Initiativen der Grünen und Linken

Gegenwind für Tabakwerbeverbot von Union, AfD und FDP  

Berlin - 08.06.2018, 16:30 Uhr

Die Grünen und Linken wollen die Tabakaußenwerbung verbieten, um den Gesundheits- und Jugendschutz zu verbessern. Bis auf die SPD, die jedoch unter Koalitionszwang steht, sehen die anderen Parteien keinen Handlungsbedarf. (Foto: Imago)

Die Grünen und Linken wollen die Tabakaußenwerbung verbieten, um den Gesundheits- und Jugendschutz zu verbessern. Bis auf die SPD, die jedoch unter Koalitionszwang steht, sehen die anderen Parteien keinen Handlungsbedarf. (Foto: Imago)


Grüne und Linke sind sich einig – wenn Deutschland den Jugendschutz ernst nehmen will, muss die Tabakaußenwerbung verboten werden. Beide Parteien haben in die heutige Debatte Anträge auf ein Tabakwerbeverbot eingebracht und erhielten wenig Unterstützung. Zwar sprach sich auch ein Redner der SPD inhaltlich für ein Werbeverbot aus, allerdings verwies er auf den Koalitionszwang für die Sozialdemokraten.

Jährlich sterben in Deutschland 120.000 Menschen an den Folgen des Rauchens. Und Zigarettenplakate verführen zur Sucht. Doch weshalb ist in Deutschland als einziges EU-Land die Tabakaußenwerbung noch erlaubt? Nachdem bisherige Anläufe für ein gesetzliches Werbeverbot scheiterten, nehmen die Grünen und Linken im Bundestag einen neuen Anlauf. Am heutigen Freitag, um 1 Uhr früh, wurden die Anträge der beiden Oppositionsparteien debattiert. Die Anträge wurden zur Beratung in den Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft verwiesen.

Im Vorfeld der Debatte haben die Grünen unter der Federführung der drogenpolitischen Sprecherin, Frau Dr. Kappert-Gonther, einen Gesetzesentwurf ausgearbeitet, demzufolge die Werbung für Tabakerzeugnisse und E-Zigaretten gänzlich verboten werden soll. Niema Movassat, der drogenpolitische Sprecher der Linken, unterstützt inhaltlich die Initiative der Grünen und fordert in seinem Antrag ebenfalls ein umfassendes Tabakwerbeverbot.

Grüne: Tabakwerbung konterkariert Prävention und Jugendschutz

Zu Beginn der Debatte am heutigen Freitag erläuterte Kappert-Gonther die Rationale ihres Gesetzesentwurfs. So sei es bewiesen, dass Tabakwerbung zum Rauchen verleite. „Werbung wirkt“, fasste die Medizinerin zusammen. Die Gesundheitspolitikerin bedauerte, dass das Tabakwerbeverbot „über Nacht" und „sang- und klanglos" aus dem Koalitionsvertrag verschwunden sei.

Aus ihrer Sicht ist es absurd, dass Aufklärungsplakate aus Steuergeldern finanziert würden, während die Tabakwerbeplakate in unmittelbarer Nähe hingen. „Jede Werbung für das Rauchen konterkariert also alle Präventionsmaßnahmen“, so Kappert-Gonther weiter. Und es sei doch beschämend, wenn in Deutschland die Interessen der Industrie über dem Gesundheitsschutz stünden.

Linke: WHO-Abkommen endlich umsetzen

Kappert-Gonthers Pendant bei den Linken, Niema Movassat, stimmte dieser Aussage zu: „Wenn man Lobbyinteressen über den Gesundheits- und Jugendschutz stellt, ist das einfach falsch“. Movassat wies in seiner Rede auch auf das WHO-Tabakrahmenübereinkommen hin, welches Deutschland vor 14 Jahren unterzeichnet habe. Innerhalb der EU hätten sich alle Mitgliedstaaten den Forderungen, die ein Tabakaußenwerbeverbot beinhalten, angeschlossen – bis auf Deutschland. „Das ist Völkerrechtsbruch und geht gar nicht“, betonte der Jurist. Dass es immer noch kein Werbeverbot gebe, sei Ergebnis einer erfolgreichen Lobbypolitik der Tabakindustrie.

