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Was Apotheker über Vitamin B₁₂ wissen müssen 

Stuttgart - 08.08.2018, 12:45 Uhr

Die Ursachen für einen Vitamin-B12 -Mangel können vielfältig sein: So kann die Zufuhr von Vitamin B12 ungenügend sein, die Aufnahme reduziert oder der Bedarf erhöht. (b / Foto: jarun011 / stock.adobe.com)
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Die Ursachen für einen Vitamin-B12 -Mangel können vielfältig sein: So kann die Zufuhr von Vitamin B12 ungenügend sein, die Aufnahme reduziert oder der Bedarf erhöht. (b / Foto: jarun011 / stock.adobe.com)


Welche Begriffe fallen Ihnen zu Vitamin B12 ein? Cyanocobalamin vielleicht? Blutbildung, Zellteilung, Nervensystem? Die ganz Eifrigen assoziieren mit dem wasserlöslichen Vitamin eventuell sogar noch Extrinsic Factor und den für die Aufnahme erforderlichen Intrinsic Factor des Magens. Wie entsteht ein Mangel an Vitamin B12, welche „Ernährungstypen“ sind besonders gefährdet, und wie äußert sich eine solch defizitäre Vitamin-B12-Lage?

Vitamin B12 beziehungsweise Cobalamin zählt zur Gruppe der B-Vitamine und ist so zunächst einmal biologisch inaktiv. Erst im Körper erfolgt die Aktivierung zu Coenzym B12, auch Adenosylcobalamin genannt. Die Aufnahme von Vitamin B12 aus der Nahrung gestaltet sich nicht ganz einfach, da ein zweiter, körpereigener Faktor, der sogenannte Intrinsic Factor, hierfür benötigt wird. Diesen produzieren die Belegzellen des Magens. Der Intrinsic Factor bindet – das auch als Extrinsic Factor bezeichnete – Vitamin B12 in einem Komplex. Auf diese Art wird Vitamin B12 durch den Magen-Darm-Trakt geschleust, um schließlich im letzten Abschnitt des Dünndarms (Ileum) aufgenommen zu werden. Hierbei spaltet sich der Intrinsic Factor wieder ab. Anschließend transportiert das Cobalamin in der Blutbahn dann durch das Transportprotein Transcobalamin. Dieses schafft Vitamin B12 im Blut zur Zelle oder zu seinem Speicherort im Körper, der Leber.

Wie kommt der Mensch an Vitamin B12?

Weder tierische Organismen noch Pflanzen sind in der Lage, Vitamin B12 zu synthetisieren – somit auch nicht der Mensch. Diese Fähigkeit besitzen lediglich Mikroorganismen. Vitamin B12 findet sich allerdings vor allem in tierischen Lebensmitteln – obwohl die tierischen Organismen dieses ja gar nicht produzieren können. Wie kann das sein? Dass trotz der Unfähigkeit einer endogenen Vitamin-B12-Synthese dieses dennoch in tierischen Lebensmitteln vorkommt, lässt sich darauf zurückführen, dass die Mikroorganismen im Gastrointestinaltrakt der Tiere diese Aufgabe dort übernehmen oder die Tiere Vitamin B12 mit der Nahrung aufnehmen.


Lebensmittel

Vitamin-B12 -Gehalt in µg/100g

Hering

11,0

Makrele

9,0

Seelachs

3,5

Emmentaler

3,1

Hühnerei

1,9

Salami

1,4

Speisequark

0,8

Joghurt

0,4

Auch pflanzliche Nahrung kann Vitamin B12 enthalten, allerdings in deutlich geringeren Mengen, als dies für tierische Produkte der Fall ist. Selbst durch Bakterien milchsauer vergorene Lebensmittel, wie Sauerkraut beispielsweise, enthalten nur wenig Vitamin B12. Gleichermaßen Algen, die nicht selten als wertvolle Vitamin-B12-Quelle für Vegetarier angepriesen werden. Die dort enthaltenen Vitamin-B12 -Analoga sind zum größten Teil klinisch unwirksam und eignen sich nicht, defizitäre Vitamin-B12-Zustände zu verhindern oder auszugleichen. 

