einen dauerhaften Hirnschaden davongetragen hat und weiterhin an Kopfschmerzattacken leidet. Doch während ein von der Verteidigung beauftragter Psychiater eine verminderte Leistungsfähigkeit als gegeben sah und in Frage stellte, inwiefern S. für seine Taten verantwortlich sei, habe ein vom Gericht bestellter Sachverständiger die volle Schuldfähigkeit attestiert.

Dieser hatte auch eine Zyto-Apotheke besucht, um die Herstellung näher kennenzulernen. Diese sei „keine Operation am offenen Herzen“, sondern eine eher schlichte Tätigkeit, bei der man nicht viel nachdenken muss, erklärte Hidding. Außerdem habe S. sich auch selber immer als geistig fit gefühlt und er sei auch von Freunden und Kollegen als geistig gesund angesehen worden. S. habe deshalb ohne Zweifel vorsätzlich gehandelt. „Er ist voll schuldfähig“, sagte der Richter. Nach Einschätzung des Gerichts habe der Apotheker ganz schlicht aus Habgier gehandelt: Sein Leben sei von dem Streben nach materiellen Dingen geprägt gewesen.

Aufsichtsbehörden haben versagt

Stark kritisierte der Richter die Aufsichtsbehörden: S. hätte nicht so lange so handeln können, wenn es eine wirksame Apothekenkontrolle gegeben hätte, sagte er. „Die Geschichte dieses Kriminalfalls ist auch eine Geschichte des Behördenversagens“, erklärte Hidding: Es habe in den letzten Jahren nicht einmal eine einzige wirksame Kontrolle der Apotheke von S. gegeben. Nahezu alle Verwaltungsebenen seien beteiligt gewesen. Die Verantwortung sei dabei so gut aufgeteilt, dass sie am Ende niemand mehr trage, erklärte Hidding.

Vielfach richtete er sein Wort an die Patienten, die von S. beliefert wurden: Leider könne das Gericht ihnen nicht sagen, wer genau von Unterdosierungen betroffen sein. Er bat um Verständnis, dass das Gericht auf die „persönliche Gewissheit“, die manche Patienten beispielsweise aufgrund fehlender Nebenwirkungen hätten, kein rechtsstaatliches Urteil stützen könne. 



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Zwölf Jahre Haft für Peter S.

von Apotom am 09.07.2018 um 12:22 Uhr

Schluss mit dem europäischen Versandhandel !
Keine Freizügigkeit des Warenverkehrs für Arzneimittel !
Das Gericht ist zu belastenden wie entlastenden Ermittlungen verpflichtet.
Hat denn das Gericht Ermittlungen über Lieferanten aus Parkhäusern (z.B. Häuser, in denen Arzneimittel geparkt sind = Arzneimittelläger) außerhalb Deutschlands in Europa angestellt? Wie sicher ist der Bezug von Arzneimitteln aus Europa, kann ihr Weg auch bei gerichtlichen Ermittlungen nachvollzogen werden? Hierzu hätte ich in den Verhandlungen und in der Erläuterung zum Urteil gerne mehr gehört.

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