Durch Zecken übertragene Erkrankung

Was ist FSME und wie schützt man sich?

Stuttgart - 22.06.2018, 07:00 Uhr

Bei Infektionen mit FSME gibt es keine kausal wirksamen antiviralen Arzneimittel, am besten schützt die FSME-Impfung. Diese ist zugelassen für Kinder ab einem Jahr. (Foto: imago)

Bei Infektionen mit FSME gibt es keine kausal wirksamen antiviralen Arzneimittel, am besten schützt die FSME-Impfung. Diese ist zugelassen für Kinder ab einem Jahr. (Foto: imago)


Überträgt eine Zecke FSME-Viren sofort beim Stech-Akt, oder dauert die Virusübertragung mehrere Stunden? Sind die beiden FSME-Impfstoffe Encepur® und FSME Immun® austauschbar und gleichwertig? Und bei welchen Reisezielen sollte man an eine FSME-Impfung denken? DAZ.online hat die wichtigsten Fakten zur Frühsommer-Meningoenzephalitis zusammengefasst.

Welche Erkrankungen assoziieren Sie außer Borreliose noch mit Zecken? FSME – höchstwahrscheinlich zumindest. FSME steht für Frühsommer-Meningoenzephalitis, verursacht wird die Erkrankung durch Viren (FSME-Viren), die erstmal 1937 in der damaligen Sowjetunion isoliert wurden. Überträger für FSME-Viren sind Zecken, aber auch durch Rohmilchprodukte von Ziegen, Schafen und Kühen können Menschen sich mit FSME infizieren.

Zu den Hauptüberträgern der Viren zählen die Zecken Ixodes ricinus (Schildzecke, Gemeine Holzbock) und Ixodes persulcatus (Taigazecke). 2016 konnte das FSME-Virus in Sachsen zusätzlich in der Auwaldzecke (Dermacentor reticulatis) nachgewiesen werden. Diese galt bisher nicht als Überträger des FSME-Virus und befällt Menschen eher selten.

Die Risikogebiete für FSME-Infektionen in Deutschland liegen in Baden-Württemberg, Bayern und angrenzenden Gebieten in Hessen, Sachsen und Thüringen.

Erreger von FSME

Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) ist eine durch FSME-Viren ausgelöste Erkrankung. FSME-Viren gehören in die Familie der Flaviviridae und sind Einzelstrang-RNA-Viren mit positiver Polarität (ss+RNA). Das heißt: Die Basenabfolge des Virus-Genoms entspricht derjenigen der mRNA, die genetische Information kann somit direkt abgelesen und am Ribosom in Protein translatiert werden. Das Virus ist behüllt, es existieren drei Subtypen, die regional unterschiedlich dominieren:

  • Far Eastern Subtype: Russland, östlich des Urals, Teile von China, Japan und Korea, Überträger dieses Subtyps ist Ixodes persulcatus, die Letalität des fernöstlichen Subtyps liegt bei bis zu 20 Prozent.
  • Western Subtype: Zentral-, Ost- und Nord-Europa, Überträger ist Ixodes ricinus, Letalität beträgt bis zu 2 Prozent.
  • Siberian Subtype: Überträger Ixodes persulcatus

Wenn Ziegenmilch FSME überträgt ...

2016 berichtete das Robert-Koch-Institut erstmals über FSME-Infektion in Baden-Württemberg, die sich auf den Verzehr von Rohmilchprodukten aus Ziegenmilch zurückführen ließ. 2017 waren es bereits acht FSME-Fälle, die  durch den Konsum infizierter Lebensmittel auftraten. Laut RKI zeigte keiner der Patienten ZNS-Symptome, jedoch musste ein Betroffener im Krankenhaus behandelt werden.

Das Pasteurisieren von Milch inaktiviert die Viren.