Auch die Bakterien im menschlichen Dickdarm produzieren Vitamin B12, allerdings kann Vitamin B12 nur im darüber liegenden Dünndarm aufgenommen werden, sodass diese Quelle vom Menschen nicht genutzt werden kann. Allerdings hilft der enterohepatische Kreislauf, die Bestände an Vitamin B12 optimal zu verwerten. So wird mit der Galle ausgeschiedenes Vitamin B12 „recycled“ und im Dünndarm erneut resorbiert.

Wie äußert sich ein Vitamin-B12-Mangel?

Im Anfangsstadium eines Vitamin-B12-Mangels können die Symptome noch recht unspezifisch sein. Kraftlosigkeit, Stimmungsschwankungen oder Mundwinkelrhagaden (eingerissene Mundwinkel) treten neben Schlafstörungen, Koordinationsstörungen, Sehstörungen und Persönlichkeitsveränderungen auf. Niedrige Vitamin-B12-Spiegel werden mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Zusammenhang gebracht.

(Grafik: bilderzwerg / stock.adobe.com)

Vitamin B12 ist wichtig für die Zellteilung, da es an der Bildung von DNA- und RNA-Bestandteilen beteiligt ist, und zwar konkret an den Nukleobasen Adenin, Thymin, Guanin. Somit äußert sich ein Mangel an Vitamin B12 vorrangig in den Organen mit hoher Zellteilungsaktivität wie dem Knochenmark, wo die Blutbildung stattfindet. Der Mangel an roten Blutkörperchen ist hier am ausgeprägtesten, wobei die wenigen noch entstehenden Blutkörperchen mit dem Blutfarbstoff Hämoglobin stärker angereichert werden als üblich. Die Folge: Die Erythrozyten sind größer und haben einen höheren Hämoglobingehalt, man spricht dann von einer hyperchromen makrozytären Anämie. 

Auch das Nervensystem profitiert normalerweise von Vitamin B12. Vitamin B12 ist an der Myelinisierung der Nervenfasern beteiligt. Ein Defizit des Vitamins führt – bei extremen Mangelzuständen – zu Parästhesien (Lähmungserscheinungen), spastischen Krämpfen, aber auch zu Bewegungsstörungen (Ataxie). Die Leber ist in der Lage Vitamin B12 in relativ großen Mengen zu speichern, im Milligrammbereich, so dass klinische Mangelsymptome auch erst nach Jahren manifest werden können.

Ursachen eines Vitamin-B12 -Mangels

 Als Industrienation zählt Deutschland nicht zu den
Vitamin­-B12­-Mangelländern. Die allgemeine Versorgungslage mit Vitamin B12 ist gut. So führen Männer im Mittel 5,8 µg pro Tag zu, Frauen 4 µg pro Tag und erfüllen somit die Zufuhrempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Unter einem Mangel leiden hierzulande vorwiegend Frauen, 26 Prozent erreichen die DGE-Empfehlung nicht.

Die Ursachen für einen Vitamin-B12 -Mangel können vielfältig sein: So kann die Zufuhr von Vitamin B12 ungenügend sein, die Aufnahme reduziert oder der Bedarf erhöht.

  • Ungenügende Zufuhr: Bestimmte Personengruppen zählen zu den Vitamin-B12 -Mangel-Risikokollektiven. Dazu gehören vor allem Vegetarier, Veganer, Menschen mit Fehl- oder Unterernährung und Alkoholiker.
    Auch vollgestillte Kinder von rein veganen Müttern können einen Vitamin-B12-Mangel entwickeln.

