DAZ.online-ErfahrungsBericht

Training für Einsatzkräfte: Apotheker ohne Grenzen helfen aus Leidenschaft

Berlin - 16.06.2018, 09:00 Uhr

Petra Lange (rechts) übt mit den Teilnehmern anhand von Fallbesipielen, wie im Einsatz das internationale Notfallkit angewendet wird. (Foto: Neele Schedler/Apotheker ohne Grenzen)

Petra Lange (rechts) übt mit den Teilnehmern anhand von Fallbesipielen, wie im Einsatz das internationale Notfallkit angewendet wird. (Foto: Neele Schedler/Apotheker ohne Grenzen)


Andere Patienten – andere Krankheiten – andere Wirkstoffe

Das Down-Sizing der Arzneimittelauswahl sei auch für die Ärzte gewöhnungsbedürftig, mit denen Apotheker ohne Grenzen auf Einsätzen zusammenarbeitet, erklärte Lange. „Am besten, Ihr setzt Euch vorab mit den Ärzten zusammen und klärt, was da ist. Permanente Rückfragen halten nur auf“, riet sie. „Das ist wie in einer Suppenküche, da kann man nur das essen, was da ist. Dafür können aus dem großen Topf viel mehr Menschen schneller versorgt werden“, veranschaulichte Vetye.

Aber es gibt noch mehr, woran sich deutsche Apotheker gewöhnen müssen. So beinhaltet das IEHK Wirkstoffe, die in Deutschland nicht so häufig zum Einsatz kommen, wie etwa Albendazol, Cloaxcillin, Hydrazalin oder die Gabe von Zinksulfat bei Kinderdurchfall. Im Einsatz müssen sich Pharmazeuten zudem mit Erkrankungen auseinander setzen, die in unseren Breiten selten vorkommen, wie beispielsweise Malaria, Cholera oder Erkrankungen durch Würmer oder Parasiten.

Und noch viel wichtiger – die Patienten befinden sich in einer völlig anderen Situation als es deutsche Apothekenkunden sind. So haben die Menschen in Katastrophengebieten meist einen schlechteren Ernährungs- und Allgemeinzustand, was bei der Dosierung von Arzneimitteln zu berücksichtigen ist. Lesen und Schreiben zu können, ist in ärmeren Ländern nicht selbstverständlich. Auch nicht die Vorstellung von üblichen Mengenangaben. „Wenn ich einem Patienten orale Rehydratationslösung mitgebe und ihm sage, er solle diese in einem halben Liter Wasser auflösen, ist es damit meist nicht getan“, verdeutlichte Lange. Besser sei es, ihm ein Gefäß mitzugeben, welches die benötigte Wassermenge fasst oder sogar in dem Gefäß vor den Augen des Patienten eine Lösung herzustellen.

„Ihr macht immer mehr als gar nichts“

Neben den fachlichen Aspekten der Katastrophenpharmazie gab es noch eine andere Frage, die uns beschäftigte. Und zwar, inwieweit man sich als werdende Hilfskraft auf die Belastung einer Katastrophensituation vorbereiten kann? Auf alle Situationen könne man sich zwar nicht vorbereiten, erklärten die Gruppenleiter. Allerdings erkennen die Schulungsleiter und die Teilnehmer selbst in verschiedenen  Rollenspielübungen, die unter anderem von einem Psychologen begleitet werden, wie belastbar sie sind.

„Bevor man in den Einsatz fährt, sollte man sowohl physisch als auch psychisch stabil sein“, erklärte Bergmann. Private Konflikte solle man nicht in den Einsatz mitbringen. Insbesondere die Helfer, die relativ frühzeitig nach Eintreten einer Katastrophe an den Ort des Geschehens kommen, werden schwere Schicksale sehen und auf Menschen treffen, denen nicht mehr zu helfen sei.

Doch es sei wichtig, nicht in eine fatalistische Haltung zu verfallen. „Ihr macht immer mehr als gar nichts“, betonte Lange. Für die erfahrene Einsatzkraft ist die seelische Energiebilanz trotz der schweren Situationen positiv: „Ich bekomme in den Einsätzen viel mehr geschenkt, als ich gebe.“



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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