Norddeutsches Apothekenrechenzentrum

NARZ-Chef Graue fordert mehr Initiative in Sachen Apothekenhonorar

Hamburg - 25.06.2018, 09:00 Uhr

Der NARZ-Chef Dr. Jörn Graue fordert die Standesvertretung auf, der Politik in Sachen Apothekenhonorar und Telematik eigene Vorschläge zu unterbreiten. (Foto: Imago)

Der NARZ-Chef Dr. Jörn Graue fordert die Standesvertretung auf, der Politik in Sachen Apothekenhonorar und Telematik eigene Vorschläge zu unterbreiten. (Foto: Imago)


Der NARZ-Vorstandvorsitzende Dr. Jörn Graue sieht das Unternehmen gut für das elektronische Rezept aufgestellt, mahnte aber die ABDA, die knappe Zeit für politische Vorschläge zur Telematik und zum Apothekenhonorar zu nutzen.

Bei der Mitgliederversammlung des Norddeutschen Apothekenrechenzentrums (NARZ) am vergangenen Samstag in Hamburg betrachtete Graue wie gewohnt zunächst die politischen Rahmenbedingungen. Mit Blick auf den Koalitionsvertrag und das Rx-Versandverbot erklärte er: „Politik und Verlässlichkeit sind offensichtlich nicht zur Deckung zu bringen.“ Zum Stillschweigen der ABDA über die Gespräche mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte Graue: „Der ministeriell verpasste Maulkorb lastet verständlicherweise schwer und behindert das von vielen eingeforderte Recht auf Information.“ Als „weiteren Super-GAU“ des Berichtsjahres bezeichnete Graue das Honorargutachten im Auftrag des Wirtschaftsministeriums und die Reaktionen der „kranken Kassen“. Diese seien ein „klassisches Ablenkungsmanöver von eigenen Strukturproblemen“. Denn „das gesamte Vertragswesen gehört längst auf den Prüfstand, da es mit den geläufigen Gesetzeswerken nicht mehr kompatibel ist“, erklärte Graue. 

Politische Vorschläge eilen

Sowohl zur Honorierung als auch zur Telematik-Infrastruktur mahnte Graue, es bleibe nicht mehr viel Zeit für die Apotheker, dem Ministerium eigene Vorschläge zu machen. Anderenfalls würden ihnen Lösungen „übergestülpt“. Außerdem sorgt sich Graue um den Nachwuchs für Apotheker und andere freie Berufe. Dazu erklärte er: „Der Apothekensektor steht mit seinen limitierten wirtschaftlichen Möglichkeiten, einer von ungeklärten Rahmenbedingungen gekennzeichneten Zukunft und einem außergewöhnlich hohen Verantwortungslevel geradezu exemplarisch für die generelle Bedrohung der Freiberuflichkeit.“ Dagegen müssten die Vorteile der Freiberuflichkeit für die Gesellschaft betont werden: „schnelle Entscheidungen, Ortsnähe, Kundennähe, Flexibilität, flache Hierarchien, persönliche Kompetenz und Einsatzbereitschaft“.

E-Rezept könnte schnell kommen

Das zentrale Zukunftsthema, das sich durch die Mitgliederversammlung zog, war das elektronische Rezept. Dabei entstand der Eindruck, dass dies deutlich früher eingeführt werden könnte, als viele erwarten. Als Problem sieht Graue insbesondere die Planung der EU, das elektronische Rezept auf europäischer Ebene einzuführen. Nach der teilweisen Öffnung der Ärzte für die Telemedizin erwartet Graue im nächsten E-Health-Gesetz Regelungen zum elektronischen Rezept. Daher müssten die Apotheker der Politik ein schlüssiges Konzept dazu liefern. Dabei müssten sowohl kodierte Papierrezepte als auch per Smartphone übermittelte Rezepte in der Vorort-Apotheke verbleiben, forderte Graue. Das NARZ habe ein Verfahren entwickelt, das diese Voraussetzung erfülle und zudem datenschutzrechtlich unkritisch sei. Bei anderen Modellen sei dagegen die Verschlüsselung unzureichend, erklärte Graue. Zugleich versicherte Graue, das NARZ sei finanziell und organisatorisch gut aufgestellt, um auch eine mögliche zeitnahe Umstellung auf das elektronische Rezept meistern zu können.

Dem NARZ geht es wirtschaftlich gut

Wichtig sei dafür auch der neu gegründete Bundesverband Deutscher Apothekenrechenzentren. Die Rechenzentren müssten als Gruppe aufzutreten, um ihr Know-how der ABDA und der Politik verfügbar zu machen. Außer der VSA seien alle großen standeseigenen Rechenzentren beigetreten, erklärte Graue. Doch Graue warnte auch mit einem Zitat von John Wheeler vor den möglichen Folgen des Kulturwandels, der mit der Digitalisierung verbunden sei: „Der Mensch verliert im binären System die Herrschaft über die Maschinen und wird selbst zum Informationsvorgang“.

„Ausgezeichnetes wirtschaftliches Ergebnis“

Für alle zur NARZ-Gruppe gehörenden Unternehmen vermeldete Graue ein „ausgezeichnetes wirtschaftliches Ergebnis“. NARZ-Geschäftsführer Hanno Helmker verwies insbesondere auf die hohen Eigenkapitalquoten von 95 Prozent beim NARZ, 87 Prozent bei der AVN und 96 Prozent bei der GfI. Im Bericht des Verwaltungsrates erklärte Katrin Hensen, die guten Ergebnisse seien durch Rationalisierungen und selbst entwickelte Software erzielt worden.

Auch Helmker warnte vor künftigen Herausforderungen. Wenn das elektronische Rezept auf der EU-Ebene eingeführt würde, könne dies zu einem Angriff auf nationale Zuständigkeiten werden. Weitere Gefahren sehe er durch technische Insellösungen, deren Koordinierung ungeklärt sei.

Elektronische Identitäten als technologischer Schlüssel

In der abschließenden Diskussion ging es nochmals um das elektronische Rezept, das zum künftigen Hauptthema der Apotheker bei der Digitalisierung werden dürfte. NARZ-Vorstandsmitglied Dr. Peter Froese erläuterte, die Zukunft der Digitalisierung hänge von der Schaffung elektronischer Identitäten ab. Dies könne über die elektronische Gesundheitskarte, den elektronischen Personalausweis oder ohne einen Ausweis mit neuen Technologien wie in der Verwaltung in Estland gelingen. Wenn diese Frage geklärt sei, würden schnell viele Entwicklungen folgen, auch das elektronische Rezept.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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