Gutachten an Spahn übergeben

Sachverständigenrat will Apotheker-Kompetenzen besser nutzen

Berlin - 02.07.2018, 16:30 Uhr

Prof. Eberhard Wille, stellvertretender Vorsitzender des Gesundheitssachverständigenrats, hält zwar nichts vom Rx-Versandverbot, will Apotheken aber stärker in besondere Versorgungsformen einbinden. (bj / Foto: Imago)

Prof. Eberhard Wille, stellvertretender Vorsitzender des Gesundheitssachverständigenrats, hält zwar nichts vom Rx-Versandverbot, will Apotheken aber stärker in besondere Versorgungsformen einbinden. (bj / Foto: Imago)


Der Gesundheitssachverständigenrat sieht nach wie vor viel Über-, Unter- und Fehlversorgung im deutschen Gesundheitssystem. In seinem jüngsten Gutachten macht er erneut zahlreiche Vorschläge, wie dem entgegengewirkt werden könnte. Die Arzneimittelversorgung und speziell Apotheken stehen diesmal zwar nicht im Fokus seiner Betrachtungen. Eine klare Forderung hat der Rat jedoch: Apotheken sollten als gleichberechtigte Partner in besonderen Versorgungsformen zugelassen werden.

Alle zwei Jahre legt der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen dem Bundesgesundheitsministerium ein Gutachten vor. Darin analysiert er die Entwicklung in der gesundheitlichen Versorgung und unterbreitet Vorschläge, wie Versorgungsdefizite und auch Überversorgungen sinnvoll abgebaut werden können. Ausgangsfrage des am heutigen Montag vorgestellten Gutachtens war: Wie können die derzeit erheblichen, aber dennoch begrenzten Mittel, die in Deutschland für die Gesundheit aufgebracht werden, zum Wohl der Patienten beziehungsweise der Versicherten, bedarfsgerecht und in hoher Qualität eingesetzt werden?

Der Vorsitzende des Sachverständigenrats, Prof. Ferdinand Gerlach, erklärte: „Unsere Analysen der vorhandenen Angebote und der konkreten Inanspruchnahme ambulanter und stationärer Leistungen lassen erkennen: Trotz vielfältiger Reformgesetze gibt es weiterhin – nebeneinander – Über-, Unter- und Fehlversorgung im deutschen Gesundheitssystem“. Diese Feststellung ist nicht neu. Und auch diesmal schlägt er der Politik ein Maßnahmenbündel vor, wie dem entgegengewirkt werden kann. Oberstes Ziel, so betont Gerlach, müsse dabei das Wohl der Patienten sein – und zwar nicht nur der gegenwärtigen, sondern auch der zukünftigen.

Notfallversorgung und die Überwindung von Sektorengrenzen

Die Notfallversorgung und die Krankenausplanung und -finanzierung nehmen diesmal breiten Raum im mehr als 750-seitigen Gutachten ein. So schwebt dem Rat eine Notfallversorgung aus einer Hand vor: Er empfiehlt, bisher getrennte Zuständigkeiten zusammenzuführen. Und zwar mit telefonisch einfach erreichbaren sogenannten Integrierten Leitstellen und Integrierten Notfallzentren, in denen niedergelassene Ärzte und Klinikärzte unter einem Dach zusammenarbeiten und Patienten im Notfall rund um die Uhr und mit hoher Qualität versorgen können. Dieser Bereich könnte laut Gerlach eine Art „Eisbrecher“ für die sektorenübergreifende Versorgung überhaupt sein. Denn auch hier sieht der Sachverständigenrat einigen Nachholbedarf.

Obwohl es schon seit 20 Jahren Integrierte Versorgungsformen gebe, die darauf abzielten, Sektorengrenzen zu überwinden, sei die Zwischenbilanz „noch immer unbefriedigend“, erklärte der stellvertretende Vorsitzende Prof. Eberhard Wille. Der Gestaltungsspielraum sei noch immer zu eng. Beispielsweise seien die Krankheitsbilder, die für Disease-Management-Programme (DMP) ausgewählt werden, zu eingeschränkt; hier sollte man den Partnern vor Ort die Auswahl überlassen. Auch die unterschiedlichen Rechtsformmöglichkeiten für Medizinische Versorgungszentren (MVZ) seien schwer nachvollziehbar und sollten vereinheitlich werden.

Apotheker nur unzureichend berücksichtigt

Auch die Apotheker hält der Rat in den besonderen Versorgungformen (§ 140a SGB V) für unzureichend berücksichtigt. Sie sollten als gleichberechtigte Partner zugelassen werden, heißt es in einer Empfehlung. Während etwa Arzneimittel- oder Medizinproduktehersteller in solche Netze eingebunden werden könnten, sei dies für Apotheken kaum möglich, erklärte Wille. Denn gegenwärtig funktioniert dies für sie nur mittelbar über § 129 Abs. 5b  SGB V. Und danach können sich Apotheken auch nur dann beteiligen, wenn die Angebote öffentlich ausgeschrieben wurden. Dies habe eine Mitwirkung der Apotheken an der besonderen Versorgung bisher weitgehend verhindert, heißt es im Gutachten. Dabei seien Apotheken häufig die erste Anlaufstelle im Gesundheitswesen für Patienten. Vor allem durch ihre Unterstützung eines gezielten Medikationsmanagements könnten sie dazu beitragen, Effizienz und Effektivität integrierter Versorgungskonzepte zu verbessern. „An die Stelle ihrer bisherigen Vergütung würde eine vergleichsweise günstigere Honorierung im Rahmen von netzinternen Vereinbarungen treten“, schreiben die Gutachter, ohne in diesem Punkt weiter in die Tiefe zu gehen.

