Die letzte Woche 

Mein liebes Tagebuch

24.06.2018, 08:00 Uhr

Es gibt sie noch, die mutigen Kammern! Ein Hoffnungsschimmer! (Foto: Andi Dalferth)

Es gibt sie noch, die mutigen Kammern! Ein Hoffnungsschimmer! (Foto: Andi Dalferth)


21. Juni 2018 

Mehr Arzneimitteltherapiesicherheit für mehr Patientensicherheit – dafür konnten sich die Gesundheitsminister der Bundesländer auf ihrer Konferenz in Düsseldorf sofort erwärmen. Um dieses Ziel zu erreichen, bittet die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) das Bundesgesundheitsministerium zu prüfen, ob die in Niedersachsen geplante Regelung,  Stationsapotheker einzuführen, die ins Medikationsmanagement auf den Krankenhausstationen eingebunden sind, durch Regelungen auf Bundesebene unterstützt werden könnten. Mein liebes Tagebuch, wenn unser BGM es ernst meint mit der Patientensicherheit, dann kann es diese Bitte nicht abschlagen und letztlich auch nicht das Ansinnen, Stationsapotheker in ganz Deutschland einzuführen. Eingeknickt sind die Gesundheitsminister der Länder allerdings bei der Bitte einiger Länder, zu prüfen, ob die Abschaffung der Verpflichtung zur Mehrfach-Ausschreibung bei Rabattverträgen und von Exklusivverträgen die Liefersituation verbessern könnte. Vermutlich sind sie da den Interessen der Krankenkassen aufgesessen, die argumentierten, dass gerade Exklusivverträge dazu beitragen, einen Medikamentenwechsel zu vermeiden. Die GMK konnte sich dann nur dazu durchringen, die Bitte ans BMG zu richten, zu prüfen, „inwieweit eine Notwendigkeit gesetzlicher Änderungen oder anderer Maßnahmen besteht“. Mein liebes Tagebuch, wie das ausgeht, steht schon heute fest: Es wird wieder nichts passieren beim Thema Lieferengpass. Die Gesundheitsminister sind ja zudem der Überzeugung, dass bei der Vermeidung von Lieferengpässen schon „vielfältige Maßnahmen ergriffen“ worden seien – aber nichts greift wirklich, möchte man hier ergänzen. Hier zuckten dann wohl alle unsere Gesundheitsminister mit den Schultern: Ist halt so und wird in Zukunft so bleiben, wir müssen lernen mit Lieferengpässen zu leben. Mein liebes Tagebuch, ein Armutszeugnis für Deutschland und ein schwaches Bild, das die GMK hier abgegeben hat. 

Beim wöchentlichen Facebook-Talk unseres Gesundheitsministers poppte dieses Mal u. a. die PTA-Ausbildung auf. Spahn deutete in seiner ihm eigenen Art an, dass er diese Ausbildung reformieren wolle – wie und was genau, das blieb er natürlich den Zuschauern schuldig. Aber es gehe ihm um eine grundsätzliche Reform, um die Ausbildungsdauer, um die Modernisierung der Ausbildung, um die Finanzierung und die Ausbildungsvergütung. Mein liebes Tagebuch, hoffen wir, dass es nicht nur beim Plaudern bleibt, sondern dieses Thema tatsächlich angegangen wird. Denn eine Reform dieses Berufsbildes, von der Ausbildung über die Tätigkeiten bis hin zur Vergütung ist mehr als überfällig. Bei der ABDA stand dieses Thema mit Sicherheit nicht an oberster Stelle der Agenda. Und jetzt kommt es mit Macht auf sie zu. Und, ABDA, schon Konzepte in der Schublade?

