Viele Importe, Transparenz-Portal

Wie geht die Schweiz mit Arzneimittel-Lieferengpässen um?

Remagen - 20.06.2018, 15:45 Uhr

Auch in der Schweiz nehmen die Lieferengpässe bei Arzneimitteln zu. Es gibt aber mehrere Wege, wie die Schweizer damit umgehen. (Foto: Imago)

Auch in der Schweiz nehmen die Lieferengpässe bei Arzneimitteln zu. Es gibt aber mehrere Wege, wie die Schweizer damit umgehen. (Foto: Imago)


Umfassendes Alternativportal „drugshortage.ch“

Die Aargauer Zeitung stellt aber noch eine weitere Liste mit Lieferengpässen vor, die der Berner Krankenhausapotheker Enea Martinelli unter drugshortage.ch auf eigene Faust lanciert hat und öffentlich zugänglich macht. Seine Motivation dazu ist „Frust über die Pharmafirmen, die ihre Lieferengpässe erst sehr spät oder gar nicht meldeten“. Martinelli sei diese „bewusste Provokation“ der Hersteller zumindest teilweise gelungen. Nach den Angaben auf der Webseite geben mittlerweile schon mehr als zehn Pharmaunternehmen ihre Daten zu Engpässen selber in die Datenbank ein und verpflichten sich dazu, diese à jour zu halten, darunter Actavis Switzerland, GlaxoSmithKline, MSD Merck Sharp & Dohme, Pfizer, Sandoz und Teva.

Die umfassendste Liste der Engpässe in der Schweiz zählt derzeit 355 Medikamente, die nicht lieferbar sind. So hoch sei die Zahl seit der Einführung der Liste im September 2015 noch nie gewesen, sagt Martinelli. In den rund zweieinhalb Jahren des Bestehens der Liste wurden nach Angaben der Betreiber sage und schreibe knapp 3670 Lieferengpässe abgeschlossen.

Wo die meisten Präparate fehlen

In welchen therapeutischen Gruppen sind im Moment die meisten Lieferschwierigkeiten gemeldet bzw. bekannt? Angeführt wird die aktuelle Liste von den Analgetika (22) und den Antibiotika zur systemischen Anwendung (21), gefolgt von Mitteln mit Wirkung auf das Renin-Angiotensin-System (17) sowie Anästhetika und Ophthalmika (jeweils 16). Weitere neun therapeutische Gruppen kommen auf zehn Produktengpässe oder mehr. Dazu gehören Antimykotika zur systemischen Anwendung, Psycholeptika, Mittel mit Wirkung auf den Lipidstoffwechsel, Antiepileptika und Antihistaminika zur systemischen Anwendung.

Welche Firmen am stärksten betroffen sind

Stehen die aktuell bekannten Lieferengpässe in einer Relation zu der Anzahl der Zulassungen der Pharmaunternehmen? Nicht unbedingt. Die meisten Engpässe hat derzeit mit 71 Sandoz zu Buche stehen (bei 1029 Zulassungen). Dagegen kommt Mepha mit einer ähnlichen Menge an Zulassungen nur auf 24 Verknappungen. Bei Pfizer PFE Switzerland sind derzeit 26 von 432 Produkten schwer zu bekommen und bei GlaxoSmithKline 14 von 188, ein erklecklicher Anteil. Auf der Webseite „drugshortage.ch“ wird betont, dass die Zahlen zwar nichts mit dem Stellenwert der Produkte in der Therapie zu tun hätten, dass sie aber einen Hinweis auf den Stellenwert des Engpasses für die Firma gäben.

In der Schweiz rechnet man laut Aargauer Zeitung nicht mit einem baldigen Ende an Engpässen. Das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung prüfe, gewisse Pflichtlager auf- oder auszubauen. Bis Ende 2019 solle damit ein Bestand erreicht werden, der den durchschnittlichen Verbrauch von Impfstoffen während viereinhalb Monaten abdeckt. Bei den Antibiotika prüfe das BWL zudem, das Lager so zu erhöhen, dass der Bedarf von vier statt drei Monaten bedient werden kann.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Lieferengpässe in der Schweiz

von Alfred Wild am 20.06.2018 um 22:29 Uhr

Um 1984 galt in der Schweiz folgendes Regime
ein 3 Monatsvorrat beim Patienten
ein 3 Monatsvorrat bei der Abgabestelle
ein 3 Monatsvorrat beim Grossisten
ein 3 Monatsvorrat beim Hersteller
Das hat gut funktioniert bis die hohe Politik so ganz nach dem Motto“ kopfgeboren, universitär, nicht praxistauglich“ einfach mit einem Federstrich über Nacht die Preise herabgesetzt hat.
Diese grossen finanziellen Verluste auf allen Ebenen waren letztlich das Killermoment. Man kann wohl mit heiligem Eifer und all den wirtschaftswissenschaftlichen Methoden und Argumentationen in so ein sorgfältig austariertes System eingreifen, der Effekt „Elefant im Porzellanladen“ wurde so verschuldet. Und das mit tatkräftiger Mithilfe der Politik, die nach dem Motto funktionierte „ wenn ich nichts mehr weiss, mach’s ich über den Preis“. Man muss manchmal gar nicht soweit suchen! Dies ist meine Erfahrung nach 40 Berufsjahren.

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