Nein zum Rx-Versandverbot

Wille scheint sich aber noch mehr vorstellen zu können: „Apotheken könnte man auch präventive Aufgaben übertragen“, erklärte er auf Nachfrage. In anderen Ländern sei dies bereits üblich. Er nannte hier das Beispiel Impfen. Wille ist überzeugt: „Die Kapazitäten von Apotheken sind noch nicht hinreichend ausgeschöpft“.

Zum Thema Apotheken oder gar dem Arzneimittelversandhandel enthält das Gutachten sonst keine Aussagen. Wille verwies aber darauf, dass der Rat sich in einem früheren Gutachten bereits zum Thema Versandhandel geäußert habe. Diese Meinung vertrete der Rat auch heute noch, sagte Wille. Das heißt auf den Punkt gebracht: „Ein Verbot des Versandhandels würden wir nicht befürworten“.

Das gesamte Gutachten 2018 mit dem Titel „Bedarfsgerechte Steuerung der Gesundheitsversorgung“ finden Sie hier zum Download.   



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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4 Kommentare

Sachverständigungsrat als Meinungsmanipulator?

von Heiko Barz am 03.07.2018 um 10:46 Uhr

Merken wir eigentlich, dass wir nur noch verar......t werden?
Einerseits versuchen Meinungsmanipulatoren den Apotheker als gleichberechtigten Partner im Gesundheitswesen zu brauchen, andererseits aber wurde eine gleichwertige Entlohnung für oben angesprochene Leistung wahrscheinlich aus dem Grund in Frage gestell, da ja der Apotheker- allgemein gesehen- ausreichend Geld verdient und alles beruflich "Zugeführte" für Gottes Lohn erbringt. Und zum Schluß wird auch noch das RXVV als längst beschlossen abgeurteilt.
Mit dieser Art, den BGM subversiv zu beeinflussen, kann ich mich nicht einverstanden erklären und erwarte eine detailliertere Protestnote von F.Sch.!
Aber, so wie ich die ABDA Zentrale auf derer feudalistischen Spielwiese In Berlin seit über 50 Jahren zu kennen weiß, wird wieder NICHTS, spezifisch Berufserhaltendes, geschehen, wollen wir wetten!

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Protestnote?

von Holger am 03.07.2018 um 11:32 Uhr

Also gegen Sachverstand zu protestieren halte ich für kontraproduktiv. Und dem Sachverständigenrat zu unterstellen, er habe den Sachverstand nicht, geht garantiert auch nach hinten los. Ich würde Herrn Wille und Herrn Gerlach einladen - in die Apotheken, zu Kamingesprächen und was weiss ich auch immer. Geringer wird ihr Sachverstand durch solche Informationsstrukturen gewiss nicht :)

AW: Sachverständigungsrat als

von Heiko Barz am 03.07.2018 um 12:52 Uhr

Wenn sich sogenannte "Sachverständige" gegen ein RXVV als indiskutablen Tatbestand aussprechen, auch wenn sie Professoren sind, so sollte man deren Meinung für unsere berufsspezifischen und speziellen Sachverhalte, die nach Ihrer Darstellung, Holger, als wichtig zu gelten hat, mit Nachdruck widersprechen.
Nicht jeder noch so hoch bewertete akademische Berufszweig hat für jedes Problemfeld eine allumfassende Lösung parat.
Wir dürfen unsere Berufsgruppe mit Fug und Recht als "Sachverständige" im Bereich Arzneimittel bezeichnen, und dennoch wird unsere Meinung zu hochsensiblen Gesundheitsfragen im Bereich AM für unerträglich überflüssig angesehen und medial verbreitet.

Immer die gleiche Leier

von Bernd Jas am 03.07.2018 um 10:24 Uhr

-Wille ist überzeugt: „Die Kapazitäten von Apotheken sind noch nicht hinreichend ausgeschöpft“. Nur was die Vergütung dieser Dienstleistungen betrifft, gehen die Vorstellungen der Sachverständigen mit denen der Standesvertretung der Apotheker meilenweit auseinander.-

Denkblase 1 : Sooo, da bieten wir denen erst mal ´ne richtig wichtige Aufgabe und das Honorar kann dann später noch abgelehnt werden.
Denkblase 2 : Super, erst mal mitmachen und unentbehrlich wirken, dann können wir vielleicht später auch was abschöpfen.

Plopp.
Plopp.

Frage: welcher Plopp war echt?

Tipp: fifty/fifty


» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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