Landwirtschaftsexperten beraten über Suchtprävention

DAZ.online hatte vor wenigen Tagen die drogenpolitischen Sprecher der anderen Bundestagsfraktionen befragt, wie sie zu einem Tabakwerbeverbot stünden. Während sich die Vertreter von SPD und AfD ebenfalls ein Tabakwerbeverbot wünschen, hielt der Sprecher der FDP dieses nicht für sinnvoll. Der drogenpolitische Sprecher der Union äußerte sich nicht. 

Eigentlich handelt es sich bei der Suchtprävention um ein gesundheits- und drogenpolitisches Thema. Im Falle der Tabakwerbung ist allerdings der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft zuständig. Die Argumentationen der Landwirtschaftsexperten unterscheiden sich teilweise von denen der Gesundheitspolitiker.

Union: Aufklärung wirksamer als Verbote

Für Hans-Jürgen Thies (CDU), Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft, ist ein Tabakwerbeverbot nicht verhältnismäßig. Er warf den Antragstellern „Regelungszwang“ vor. Und die Werbung für Tabakwerbeerzeugnisse sei in Deutschland schon stark eingeschränkt. „Ich muss überlegen, wann ich das letzte Mal Tabakwerbung bewusst wahrgenommen habe“, sagte Thies.  

Im Übrigen habe nach Informationen des Bundesgesundheitsministeriums die Zahl der Raucher abgenommen, und immer weniger Jugendliche würden mit dem Rauchen anfangen. „Aufklärung ist die bessere Prävention als schlechte Verbote“, betonte der CDU-Politiker. Fraktionskollege Carsten Müller, Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, erklärte, dass die Unionsfraktion den Anträgen der Grünen und Linken nicht zustimmen werde.

SPD kritisiert Union aber verweist auf Koalitionszwang

Rainer Spiering, Sprecher für Ernährung und Landwirtschaft der SPD-Bundestagsfraktion, kündigte zu Beginn seiner Rede an, dass die Sozialdemokraten dem Gesetzesentwurf der Grünen nicht zustimmen könnten. Denn es gebe den Koalitionszwang, auch wenn man anderer Meinung sei. „Die Beratung ist doch sehr angebracht“, betonte Spiering. Der SPD-Politiker verwies darauf, dass das Tabakwerbeverbot bereits Gegenstand der Koalitionsverhandlungen gewesen sei. „Für mich war das ein Lehrstück, wie industrielle Interessen versuchen, Zugriff auf parlamentarische Entscheidungen zu nehmen. Und das habe ich hautnah erlebt“, so Spiering weiter. Für den Jugendschutz sei ein Verbot der Tabakaußenwerbung richtig.  

FDP: Verbraucher entscheiden selbst

Für den FDP-Sprecher für Landwirtschaft und Ernährung, Dr. Gero Clemens Hocker, stehe zwar völlig aus der Frage, dass Rauchen der Gesundheit schadet. Aber auch Alkohol und Süßigkeiten könnten schädlich sein, findet der Sprecher für Landwirtschaft und Ernährung der Freien Demokraten. Außerdem unterliegt aus Sicht von Hocker keine andere Branche so strengen Regulierungen wie die Tabakindustrie. Schließlich müssten Autohersteller auch keine Fotos von Unfallopfern auf ihre Fahrzeuge kleben.

Seiner Meinung nach sei es die Aufgabe des Verbrauchers zu entscheiden, ob er seiner Sucht frönen oder freiwillig auf Lebenszeit verzichten möchte. Die Anträge der Grünen und Linken bezeichnete er als überflüssige „Erziehungsversuche“.

Von Gottwald (AfD): „Rauchen ist Lebensqualität“

Der AfD-Bundestagsabgeordnete Wilhelm von Gottberg bezweifelte in seiner Rede, dass ein Tabakwerbeverbot dazu führt, dass weniger Menschen rauchen. Aus seiner Sicht gibt es schon jetzt Werbebeschränkungen, und die Tabakanbaufläche in Deutschland betrage nur noch 4600 Hektar. „Wünschenswert ist, aus ökologischen und ökonomischen Gründen, dass die Tabakanbaufläche nicht weiter schrumpft.“ Die Tabaksteuer sei die ertragreichste Steuer nach der Energiesteuer, die direkt in den Bundeshaushalt fließe. Und diese Einnahmen benötige der Bund. 

