Interview Dr. Thomas Trümper (Phagro)

„Beim Großhandelshonorar gibt es Parallelen zur Parteienfinanzierung”

Berlin - 27.06.2018, 07:00 Uhr

Dr. Thomas Trümper, Chef des Phagro, dementiert Vorwürfe und Gerüchte, nach denen Großhändler in Deutschland den 70-Cent-Fixzuschlag des Großhandels für Rabatte und Skonti freigeben. (Foto: Schelbert)

Dr. Thomas Trümper, Chef des Phagro, dementiert Vorwürfe und Gerüchte, nach denen Großhändler in Deutschland den 70-Cent-Fixzuschlag des Großhandels für Rabatte und Skonti freigeben. (Foto: Schelbert)


Noch in diesem Jahr könnte der Bundestag ein Gesetz beschließen, nach dem der Festzuschlag der Großhändler festgeschrieben wird. Dr. Thomas Trümper, Chef des Bundesverbandes des pharmazeutischen Großhandels (Phagro) erklärt im Interview mit DAZ.online, warum alle Phagro-Mitglieder hinter der Fixierung stehen, ob sich die Fixierung auf die Apotheken auswirken wird, warum er sich über das GKV-Positionspapier geärgert hat und was der Großhandel mit der Parteienfinanzierung zu tun hat.

DAZ.online: Herr Trümper, so wie es aussieht, will das Bundesgesundheitsministerium nach dem sogenannten Skonti-Urteil nun dafür sorgen, dass der Festzuschlag für Großhändler nicht rabattierfähig ist. Er soll fest bei 70 Cent liegen. Begrüßen Sie diese Maßnahme?

Trümper: Eindeutig. Dass der Festzuschlag nicht rabattierfähig ist, war bei der Umstellung des Großhandelshonorars mit dem AMNOG vom Gesetzgeber so vorgesehen. Der Sinn dahinter war, dass die Großhändler mit dem Festzuschlag ihre Kosten bestreiten. Um das gleich vorweg zu nehmen: Das ist aus unserer Sicht auch kein Nachteil für die Apotheker, denn die Apotheker profitieren von einem starken Großhandel.

DAZ.online: Sie sprechen einen wichtigen Punkt an: Viele Apotheker fürchten, dass sich die Fixierung des Honorars negativ auf sie auswirken könnte, weil dann weniger Spielraum für Rabatte ist. Was möchten Sie den Apothekern hierzu mitteilen?

Trümper: Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass ein Rabatt auch immer eine Gegenleistung erfordert, sonst stimmt am ganzen System etwas nicht. Wir waren uns zusammen mit der Politik bei Formulierung der Spanne im AMNOG einig, dass ein variabler Anteil der Spanne von 3,15 Prozent ausreichend ist, um Gegenleistungen auszugleichen. Ich habe bisher niemanden gefunden, der mir erklären könnte, welche Gegenleistung einen höheren Rabatt rechtfertigen würde. 

DAZ.online: Wenn man sich im Markt umhört, haben einige Großhändler den Festzuschlag schon länger aufgeweicht und Rabatte und Skonti geboten – angeblich soll es da die verschiedensten Konditionsmodelle geben. Stehen also wirklich alle Phagro-Mitglieder hinter dieser Fixierung des Festzuschlags?

Trümper: Natürlich befinden wir uns in einem harten Wettbewerb, in dem es auch teilweise missbräuchliche Konditionsstrukturen gibt, wozu ich die Aufweichung der 70 Cent zähle. Ich kann nur für meine Mitgliedsunternehmen sprechen und sagen, dass die 70 Cent als feste Marge hier immer beachtet wurden.

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DAZ.online: Die Gehe fordert ja in erster Linie gar nicht die Fixierung des Festzuschlags sondern eine Erhöhung auf insgesamt 96 Cent. Teilt der Phagro diese Forderung?

Trümper: Unbedingt. Es wäre sogar logisch, wenn der Gesetzgeber das Fixum in einem zweiten Schritt auf 96 Cent erhöht. Schließlich beruhen die 70 Cent auf einer Art Abkommen zwischen dem Bundesgesundheitsministerium, den Herstellern, den Apothekern und uns. Vor dem AMNOG stand fest, dass jeder Marktteilnehmer in der Lieferkette einen Sparbeitrag für die GKV einbringen müsse. Vor der Umstellung des Großhandelshonorars haben wir damals einen Betrag von 93 Cent pro Packung errechnet. Aber aufgrund eben dieses Abkommens wurde der Festzuschlag dann auf 70 Cent festgelegt. Was heute leider vergessen wird, ist, dass die AMNOG-Einsparungen eigentlich nur als temporäre Maßnahme angekündigt waren – eine Erhöhung hätte also schon längst stattfinden müssen.

„Alle Großhändler laufen auf einer Nulllinie“

DAZ.online: Wie haben sich denn die Margeneinnahmen der Großhändler seit dem AMNOG de facto entwickelt?

