Globale Trends in der Onkologie

Immer individueller und immer teurer

Remagen - 11.06.2018, 09:00 Uhr

Menschen sind individuell und so sind es ihre Krebserkrankungen. Die neuen Arzneien tragen dem Rechnung. (Foto: Giuseppe Porzani / stock.adobe.com)                                    

Menschen sind individuell und so sind es ihre Krebserkrankungen. Die neuen Arzneien tragen dem Rechnung. (Foto: Giuseppe Porzani / stock.adobe.com)                                    


In der Krebsbehandlung wurden in den vergangenen Jahren bemerkenswerte Verbesserungen erzielt. Sie wird aber auch immer teurer. Dies zeigt ein neuer Bericht vom Marktforschungsunternehmen IQVIA. Er beleuchtet die Fortschritte in der onkologischen Therapie, die Verwendung der Arzneimittel und die globalen Trends bei den Ausgaben, die Pipeline für therapeutische Innovationen und die Aussichten bis 2022.

Die Anzahl der zugelassenen Krebstherapien steigt weiterhin. Nach einem neuen IQVIA-Marktbericht kamen innerhalb der letzten fünf Jahre 63 Krebsmedikamente neu auf den Markt. Alle 14 neuen Wirkstoffe, die in den USA im Jahr 2017 eingeführt wurden, sind zielgerichtete Therapien. Elf davon erhielten von der US-FDA eine Bezeichnung als „breakthrough-Therapie“ (Abemaciclib, Acalabrutinib, Brigatinib, Midostaurin, Niraparib, Ribociclib, Durvalumab, Avelumab, Inotuzumab Ozagamicin, Axicabtagen Ciloleucel und Tisagenlecleucel). Sieben nutzen für die Anwendung prädiktive Biomarker (Abemaciclib, Acalabrutinib, Brigatinib, Enasidenib, Midostaurin, Ribociclib) und bei vier werden die Patienten mit Hilfe eines Companion Diagnostikums stratifiziert (Brigatinib, Enasidenib, Midostaurin, Durvalumab). Zunehmend sind neue Krebsmedikamente für kleinere Patientenpopulationen bestimmt, wobei zehn der insgesamt 14 Therapien sich gegen seltene Krankheiten richten.

Eine Behandlung für 450.000 US-Dollar

Sechs sind Biologicals, darunter die zwei neuen zellbasierten Therapien, Axicabtagen Ciloleucel und Tisagenlecleucel. Sie sind die ersten verfügbaren CAR-T-Zelltherapien in den USA. Für die CAR-T-Therapie werden dem Patienten gesunde T-Zellen entnommen und im Labor genetisch modifiziert, so dass sie auf der Oberfläche zusätzlich einen chimären Antigenrezeptor (CAR) zur Erkennung von Krebszellen tragen.

Sie besitzen damit eine neue, gegen den Tumor gerichtete Spezifität. Die veränderten Zellen werden dem Patienten nach Vermehrung im Labor zurückgegeben werden. Sie verteilen sich dann in seinem Körper und eliminieren alle Zellen, auf denen sie entsprechende Marker finden. Bei der CAR-T-Therapie wird also der Wirkstoff für jeden einzelnen Patienten individuell hergestellt. Mit Behandlungskosten von 450.000 US-Dollar für eine einzige Infusion dürfte das erstzugelassene Präparat Kymriah (Tisagenlecleucel) die bisher teuerste Krebsbehandlung sein, schrieb das Deutsche Ärzteblatt anlässlich der FDA-Zulassung im Sommer 2017. Der Hersteller wolle die Kosten nur im Erfolgsfall in Rechnung stellen.

Mehr als 2000 immunonkologische Wirkstoffe in der Entwicklung 

Nach dem IQVIA-Bericht engagieren sich mehr als 700 Unternehmen in den späten F&E-Phasen in der klinischen Onkologie. Dabei soll der Trend immer mehr hin zu personalisierten Krebstherapien gehen. „Besonders aktiv“ nennt der Bericht die Pipeline von Immuntherapien. Diese Wertung deckt sich mit den Ergebnissen einer anderen jüngeren Erhebung des US-amerikanischen Cancer Research Institutes (CRI), wonach gegenwärtig weltweit mehr als 2000 immuntherapeutische Wirkstoffe gegen Krebserkrankungen in der Entwicklung sein sollen, davon 940 bereits in der klinischen und 1064 in der präklinischen Phase. 

Die zunehmende Bedeutung der Immunonkologie stützt sich nach Einschätzung von IQVIA weitgehend auf die PD-1 und PD-L1 Checkpoint-Inhibitoren, denen eine breite Wirksamkeit bei soliden Tumoren zugeschrieben wird.  

Eine Handvoll Therapien sorgt für Kostenanstieg

Die Ausgaben in der Krebsmedizin für die therapeutische und unterstützende Behandlung sind nach der IQVIA-Erhebung von 2013 bis 2017 weltweit von 96 Milliarden auf 133 Milliarden US-Dollar angewachsen, wobei die Kosten der unterstützenden Pflege mit rund 23 Milliarden nahezu unverändert blieben. Mit knapp drei Vierteln entfällt der Löwenanteil der weltweiten Ausgaben weiterhin auf die großen Industrieregionen mit den USA, EU5 (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien) und Japan. Die wachsenden globalen Ausgaben für onkologische Arzneimittel konzentrieren sich auf eine Handvoll Therapien. Auf die Top 35 Medikamente entfallen nach Angaben von IQVIA zusammen 80 Prozent der Gesamtausgaben. Die Listenpreise von neuen Krebsmedikamenten beim Launch sollen in den vergangenen zehn Jahren stetig nach oben geklettert sein. Für 2017 nennt der Bericht mittlere jährliche Kosten eines neuen Krebsmedikaments von über 150.000 US-Dollar, im Vergleich zu 79.000 im Jahr 2013. 

USA: Verdoppelung der Ausgaben in fünf Jahren

Insgesamt könnte der globale Markt für onkologische therapeutische Medikamente bis zum Jahr 2022 ein Niveau von 200 Milliarden US-Dollar erreichen, prognostiziert IQVIA, bei einem durchschnittlich 10- bis 13-prozentigen Zuwachs in den nächsten fünf Jahren. Das Marktforschungsinstitut rechnet damit, dass diese Entwicklung wesentlich von den USA getrieben wird. Dort würden neue Behandlungsmethoden früh akzeptiert, und in den kommenden vier Jahren könnte eine signifikante Anzahl von Neuheiten verfügbar werden, so die Begründung. In den Vereinigten Staaten haben sich die Ausgaben für Krebsmedikamente von 2012 bis 2017 bereits verdoppelt, und in den nächsten fünf Jahren rechnet IQVIA mit einer weiteren Verdopplung auf 100 Milliarden in 2022.

Für die Top fünf europäischen Märkten wird von einem langsameren Wachstum ausgegangen, weil der Budgetdruck und die umfassendere Nutzung von Technology Assessments (HTA) die Ausgaben für Krebsmedikamente im Zaum halten. 



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Therapie greifen am falschen Ende an

von Dr Andreas Habenicht am 12.06.2018 um 19:11 Uhr

Als Molekularbiologe und Marketeer verfolge ich die Entwicklung seit vielen Jahren. Die Entartung von Zellen ist biologische Normalität. Die Manigfaltigkeit der Entartungen ist nahezu unendlich. Interessant ist dabei die Häufung im Alter. Antikörper als Therapie gegen jede Entartung zu entwickeln gleich daher eher einer Sysiphusaufgabe. Ich denke an einen neuen Therapieansatz vom anderen Ende.

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