Mein liebes Tagebuch, ich dachte immer, die Berliner Kammer ist ein wenig offener und fortschrittlicher und nicht so verklemmt und introvertiert wie die Kollegen im Lindencorso. So kann man sich täuschen. Vielleicht färbt die Nähe auch ab. Worum geht’s? Auf der Kammerversammlung brachte die Delegierte Kerstin Kemritz (Liste „Allianz aller Apotheker“) einen Antrag ein, mal das Thema Telepharmazie zu behandeln: Es sollten die Chancen und Risiken telepharmazeutischer Anwendungen näher beleuchtet werden, also, einfach mal gucken, was ist das genau, können wir Apothekers da was machen und wenn ja was, gibt es vielleicht Synergieeffekte und überhaupt sollten wir doch darauf vorbereitet sein, wenn die Politik mit diesem Thema an uns herantritt – damit wir uns nicht dem Vorwurf aussetzen, Apotheker würden sich gegen moderne Entwicklungen stemmen. Also, ein Super-Antrag, eine Super-Idee, sollte man meinen. Nicht so für die Berliner Apothekerkammer. Die Delegierten entschieden mehrheitlich, diesen Antrag nicht auf dem Deutschen Apothekertag zu stellen. Nach Ansicht des Kammerpräsidenten Belgardt sei der Apotag der falsche Rahmen. Mein liebes Tagebuch, das haut mich um. Ist das nicht unglaublich? Und der Berliner Verbandschef Bienfait warnt sogar davor „die Tür zu weit zu öffnen“. Sollen die Apothekers die Türen dicht lassen und den Fortschritt aussperren? Was ist denn das für eine Mentalität! Mittlerweile wundert es mich nicht mehr, welchen Ruf wir Apothekers in der Politik haben: Wir sind die Bewahrer, die Wagenburgbauer, die Hinterwäldler und die mit den alten Zöpfen. Belgardt schlug vor, das Thema direkt in die ABDA-Mitgliederversammlung einzubringen – also hinter die verschlossenen Türen, damit die ABDA weiter dazu schweigen kann. Schlimmer geht nimmer. Mein liebes Tagebuch, hoffen wir, dass eine andere Kammer den „Mut“ hat, einen solchen ähnlichen Antrag beim kommenden Apothekertag einzubringen.

Eine mutige Kammer könnte beispielsweise die Apothekerkammer Schleswig-Holstein mit ihrem Präsidenten Kai Christiansen sein. Diese Kammer wagte es sogar, eine Resolution gegen das Schweigen der ABDA zu verabschieden. Der Delegierte Ulrich Ströh begründete seinen Vorschlag für diese Resolution damit, dass Schweigen im Gesundheitswesen noch nie eine erfolgreiche Strategie gewesen sei. Wie recht er hat! Und so fordert die mehrheitlich angenommene Resolution „den geschäftsführenden Vorstand der ABDA auf, der Berufsöffentlichkeit bis zum 1. September 2018 zu erläutern, wie man den negativen Entwicklungen auf politischer und wirtschaftlicher Ebene entgegentreten wird“. Genau darum geht es. Mein liebes Tagebuch, ein dickes Danke an den Norden! Man muss sich das mal vorstellen: Eine Kammer muss ihren Oberverband zur Kommunikation auffordern! Das ist wohl einmalig in der Verbändelandschaft, meines Wissens ist so etwas auch bei den Ärzten bisher nicht vorgekommen.

Eine tolle Studie, die man allen unkritischen Versandfreunden untern den Politikern nahelegen sollte: „Professor-Kaapke-Projekte“ durchleuchtete im Auftrag der Noweda den Markt der in- und ausländischen Arzneimittelversender. Getestet wurde beispielsweise, ob Hinweise auf Wechselwirkungen gegeben werden, wie schnell die Bestellung geliefert wird, ob Kühltemperaturen eingehalten werden, ob im Versand nicht erlaubte Arzneimittel verschickt werden und viele weitere Kriterien. Kaapkes Fazit: Die Versender erfüllen die hohen gesetzlichen Auflagen nur bedingt. Macht die Politik nichts dagegen, dann werden nichthinnehmbare Unterschiede zwischen Präsenz- und Versandapotheken institutionalisiert. Und er kommt zu dem Schluss: Eigentlich muss man über ein Rx-Versandverbot gar nicht mehr weiter diskutieren, sondern „das Verbot muss umgehend exekutiert werden“. Mein liebes Tagebuch, vielleicht hilft diese Noweda-Kaapke-Studie über die Unzulänglichkeiten des Versandhandels dem Bundesgesundheitsministerium, bei seinem Meinungsbildungsprozess voranzukommen. Denn da bewegt sich derzeit immer noch nichts, obwohl das Rx-Versandverbot im Koalitionsvertrag steht. Also, unbedingt rasch ein Exemplar der Studie an den Herrn Bundesgesundheitsminister!



