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Vitamin B₁₂ bei Veganern und Senioren – warum besteht Mangelgefahr?

Stuttgart - 09.08.2018, 17:45 Uhr

Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung ist Vitamin B12 bei Meeresalgen wie Nori oder Spirulina (hier in Pulverform abgebildet) lediglich in unwirksamen Varianten enthalten. (c / Foto: whitestorm / stock.adobe.com)
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Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung ist Vitamin B12 bei Meeresalgen wie Nori oder Spirulina (hier in Pulverform abgebildet) lediglich in unwirksamen Varianten enthalten. (c / Foto: whitestorm / stock.adobe.com)


Im Allgemeinen ist Deutschland kein Vitamin-B12-Mangel-Land, die Versorgungssituation mit Cyanocobalamin wird von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung als gut eingestuft. Dennoch leiden manche Personen an einer Unterversorgung, Frauen eher als Männer. Bestimmte Personengruppen sind in besonderem Maße „prädestiniert“, einen Mangel an Vitamin B12 zu entwickeln. Veganer und Senioren zählen zu den Risikogruppen für defizitäre Vitamin-B12-Zustände. Warum ist das so?

Defizitäre Vitaminspiegel entwickeln sich nicht über Nacht. Der menschliche Körper ist in der Lage, Vitamin B12 in hohen Mengen in der Leber zu speichern, und zwar im Milligrammbereich. Die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfohlene tägliche Zufuhr an Vitamin B12 liegt gerade einmal bei 3 µg/Tag.

Warum leiden Veganer gern an einem Vitamin-B12-Mangel?

Schätzungsweise 0,1 bis 1 Prozent der deutschen Bevölkerung ernähren sich vegan, das heißt, sie verzichten vollständig auf tierische Lebensmittel wie Fleisch oder Fisch und auch auf tierische Produkte wie Ei, Milcherzeugnisse und Honig. Besonders konsequente Verfechter meiden zusätzlich Lederpeodukte. Hierzulande ist die Entscheidung für eine rein pflanzliche Ernährungsweise eine bewusste, anders als in manchen Entwicklungsländern, in denen aufgrund einer teilweise eingeschränkten Lebensmittelverfügbarkeit manche Produkte schlichtweg einfach nicht zur Verfügung stehen. Das „Klientel“ für vegetarische oder vegane Ernährung ist in der westlichen Welt meist jung, weiblich, gebildet, lebt in Städten und legt Wert auf einen „gesunden“ Lebensstil.

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Das Problem bei streng veganer Kost: Sie enthält kaum Vitamin B12. Warum ist das so? Vitamin B12 kann weder von tierischen Organismen noch von Pflanzen synthetisiert werden, ausschließlich Mikroorganismen sind in der Lage, dies zu tun. Dass tierische Produkte wie Fleisch oder Milch dennoch Vitamin B12 enthalten, liegt daran, dass Mikroorganismen im Gastrointestinaltrakt der Tiere die Vitamin-B12-Synthese dort übernehmen beziehungsweise die Tiere das Vitamin über ihre Nahrung aufnehmen.

Genügen pflanzliche Quellen für eine ausreichende Versorgung mit Vitamin B12?

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung liefert die Erklärung: „Vegane Ernährung enthält bei ausschließlichem Verzehr nicht angereicherter Lebensmittel kaum Vitamin B12“, erklären die Ernährungs-Experten in einem Positionspapier zu veganer Ernährung. Aber können Veganer nicht mittels durch Mikroorganismen fermentierter Lebensmittel, wie beispielsweise Sauerkraut, ihren Vitamin-B12-Bedarf ausreichend sichern? Die DGE bezweifelt diese Vitamin-B12-Quelle für Veganer stark. Nach Ansicht der Experten enthalten milchsauer vergorene Lebensmittel „Spuren“ von Vitamin B12, und die Mengen sind zu gering, als dass diese den physiologischen Bedarf des menschlichen Körpers decken. Darüber hinaus sei nicht klar, ob Menschen diese Form des enthaltenen Vitamins überhaupt verwerten könnten, denn nicht jeder Vitamin-B12-Abkömmling ist in gleichem Maße nutzbar für den Menschen.

Wenig mehr Hoffnung schürt die DGE bei Shiitake-Pilzen. Hier schwanke der Gehalt stark, so dass auch mit diesem Lebensmittel keine zuverlässige Vitamin-B12-Versorgung erfolgt. Auch bei weiteren, häufig als wertvolle Vitamin-B12-Quelle ausgelobten Lebensmitteln hegt die DGE Bedenken. Bei Meeresalgen wie Nori oder Spirulina sei die Aufnahme unklar, außerdem lägen ebenfalls unwirksame Vitamin-B12-Formen vor. Zusätzlich gelte es bei Nori den Jodgehalt zu berücksichtigen.

Das Fazit der Ernährungs-Experten: „Veganer können mit herkömmlichen Lebensmitteln einschließlich fermentierter Lebensmittel ihre Vitamin-B12-Versorgung nicht sicherstellen. Für eine ausreichende Vitamin-B12-Zufuhr ist die Einnahme eines Vitamin-B12-Präparates notwendig“. Diese Empfehlung ist nicht aus der Luft gegriffen: Untersuchungen zeigen, dass Veganer ohne nahrungsergänzende Vitamin-B12-Präparate, in 86 Prozent der Fälle an einem Vitamin-B12-Mangel leiden.