  • Reduzierte Aufnahme: Für die Aufnahme von Vitamin B12 (Extrinsic Factor) benötigt der Körper den sogenannten Intrinsic Factor. Diesen bilden die Belegzellen des Magens. Wann also fehlt dieser wichtige Intrinsic Factor? Extreme Ursache hierfür ist ein Fehlen des Magens.
    Aber auch Erkrankungen der Magenschleimhaut können die Intrinsic-Factor-Produktion vermindern ebenfalls Infektionen mit dem Magenkeim Helicobacter pylori. Bei der perniziösen Anämie bildet der Körper Antikörper gegen die Belegzelle des Magens, somit fehlt auch in diesem Fall die Fähigkeit, den Intrinsic Factor zu bilden.

    Möglich ist auch, dass zwar der Intrinsic Factor ausreichend vorhanden ist, jedoch das zugeführte Vitamin B12 nicht in genügender Menge aus der Nahrung freigesetzt wird. Das ist dann der Fall, wenn die Säure fehlt. So können auch Magensäure-regulierende Arzneimittel wir Protonenpumpenhemmer (Omeprazol, Pantoprazol, …) oder H2-Antihistaminika (Famotidin, Ranitidin, … ) zu einem Vitamin-B12-Mangel führen.
    Allerdings nimmt auch physiologisch mit zunehmendem Alter die Säureproduktion des Magens ab, somit kann diese defizitäre Situation vor allem Senioren für einen Vitamin-B12-Mangel prädestinieren.
    Erfolgt die Freisetzung aus der Nahrung zwar im Magen, wird Vitamin-B12 erst ein Stück später im Gastrointestinaltrakt aufgenommen, und zwar im letzten Abschnitt des Dünndarms (Ileum). Patienten, die unter chronisch entzündlichen Darmerkrankungen leiden, wie beispielsweise Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa, oder die entzündete Darmwände haben aufgrund einer Zöliakie beispielsweise, können sekundär dann ebenfalls zu wenig des wichtigen Vitamins abbekommen.
    Gleiches gilt nach Darmresektion. Auch manche Darminfektionen, unter anderem mit Parasiten wie dem Fischbandwurm, tragen zu einem Mangel bei, da die Parasiten beziehungsweise Erreger Vitamin B12 für ihre eigenen Stoffwechselprozesse verbrauchen.

  • Erhöhter Bedarf: Wie bei so vielen Vitaminen oder Mineralstoffen, ist auch bei Vitamin B12 der Bedarf in der Schwangerschaft und Stillzeit erhöht. So gilt laut den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) für Erwachsene eine Zufuhr von 3 µg/Tag, Schwangere sollten 3,5 µg/Tag und Stillende 4 µg/Tag täglich zuführen. 

Wie kann man einen Vitamin-B12-Mangel medikamentös behandeln?

Vitamin B12 kann sowohl oral als Tablette als auch parenteral in Form einer intramuskulären Injektion appliziert werden. Um eine sichere Vitamin-B12-Zufuhr zu gewährleisten, ist eine Injektion die Darreichungsform der Wahl, da sie alle möglichen Resorptionsstörungen ausschließt. Eine orale Einnahme macht vor allen Dingen dann Sinn, wenn dem Vitamin-B12-Mangel eine ungenügende Zufuhr, beispielsweise durch vegetarische oder vegane Ernährung, in Schwangerschaft und Stillzeit, zugrunde liegt.

Teilweise kann auch bei Patienten „ohne“ Intrinsic Factor, zum Beispiel durch eine perniziöse Anämie, versucht werden, den Mangel oral zu behandeln, und zwar mit relativ hohen Dosen an Vitamin B12.

Hintergrund ist, dass ein Prozent des Vitamins auch unabhängig vom Intrinsic Factor aufgenommen werden kann. Zu Beginn einer Therapie mit Vitamin B12 kann es dafür zu anderen Mangelzuständen kommen: Eisen, Folsäure und Kalium. Denn durch das Vorhandensein von Vitamin B12 wird die Bildung der roten Blutkörperchen wieder in ausreichender Menge ermöglicht, dafür wird auch Eisen benötigt und auch Folsäure und Kalium sind daran beteiligt.


Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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