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Symptome einer FSME-Infektion

Nicht jeder Stich einer FSME-Viren tragenden Zecke führt unweigerlich zur Infektion. Die Inkubationszeit liegt bei 7 bis 14 Tagen. Laut Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) zeigen sich Krankheitserscheinungen lediglich bei 30 Prozent der FSME-Infizierten, wobei ein biphasischer Verlauf typisch ist. Nach einer einwöchigen Prodromalphase mit grippeartigen Symptomen wie Fieber, Kopfschmerzen, Erbrechen kommt es bei 10 Prozent der Infizierten nach einer fieberfreien Zeit von ein bis drei Wochen zu einer Meningoenzephalitis. Die Symptome äußern sich in der zweiten Phase mit Fieber und Erbrechen, meningealen Reizerscheinungen, Lähmungen, Ataxie, Bewusstseinsstörungen, teilweise Koma. In manchen Fällen entwickelt sich zusätzlich eine Myelitis.

An FSME können alle Menschen erkranken, am häufigsten manifestiert sich die Infektion jedoch bei über 40-Jährigen und bei Männern häufiger als bei Frauen. Schwere Verläufe beobachtet man vor allem bei älteren Patienten. Auch ist bei dieser Patientengruppe die Gefahr persistierender Schäden höher. Insgesamt sterben 0,5 bis 2 Prozent der Patienten mit FSME und ZNS-Beteiligung.

Schutz vor FSME: Impfung mit Encepur® oder FSME-Immun

Es existiert bis dato keine kausale Therapie einer FSME-Infektion. Den besten Schutz bietet die Impfung. Der Impfstoff gegen FSME enthält einen mittels Formaldehyd inaktivierten Virusstamm. Vorteil bei inaktivierten Vakzinen ist, dass – so die Inaktivierung tatsächlich und zu 100 Prozent geglückt ist – das Virus seine Virulenz verloren hat und nicht mehr in der Lage ist, eine Infektion auszulösen. Allerdings kauft man sich diesen Vorteil auch mit einem entsprechenden Nachteil ein: Das abgetötete Viruspartikel kann sich nicht mehr replizieren, die Immunogenität verglichen mit Lebendvakzinen ist deutlich geringer und bietet auch bei vollständiger Immunisierung keinen lebenslangen Schutz.

In Deutschland schützen zwei Impfstoffe vor Infektionen mit FSME: Encepur® von GSK und FSME-Immun von Pfizer. Beide Hersteller vermarkten sowohl eine Variante für Kinder und Erwachsene. Die Kinder-Impfstoffe enthalten jeweils die Hälfte der Antigendosis der Erwachsenen-Vakzine. Allerdings unterscheiden sich die Kinder- und Erwachsenen-Impfstoffe von GSK und Pfizer hinsichtlich ihrer Zulassung:
Encepur® Kinder zugelassen für ein Lebensalter von 1 bis 11 Jahren, ab dem 12. Lebensjahr eignet sich der Impfstoff Encepur® Erwachsene.
FSME-Immun Junior darf bei Kindern im Alter von 1 Jahr bis 15 Jahren geimpft werden. Ab 16 Jahren eignet sich FSME-Immun Erwachsene. Beide Impfstoffe enthalten unterschiedliche Antigene, und zwar Encepur® den Stamm K-23, FSME-Immun den Stamm Neudörfl. Wirken die beiden Impfungen überhaupt gleich gut?

Encepur® und FSME Immun gleichwertig und austauschbar

In den vergangenen Saisons machten immer wieder temporäre Lieferengpässe bei einzelnen FSME-Impfstoff-Herstellern die Versorgung impfwilliger Patienten schwierig. Dürfen die Impfstoffe untereinander ausgetauscht werden? Das heißt, darf eine mit Encepur® begonnen Impfung mit FSME-Immun fortgesetzt werden und umgekehrt?