Peter Ditzel (diz), Apotheker
Herausgeber DAZ / AZ

redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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6 Kommentare

Alle ziehen an einem Strang

von Bernd Jas am 24.06.2018 um 18:07 Uhr

Guten Tag Herr Ditzel,
wo Sie grad sagen "institutionalisiert", da fällt mir doch heute Morgen aus dem Briefkasten ein Flyer (in Form einer roten, runden, drei-D Pappscheibe) in die Hände.
Je nach Betrachtungswinkel sieht man offen dort stehen: "Al" oder "40% SPAREN nur online auf alle OTC".
Da werden nichthinnehmbare Unterschiede zwischen Präsenz- und Versandapotheken doch auf der anderen Seite wieder egalisiert. Eine unschlagbare Idee unserer Pharmaindustrie wie ich finde und was ich im letzten Jahr schon mal mit einem Glückwunschschreiben an den Absender honoriert habe. Mir fehlt lediglich noch die Fernsehwerbung mit dem Hinweis "Ihr Apotheker kauft zum Schnäppchenpreis, da ist auch schon das Angebot für Sie mit drin".
Doc Morris rette Dich wir kommen mit Zwangsangeboten!

Das ist doch toll; wo früher die Direktangebote hinter vorgehaltener Hand über den HV-Tisch geflüstert wurden, lebt heute die Transparenz auf dem Arzneimarkt für den Schmalbeutelkonsumenten.
Wie war das noch bei den Rabattverträgen? Ach nee,... da wollte doch die GKV nicht, das alle wissen was den Versicherten vorenthalten wird.
Wenn man manchmal die Unterschiede (im vierstelligen Bereich der Rabatt-Generika) bei den Vk´s sieht und das Oberstübchen dann das Rotieren anfängt wird einem schon mal angesichts der Margen recht schwindelig.
Mit ins Konzept passt auch pharma mall Gesellschaft für E-Commerce, unsere Vertriebsschiene zur Zwangsprostitution. Das ist doch mal ein Großhandel wie er im Tagebuch steht.
Melden Sie sich heute noch an und Ihr Rabatte und Skonti sind sicher aufgehoben; bei uns und der GKV.

Ich krieg grade die Krätze; Tschöö

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Und still ruht der See...

von Veit Eck am 24.06.2018 um 12:20 Uhr

Eigentlich ist es wie immer vor dem DAT - es sind immer die gleichen Verdächtigen (mich einbegriffen), die nicht gut finden was an politischen Zeichen von der ABDA Führung kommuniziert wird. Auf dem DAT dann eine mächtige Seilschaft, die mit ihrerer Stimmenmehrheit schnell dafür sorgen will, dass nicht viel Kritik an die Oberfläche gelangt. Einzige Spannung ist die Frage, kommt der neue Gesundheitsminister und wie verbindlich wird er zu den offenen Fragen aus dem Koalitionsvertrag Stellung nehmen.

Schade, wenn es wirklich so käme...

mehr Mut, mehr Engagement bei allen Kolleginnen und Kollegen - das ist das Gebot der Stunde.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Und still ruht der See

von Conny am 24.06.2018 um 17:54 Uhr

Tja, der Beifall der Lemmerlinge den Schmidt auf dem Apothekertag bekommt, überrascht mich auch immer wieder. Ich vergleiche Schmidt immer mit Tasmania Berlin

Wir verpassen gerade unsere Zukunft !

von Ulrich Ströh am 24.06.2018 um 9:15 Uhr

Lieber Herr Ditzel,bezüglich meiner Resolution in SH möchte ich den Ball flacher halten.Weil die Resolution leider folgen- und antwortlos von der ABDA bleiben wird.

Viel bemerkenswerter ist,daß wir in vielen Zukunftsthemen wie Telepharmazie oder Impfen gerade unsere Zukunft verpassen.
Weil der Schneid fehlt...

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Wir verpassen gerade unsere Zukunft

von Peter Ditzel am 24.06.2018 um 10:09 Uhr

Lieber Herr Ströh, auch wenn die Resolution folgenlos bleibt -wie so viele andere Resolutionen auch -, ist sie trotzdem ein Zeichen. Und ja, es ist richtig, dass wir gerade die Zukunftsthemen verpassen. Das kommt als Bumerang zurück! Einen schönen Sonntag!

DV Hessen

von Dr.Diefenbach am 24.06.2018 um 9:08 Uhr

Leider konnte ich nichts über die hessische KammerDV finden.Da gab es auch erstaunliche Erkenntnisse über Haushalt,diesbezügliche Stellen,die Petition,usw.Fakt ist dass wir über einen Haushalt der ABDA keine detaillierten Infos hatten und es wurde auch nichts abgestimmt.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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