Rezepturgipfel 2018

Wie Hüttenkäse und Tapetenkleister - Inkompatible Rezepturen und ihre Rettung

Hamburg - 20.06.2018, 13:30 Uhr

Dr.
Andreas Ziegler, Apotheker und Wissenschaftsjournalist, startete den diesjährigen Rezepturgipfel mit seinem Vortrag. (Foto: Hugger / DAZ)

Dr. Andreas Ziegler, Apotheker und Wissenschaftsjournalist, startete den diesjährigen Rezepturgipfel mit seinem Vortrag. (Foto: Hugger / DAZ)


Am heutigen Mittwoch findet der zweite DAV-Rezepturgipfel in Hamburg statt. Inkompatibilitäten und Problemrezepturen erschweren vielen Apothekern die alltägliche Arbeit im Labor. Fünf Referenten aus Apothekenpraxis, PTA-Schule und Universität griffen das Thema Rezeptur auf. Den Fortbildungstag startete Referent Dr. Andreas Ziegler, Apotheker und Wissenschaftsjournalist. Er rettete heute Rezepturen auf besondere Art.

Das Grundproblem bei der Verordnung von Rezepturen ist laut Ziegler: Die Ärzte orientierten sich meist ausschließlich am Therapieziel und nicht daran, ob und wie die verordneten Wirkstoffe zusammenpassen. Statt standardisierter würden deshalb bevorzugt frei komponierte Rezepturen verordnet. Das erkläre auch, weshalb sich unter den Top 20 der verordneten Rezepturen nur drei NRF-Rezepturen befinden. Über eventuell auftretende galenische Probleme und Inkompatibilitäten seien sich die Mediziner in den wenigsten Fällen bewusst, erklärte Ziegler.

Was sind Inkompatibilitäten?

Inkompatibilitäten sind Unverträglichkeiten zwischen zwei oder mehr Bestandteilen eines Rezepturarzneimittels. Sie können zwischen Wirk- und Hilfsstoffen, aber auch als Wechselwirkung von Wirk- und/oder Hilfsstoffen mit dem Primärpackmittel auftreten. Es werden manifeste Inkompatibilitäten (sofort erkennbar) und larvierte Inkompatibilitäten (versteckt, nicht sofort erkennbar) unterschieden.

Phenolische Wechselwirkung: Wenn die Creme zum Hüttenkäse wird

Mit einer Rezeptur, die eine Creme werden sollte, jedoch zum Hüttenkäse wurde, startete Dr. Andreas Ziegler in den praktischen Teil des ersten Vortrags. Eine ärztliche Verordnung über Tannin 5,0 g in Basiscreme DAC ad 100,0 g sollte hergestellt werden. Hier kam es in der herstellenden Apotheke zu einer Wechselwirkung zwischen den phenolischen Gruppen des Polyhydroxyphenols Tannin mit der Etherstruktur des macrogolhaltigen Emulgators Glycerol-20-monostearat in Basiscreme DAC. Dies führte zu sofortiger Präzipitatbildung. Das bedeutet: die Creme wurde zum Hüttenkäse. Die Lösung des Problems ist der Austausch gegen eine Grundlage ohne macrogolischen Emulgator: Tannin 5,0 g in Anionischer hydrophyler Creme DAB ad 100,0 g

Sind Verfärbungen immer Anzeichen für eine Instabilität?

Kommt es bei Rezepturen zu Verfärbungen, wie beispielsweise bei Clioquinol 2,0 g in Zinkoxid-Schüttelmixtur ad 100,0 g, ist die therapeutische Bedeutung zunächst unklar. In diesem Fall hatte sich bereits kurz nach der Herstellung konzentrationsabhängig eine gelbliche Verfärbung eingestellt.

In einer Untersuchung im Zentrallabor (ZL) wurde festgestellt, dass der Clioquinol-Gehalt bereits nach wenigen Tagen drastisch gemindert war. Die therapeutische Relevanz von Verfärbungen, so Ziegler, sei nicht immer klar, jedoch oft ein Indiz für die Abnahme des Wirkstoffgehalts. Hier sei immer von einer Instabilität auszugehen, solange nicht das Gegenteil bewiesen ist. Abhilfe schafft hier der Wechsel auf eine Titandioxid-Schüttelmixtur, die keine Verfärbung zeigt. Titandioxid ist im Gegensatz zu Zinkoxid jedoch nicht antimikrobiell wirksam weshalb die Rezeptur mit einer Aufbrauchfrist von 1 Woche abgegeben werden muss.

Die Lösung vieler Inkompatibilitätsprobleme ist der Austausch der Grundlage. Worauf man beim Austausch achten muss, erläuterte Dr. Andreas S. Ziegler anhand zahlreicher Beispiele von „Mozzarella“ bis zu „Mousse au Chocolat mit Krokant“, zwischen Photoinstabilitäten, Löslichkeitsproblemen und vielem mehr.

Dürfen inkompatible Grundlagen ausgetauscht werden?

Aber darf eine inkompatible Grundlage getauscht werden? Hier verwies Ziegler auf §7 Abs. 1 ApBetrO unter dessen Voraussetzungen die geänderte Rezeptur im juristischen Sinne nach wie vor der Verordnung des Arztes entspricht. Außerdem gab der Referent den Hinweis, die Zubereitung mit der geänderten Zusammensetzung zu taxieren und auch einen Hinweis auf Implausibilität der Ausgangsrezeptur und die daraus resultierende Abweichung auf das Rezept aufzubringen um eine Retaxation seitens der GKV zu vermeiden.



Cornelia Neth, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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