Was sind die Folgen einer Mangelversorgung?

Vitamin B12 ist wichtig für die Zellteilung, da es an der Bildung von DNA- und RNA-Bestandteilen beteiligt ist, und zwar konkret an den Nukleobasen Adenin, Thymin, Guanin. 

(Grafik: Bilderzwerg / stock.adobe.com)

Somit äußert sich ein Mangel an Vitamin B12 vorrangig in den Organen mit hoher Zellteilungsaktivität wie dem Knochenmark, wo die Blutbildung stattfindet. Der Mangel an roten Blutkörperchen ist hier am ausgeprägtesten, wobei die wenigen noch entstehenden Blutkörperchen mit dem Blutfarbstoff Hämoglobin stärker angereichert werden als üblich. Die Folge: Die Erythrozyten sind größer und haben einen höheren Hämoglobingehalt, Experten sprechen dann von einer hyperchromen makrozytären Anämie.

Auch das Nervensystem profitiert normalerweise von Vitamin B12. Vitamin B12 ist an der Myelinisierung im Nervensystem beteiligt. Ein Defizit des Vitamins führt – bei extremen Mangelzuständen – zu Parästhesien, spastischen Krämpfen, aber auch zu Bewegungsstörungen (Ataxie).

Vegane Schwangere und Stillende

Eine rein pflanzlich basierte Kost bei Schwangeren und Stillenden birgt nicht nur für die werdende Mutter das Risiko einer Unterversorgung mit Vitamin B12. Auch das Ungeborene beziehungsweise das gestillte Kind kann defizitäre Vitamin-B12-Stoffwechselzustände entwickeln. Der Bedarf an Vitamin B12 ist sogar noch erhöht während einer Schwangerschaft oder der Zeit des Stillens, da Vitamin B12 für Wachstum und Entwicklung des Säuglings wichtig ist. So empfiehlt die DGE für gesunde Erwachsene 3 µg Vitamin B12 pro Tag, Schwangere sollen 3,5 µg/Tag und Stillende 4 µg/pro Tag zuführen, sei es mit der „normalen“ Ernährung oder über entsprechende Nahrungssupplemente.

Vitamin-B12-arme Ernährung und ein Mangel im Körper gehen bei Schwangeren mit einem höheren Risiko für Schwangerschaftskomplikationen einher, wie Fehlgeburt oder Präeklampsie. Das Neugeborenen kann ein zu geringes Geburtsgewicht entwickeln oder unter Neuralrohrdefekten leiden. Neuralrohrdefekte sind bekannt durch eine bestehende Folsäure-Unterversorgung der Schwangeren. Allerdings hängen Folsäure und Vitamin B12 eng zusammen: Denn Vitamin B12 ist wichtig, dass Folsäure reaktiviert werden kann, indem es die Folsäure in die eigentlich aktive Form, das Tetrahydrofolat, zurückverwandelt. Wird dieser Zyklus durch Vitamin-B12-Mangel unterbrochen, resultiert ein sekundärer Folsäuremangel.

Stillt eine sich rein vegan ernährende Frau ihr Kind voll, besteht die Gefahr von neurologischen Störungen und hyperchromen megaloblastären Anämien beim Säugling.

Warum leiden Senioren vorzugsweise an einem Vitamin-B12-Mangel?

Mit zunehmendem Alter sinkt physiologischerweise die Säureproduktion des Magens. Allerdings ist ein Mindestmaß an Magensäure erforderlich, um Vitamin B12 aus der aufgenommenen Nahrung freizusetzen. Zusätzlich kommt bei älteren Personen häufig eine Polymedikation hinzu, das bedeutet: Nicht selten nimmt diese Altersgruppe mehrere Arzneimittel ein, und die Wahrscheinlichkeit, dass sich hierunter auch ein säurehemmendes Arzneimittel befindet, ist durchaus gegeben. Das können sowohl verschreibungspflichtige Medikamente sein, aber auch Arzneimittel, die Patienten im Rahmen der Selbstmedikation in der Apotheke kaufen: Protonenpumpenhemmer, wie Omeprazol oder Pantoprazol beispielsweise, oder H2-Antihistaminika, wie Ranitidin, stehen Patienten auf beiden Wegen, via Rezept und Selbstmedikation, zur Verfügung.

In der Selbstmedikation sind auch direkt säurebindende Arzneimittel mit beispielsweise Hydrotalcid oder Magaldrat beliebt. In diesen Fällen stimmt dann zwar die ernährungsbedingte Zufuhr des Vitamin B12, nur kann der Körper der Patienten das in ausreichender Menge zugeführte Vitamin nicht verwerten. Senioren zählen aber auch aus anderen Gründen zur Risikogruppe für einen manifesten Vitamin-B12-Mangel. Denn nicht jeder ältere Patient ernährt sich gut, hinreichend und ausgewogen. Eine Fehl- oder Mangelernährung kann jedoch auch hinter einem Vitamin-B12-Mangel stecken.


Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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