NDR-Beitrag

„Heuschnupfenmittel werden knapp“ – was ist dran?

Berlin - 18.06.2018, 07:00 Uhr

Gerade zur Allergie-Hauptsaison klagen Apotheker über Engpässe bei Antihistaminen. (Foto: Lightboxx / stock.adobe.com)

Gerade zur Allergie-Hauptsaison klagen Apotheker über Engpässe bei Antihistaminen. (Foto: Lightboxx / stock.adobe.com)


Der NDR berichtet über Lieferengpässe bei antiallergischen Arzneimitteln. Was sagen die Apotheker? Ist die Versorgungssituation so dramatisch, was fehlt überhaupt und gibt es nicht genügend Alternativen? DAZ.online hat sich umgehört – bei den Pharmaherstellern und in den Offizinen.

Laut dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) ist Deutschland derzeit ein Antihistamin-Mangelland. „Heuschnupfenmittel werden knapp“, titelte der NDR am Donnerstag. Seine Aussage stützt der Sender in dem Beitrag auf die Apothekerkammer Schleswig-Holstein, nach deren Angaben „die sogenannten Antihistaminika derzeit schwer zu bekommen“ seien. Nun ist das Feld der Antihistaminika groß: Cetirizin, Loratadin gelten als Blockbuster für orale Darreichungsformen, Azelastin, Levocabastin und Cromoglicinsäure sind wohl die meist verkauften Klassiker bei den lokalen antiallergischen Präparaten.

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Thema: Allergische Rhinitis

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Was also fehlt genau? DAZ.online hat sich in den bundesweiten Apotheken und bei den Herstellern umgehört.

Azelastin Augentropfen und Livocab® direkt Kombi knapp

Knapp ist derzeit vor allem Azelastin, und hier trifft es insbesondere die Augentropfen. Vividrin® akut Augentropfen gibt es aktuell nicht. Als alternative Ophtalmika mit dem antiallergischen Wirkstoff können Apotheker noch Allergodil®, Azela®-Vision sine oder Pollival® abgeben. Bei Vividrin® akut ist nur die Kombipackung lieferbar.

Warum fehlt Livocab® direkt?

Schlecht bestellt – im wahrsten Sinne des Wortes – ist es auch um den Sichtwahlklassiker Livocab® direkt. Hier antworten die Großhändler beim Nasenspray und der Kombipackung mit Nichtlieferbarkeit. „Seit einiger Zeit befindet sich auch Livocab® direkt Nasenspray und die Kombi in der Defektnotiz. Augentropfen werden auch langsam knapp“, erklärt eine Apothekerin aus Mecklenburg-Vorpommern zur aktuellen Situation bei dem beliebten Antiallergikum. Und weiter: „Das ist ein echtes Problem“. Apotheken aus Baden-Württemberg bestätigen dieses Szenario.

Kein wirkstoffgleiches Präparat zu  Livocab® direkt

Der Livocab®-Mangel stellt Apotheker unter Umständen tatsächlich vor echte Probleme. Denn: Bei Livocab® direkt ist ein Ausweichen auf ein wirkstoffgleiches Präparat nicht einfach möglich – da Johnson & Johnson als einziger Hersteller Levocabastin vertreibt.

Livocab® direkt stark nachgefragt in dieser Allergiesaison

Welche Begründung liefert der Hersteller, Johnson & Johnson, für seine Nichtlieferfähigkeit? Offenbar war man auf die verstärkte Nachfrage von Antiallergika während der allergischen Hauptsaison nicht vorbereitet. Eine Sprecherin erklärt gegenüber DAZ.online: „Die Produkte der Marke Livocab® direkt, darunter Livocab® direkt Augentropfen (PZN: 00676714), Livocab® direkt Nasenspray (PZN: 00202465) und Livocab® direkt Kombi (PZN: 00676789), sind derzeit nicht vollumfänglich lieferbar. Da sie in dieser Allergiesaison sehr stark nachgefragt wurden, bestehen zu unserem Bedauern aktuell Lieferschwierigkeiten". Man bemühe sich jedoch sehr, die Lieferbarkeit schnellstmöglich wieder gewährleisten zu können, so Johnson & Johnson.

Cromoglicin-Nasensprays fehlen teilweise seit April

Bereits im April berichteten wir über einen nahezu flächendeckenden Lieferengpass bei Cromoglicin-haltigen Nasensprays. Hexal nannte im Frühjahr Stabilitätsprobleme als Ursache. Die Situation um Cromo-Nasensprays sieht im Juni nicht besser aus. Das bestätigt die Anfrage beim Pharmagroßhändler Sanacorp (15.06.2018). Eine Hamburger Kiez-Apotheke meldet „Lieferengpässe bei allen Darreichungsformen und Marken“, allerdings scheinen zumindest bei den Augentropfen manche Hersteller Cromoglicin bereitstellen zu können.

In der Tat scheint die Versorgung mit topischen Antihistaminika teilweise herausfordernd. Alternativen gibt es vor allem bei Nasensprays  mit Beclometason, Mometason oder Fluticason. Jedoch eignen sich diese nicht für alle Patienten. 

Alternative antiallergische Nasensprays

Bei Nasensprays stehen seit einigen Jahren cortisonhaltige Präparate in der Selbstmedikation zur Verfügung. Erst 2016 schafften Mometason und Fluticason den OTC-Switch. Beclometason ist schon längere Zeit rezeptfrei erhältlich. Während es für cromoglicinhaltige Nasensprays jedoch keine Altersbegrenzungen gibt, dürfen beclometasonhaltige Rhinologika ab einem Alter von zwölf und mometasonhaltige Rhinologika erst ab einem Alter von 18 Jahren in der Selbstmedikation angewendet werden. Azelastin in Vividrin® akut kann bereits bei Kindern ab sechs Jahren appliziert werden, Levocabastin in Livocab® direkt hat für Kinder ab einem Jahr die Zulassung.

Unter Umständen bleibt Apothekern ein Wechsel auf orale Antihistamine zu erwägen. Cetirizin Saft ist für Kinder ab zwei Jahren zugelassen, Fenistil® Tropfen mit Dimetinden kann bereits bei Kindern ab einem Jahr eingesetzt werden. Für Erwachsene stehen mit Cetirizin und Loratadin Antihistamine als orale Alternative zur Verfügung. Reactine® duo kombiniert Cetirizin mit Pseudoephedrin und ist nach einem längeren Lieferengpass mittlerweile wieder verfügbar.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Vividrin

von Apel am 18.06.2018 um 9:10 Uhr

Meda hat die Herstellung als Lohnhersteller für Bausch und Lomb eingestellt.
Daher wird es kein Vividrin mehr geben...
Das ist doch schon lange bekannt.

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