Von Gottwald ist der Ansicht, dass Jugendliche nicht durch Werbung, sondern durch fasche Vorbilder zu Rauchern werden. Zudem sei für viele Menschen Rauchen „Lebensqualität“. Daher habe sich die Bevormundung durch die Politik auf ein Minimum zu beschränken. Von Gottwald wies darauf hin, dass das von Movassat zitierte WHO-Abkommen lediglich eine Richtlinie und nicht gesetzlich verpflichtend ist.

Geht es um Rauchen oder Tabakwerbung?

Landwirtschaftsexperte von Gottwald schlug am heutigen Freitag einen anderen Kurs ein als sein Fraktionskollege und Gesundheitspolitiker Professor Axel Gehrke. Der Kardiologe hatte nämlich vor wenigen Tagen auf Nachfrage von DAZ.online geäußert, dass er ein Tabakwerbeverbot befürworten würde, um die Gesundheit der Bürger zu schützen.

Abgesehen davon fällt bei der Argumentation von Gottwalds – ähnlich wie bei der Rede von FDP-Politiker Hocker – auf, dass Werbung und Konsum teilweise vermischt werden. Zur Erklärung: Weder Grüne noch Linke wollen den Konsum von Tabak oder E-Zigaretten verbieten. Sondern die Werbung für suchterzeugende und gesundheitsschädliche Tabakerzeugnisse.



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


2 Kommentare

Verbot von Tabak

von Richard Hagenauer am 17.09.2018 um 17:55 Uhr

Es ist ungeheuerlich. Da werden im angeblichen Rechtsstaat
Deutschland jährlich mit Tabakrauch bis zu 140 000 Menschen,
darunter 14 000 Zwangsberauchte und 4 000 Kinder umgebracht bzw. ermordet! Bei diesen Massenmorden wird doch tatsächlich noch diskutiert über Werbeverbote, Zigarettenautomaten, Ekelbilder, Prävention, Abgewöhnung,etc., etc.

Wer will behaupten, dass irgendjemand für irgendwas Tabak braucht? Tabak und Rauchen ist unnötig wie ein Lungenkrebs! Darum stellt sich lediglich eine einzige Forderung: Tabak muss geächtet sein wie jede andere
Droge auch! Es kann und darf nicht sein, dass Jeder/Jede
nach Belieben mit Tabak morden darf, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden! Das ist Pervers in höchstem Maße ohne Vergleich und gesetzlich bereits verboten! Der Grund, warum trotzdem geraucht wird, liegt
an der "Kaufkraft! der Tabaklobbyisten! Ein Zustand, der
in einem Rechtsstaat keinen Platz hat! Warum muss in der Apothekerzeitung darüber noch diskutiert werden?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Verbot für Tabakdrogen-Werbung

von Bernhard Kletzenbauer am 15.09.2018 um 10:45 Uhr

Es ist unglaublich, welch dummes Geschwätz unsere Volksverrä.., ähm "Volksvertreter" von sich geben. 80 Milliarden Euro Schaden - jedes Jahr, 140000 tote Nikotinsüchtige - jedes Jahr, weitere Hunderttausende krankgerauchte Nichtsüchtige - jedes verdammte Jahr! Und sie wollen immer noch Werbung für diese Todesdroge zulassen.
Sie haben Wahrnehmungsstörungen (Thies), verwechseln massive Einschränkung der echten Lebensqualität mit heuchlerischer Suchtqualität (Gottwald), und lenken wieder mal vom Tabakterrorismus ab indem sie Alkohol und Zucker anführen (Hocker). Diese Unterstützer der Nikotindrogen-Industrie gehören allesamt wegen Mittäterschaft und Unterstützung von Menschenrechtsverletzungen (Recht auf körperliche Unversehrtheit) vor Gericht verurteilt und hinter Gitter gesperrt.
In unserem Unrechtsstaat werden immer mehr Verbrechen legalisiert und die Opfer verhöhnt.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.