Das RKI bewertet die FSME-Impfstoffe von Pfizer und GSK als „gleichwertig und austauschbar“. Es sollte zwar – so möglich – bei der Grundimmunisierung mit der Vakzine eines Herstellers geimpft werden, allerdings stelle ein Wechsel im Bedarfsfall keine Einbußen hinsichtlich der Wirksamkeit dar.

Wie impft man gegen FSME?

Die Grundimmunisierung umfasst drei Impfungen. Um zu gewährleisten, dass der vollständige FSME-Schutz zur Zeit der höchsten saisonalen Zeckenaktivität vorhanden ist, sollte mit der Impfung bereits in den Wintermonaten begonnen werden. 

Impfschema für Encepur® und FSME-Immun:
Die ersten beiden Dosen  Encepur® oder FSME-Immun sollten im Abstand von 1 bis 3 Monaten erfolgen, bereits nach zwei Impfungen geht man laut Fachinformation von einem „ausreichenden Impfschutz“ aus. Die dritte Impfung sieht Pfizer für FSME-Immun im Abstand von 5 bis 12 Monaten vor, GSK für Encepur® von 9 bis 12 Monaten. 

FSME-Impfung bietet 99 Prozent der Geimpften Schutz

Das RKI geht nach zwei Impfungen von einem 98-prozentigen Schutz aus, „nach vollständiger Impfung kann bei 99 Prozent der Geimpften mit einem vollständigen Schutz gerechnet werden“, so das Robert-Koch-Institut. Eine Auffrischung wartet je nach Alter des Impflings alle drei bis fünf Jahre. Das RKI empfiehlt für Patienten bis 60 Jahren eine Impfung alle fünf Jahre, bei älteren Patienten alle drei Jahre.

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FSME-Viren werden sofort übertragen

FSME-Viren können, im Gegensatz zu Borrelien, bereits bei Beginn des Saugaktes vom Wirt auf den Menschen übertragen werden. Daher kommt dem Absuchen des Körpers nach Aufenthalten im Freien zwar eine wichtige Bedeutung zu, allerdings ist diese präventive Maßnahme zum Schutz vor FSME weniger effektiv als beim Schutz vor Borrelien.

Bei welchen Urlaubszielen an FSME-Impfungen denken?

Ein erhöhtes Risiko für Infektionen mit dem FSME-Virus besteht in großen Teilen Bayerns, Baden-Württembergs sowie Teilen Südhessens und Thüringens, in Österreich, Tschechien und Teilen der Schweiz und Polen. Auch in Frankreich (Elsass) wurde in den letzten Jahren eine Zunahme an FSME-Infektionen beschrieben. Impfungen werden Personen empfohlen, die in diesen Ländern zeckenexponiert sind.

In Deutschland zirkuliert der zentraleuropäische Stamm (Western Sybtype). In anderen Ländern finden sich der fernöstliche (Far Eastern Subtype) und sibirische (Siberian Subtype) Subtyp des FSME-Virus, die mit schwereren Verläufen einhergehen können.

FSME-Infektionsrisiko nach Reiseziel

Das RKI unterscheidet bei Infektionen mit dem FSMEV

  • Länder mit hohem Risiko: Süddeutschland, Finnland, Schweden, Litauen, Lettland, Estland, Dänemark, Polen, Weißrussland, Russland, Österreich, Tschechien, Slowakei, Slowenien, Norditalien, Ungarn, Rumänien (Siebenbürgen)
  • Länder mit mittlerem/geringem Risiko: Norwegen, Schweiz, Bulgarien, Ukraine.

                                                                          (Stand: RKI 29.01.2018)

FSME ist eine meldepflichtige Erkrankung, 2017 wurden 485 Fälle einer FSME-Erkrankung übermittelt, was einer Zunahme um 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht (2016: 348 Erkrankungen). Die jährliche Fallzahl schwankt jedoch stark, am niedrigsten war sie in den vergangenen Jahren 2012 mit 195 FSME-Erkrankten, das Maximum waren 546 Patienten im Jahr 2006.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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