Anhörung im Umweltausschuss

Umweltbewertung von Arzneimitteln im Bundestag

Berlin - 14.06.2018, 13:15 Uhr

Wie lange behält ein Reserveantibiotikum noch seinen Status? Der Wettlauf zwischen rascher Resistenzbildung und der Forschung zu neuen Substanzen beschäftigte Sachverständige und Politiker bei einer Anhörung im Umweltausschuss des Bundestages. (Foto: Imago)

Wie lange behält ein Reserveantibiotikum noch seinen Status? Der Wettlauf zwischen rascher Resistenzbildung und der Forschung zu neuen Substanzen beschäftigte Sachverständige und Politiker bei einer Anhörung im Umweltausschuss des Bundestages. (Foto: Imago)


Bakterienfressende Viren statt Antibiotika?

Wildberg stellte in den Raum, ob der Wettlauf zwischen Substanzforschung und Resistenzentwicklung durch eine neue Strategie zu gewinnen sei, nämlich mit Bakteriophagen. Zur Erklärung: Bakteriophagen sind im Labor gezüchtete Viren, die gezielt Bakterien angreifen können. In vereinzelten Gebieten Osteuropas sind bereits Bakteriophagen aus der Apotheke im Einsatz. Für den Hygieneexperten Exner stellen die kampflustigen Viren allerdings nur eine theoretische Option dar, weil diese in Deutschland nicht zugelassen sind.

Mehr zum Thema

Umweltprüfung für neue und etablierte Arzneimittel

Dr. Wolfgang Straff vom Umweltbundesamt schlug vor, bei der Problembetrachtung einen Schritt zurückzutreten und bei der Hygiene zu beginnen. Denn mangelhafte Hygiene verursacht Infektionen, gegen die wiederum Antibiotika eingesetzt werden, so der Umweltexperte. Ein Mehrverbrauch an Antibiotika löse jedoch nicht das Hygieneproblem.

Außerdem befürwortete der Umweltexperte auf Nachfrage von Thews die Forderung der Grünen, dass es eine Umweltprüfung für Arzneimittel geben solle. Aus Sicht von Straff sollte die Umweltbewertung allerdings nicht nur bei der Zulassung neuer Arzneimittel, sondern auch im Bestandsmarkt eingeführt werden. Nach welchen Kriterien diese Umweltprüfung von Arzneimitteln erfolgen soll, wurde nicht diskutiert. Damerow hinterfragte, ob ein bioabbaubares Antibiotikum möglicherweise weniger bakterizid wirksam sei als ein chemisch stabiles. Diese Frage konnte nicht beantwortet werden.

Verbreitungswege der Antibiotika weiter untersuchen

Die Mehrzahl der Experten wies am vergangenen Mittwoch darauf hin, dass es noch große Wissenslücken auf dem Gebiet der Antibiotikaresistenzen gebe. Zwar laufen derzeit Forschungsprojekte wie etwa das Hyreka-Projekt, das die Verbreitungswege von Antibiotika näher untersucht. Doch längst sind nicht alle Quellen der Antibiotika-Belastung identifiziert. Und die Forschung über die Weitergabe von Resistenzgenen sei noch am Anfang.

Andererseits ist die Resistenzthematik nicht neu. Die Grünen sind daher der Ansicht, dass nicht weitere 10 bis 15 Jahre gewartet werden soll,  auch wenn noch nicht alle Informationen  vorliegen. Bei der heutigen Anhörung wurde noch nicht über den Antrag abgestimmt, der Umweltausschuss wird diesen auf Basis der Expertenanhörung noch beraten.



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Niedersachsens Landwirtschaftsminister zu Antibiotika

Verbraucherschutz muss Lobbyinteressen überwiegen

Antibiotika-Resistenzen

Vom Mensch zum Tier – und zurück

Quartäre Ammoniumverbindungen in hessischen Böden

Desinfektionsmittel in der Umwelt könnten Antibiotika-Resistenzen fördern

Eppendorfer Dialog zur Gesundheitspolitik

Antibiotikaresistenz: Die Umsetzung ist das Problem

Bayerisches Aktionsbündnis Antibiotikaresistenz

Keime kennen keine Grenzen

Niedersächsischer Landwirtschaftsminister will den Antibiotikaverbrauch in der Tierhaltung senken

„Wir müssen das Dispensierrecht der Tierärzte überprüfen“

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.