Trümper: 2010, also vor dem AMNOG, hatte die nominale Spanne noch bei ca. 1,2 Milliarden Euro gelegen. Nach den ersten AMNOG-Maßnahmen lag sie 2011 dann bei etwa 1,01 Milliarden Euro. Inzwischen sind die Einnahmen leicht geklettert, 2017 lagen wir bei 1,12 Milliarden Euro, das liegt aber an den Marktsteigerungen, also der gesteigerten Packungsabgabe, die natürlich auch höhere Kosten erzeugt. Schaut man sich die Margenentwicklung bezogen auf den Umsatz an, zeigt sich aber ein anderes Bild: Vor dem AMNOG lag die Spanne prozentuiert am Umsatz bei 5,8 Prozent, im vergangenen Jahr lag sie bei knapp 4,38 Prozent. Alle Großhändler in Deutschland laufen wegen dieser Entwicklung inzwischen auf einer Nulllinie. Bezogen auf andere Entwicklungen im Gesundheitswesen können wir das nicht hinnehmen.

DAZ.online: Was meinen Sie?

Trümper: Seit 2010 sind die GKV-Einnahmen um mehr als 33 Prozent gestiegen, das BIP um knapp 27 Prozent und die Tariflöhne um 19 Prozent. Nur die Großhandelsvergütung ist seitdem de facto sogar um 7 Prozent gesunken. Gleichzeitig wachsen die Ansprüche an uns.

securpharm: Müssen die Großhändler überhaupt so viel ändern?

DAZ.online: Sie meinen die zunehmenden Regulierungen?

Trümper: Unter anderem. Wir haben kürzlich eine Umfrage bei unseren Mitgliedern durchgeführt, wie hoch die Investitions- und jährlichen Betriebskosten in den einzelnen Bereichen sind. Alleine durch die Umsetzung von securpharm, also der EU-Fälschungsrichtlinie, entstehen dem Großhandel Investitionskosten von ca. 18 Millionen Euro und jährliche Kosten von mehr als 5 Millionen Euro.

DAZ.online: Dabei gibt es ja Leute im Markt, die behaupten, dass der Großhandel bei der Umsetzung von securpharm sehr glimpflich weggekommen ist: Schließlich müssen Sie nicht jede Packung abscannen oder bedrucken, so wie Hersteller und Apotheker…

Trümper: Das ist Quatsch. Wir müssen risikobasiert überprüfen und somit in der Lage sein, jederzeit alles abscannen und in der Lieferkette verifizieren zu können. Das macht nicht nur mehr Aufwand, sondern wir müssen uns dafür auch neue Geräte kaufen und uns an das gemeinsame Netzwerk anschließen, genauso wie Apotheker und Hersteller. Außerdem müssen wir für jede Packung die Charge dokumentieren. Mit „Ansprüchen an uns“ meinte ich aber auch Veränderungen in der Versorgung. Ein Beispiel: Die Zahl der von uns an die Apotheken gelieferten BtM ist seit 2010 um etwa 30 Prozent angestiegen, die Zahl der Kühlprodukte um knapp 15 Prozent. Das sind zwar in der Gesamtschau Arzneimittel, die seltener ausgeliefert werden – sie machen aber sehr viel mehr Arbeit, weil ihre Lieferung hohen Ansprüchen genügen muss.

Trümper: Kassen haben Forderungen von 2HM einfach übernommen

DAZ.online: Zurück zum Honorar. Im 2HM-Gutachten heißt es ja sogar auch, dass das Fixum auf 96 Cent erhöht werden müsste – allerdings soll der prozentuale Anteil drastisch gesenkt werden. Der GKV-Spitzenverband hat diesen Vorschlag in sein Positionspapier zum Apothekenmarkt übernommen und sieht beim Großhandel Einsparungen von 200 Millionen Euro. Wie bewerten Sie diese Papiere?

Trümper: Das hat uns schon sehr geärgert, weil in dem Gutachten auch einige Fehler stecken. Beispielsweise wurde bei den Berechnungen für zwei zurückliegende Jahre eine gesamte Großhandlung schlichtweg vergessen. Ärgerlich ist das Honorargutachten auch, weil es nur auf die Kostendeckung abzielt. Wir sind aber keine Wohlfahrtsunternehmen – jeder normale Unternehmer benötigt für seine geleistete Arbeit, das Waren- und Kreditrisiko und vieles mehr einen unternehmerischen Lohn, der in der Regel zwischen 1,5 und 2 Prozent liegt. Es ist schade, dass die Krankenkassen diese Forderungen so unkommentiert einfach übernehmen, zumal es doch ausgerechnet sie sind, für die wir im Jahr fast 50 Millionen Euro zusätzlich aufwenden, um die Rabattverträge umzusetzen. Bei diesen Aussagen und in der Entwicklung des Großhandelshonorars sehe ich übrigens viele Parallelen zur Parteienfinanzierung.

„So wie Parteien sind wir auch auf gesetzliche Regelungen angewiesen“

DAZ.online: Wie meinen Sie das?

Trümper: Ich verstehe durchaus die jüngste Erhöhung der Parteigelder durch den Bundestag. Sie wird damit begründet, dass sich die Parteien weiterentwickeln und neuen Umständen anpassen müssen. So wie die Einnahmen der Parteien sind auch unsere Einnahmen komplett von gesetzlichen Regulierungen abhängig. Wenn man aber bedenkt, dass unser gesetzlich vorgeschriebenes Honorar seit 2010 in einer dauerhaften Erstarrung liegt, dann kann ich nur um Fairness in Betrachtung unserer Vergütung bitten.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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