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Interview Apotheker Gunther Böttrich
Mehr Zeit für unsere Kunden
Apotheker Gunther Böttrich setzt in seiner Apotheke auf Digitalisierung. In seiner Burg-Apotheke im nordhessischen Volkmarsen stehen in der Sichtwahl keine Packungen auf Holzregalen. Stattdessen hat er zwölf große Monitore aufgehängt. Wie kommt das bei seinen Kunden an? Welche Erfahrungen hat er damit gemacht und in welche Richtung denkt er weiter? Wir haben uns mit Apotheker Böttrich unterhalten.
Sie haben schon seit einigen Jahren große Teile Ihrer Apotheke mit einer virtuellen Sichtwahl versehen. Welche Erfahrungen haben Sie hier gemacht:
Seit über fünf Jahren stehen bei uns keine Packungen mehr in der Sichtwahl und unsere Arbeitsabläufe sind angepasst. Alle OTCs befindet sich im Kommissionierer, wodurch neben „Rx“ auch der Warenstrom „OTC“ fast vollautomatisiert abläuft. Ergebnis: Wir haben mehr Zeit für Kunden! Nachräumen, Umräumen und Staubwischen – all das entfällt.
DAZ.online-Themenwoche
Digitalisierung
In der Beratung rufen wir benötigte Indikationsthemen zu uns an den POS auf die Sichtwahl-Schirme und wir zeigen emotionale Bilder und aktuelle Themen (z. B. Fußball-WM). Statt arbeitsintensiven Regalen haben wir multifunktionale Präsentationsflächen, auf denen es im Winter schneit und im Herbst die Blätter fallen. Die Technik spart Kosten, unterstützt unsere Kommunikation mit Kunden und hilft bei Beratung und Verkauf.
Wie nehmen die Kunden diese virtuelle Sichtwahl an? Kommen sie damit zurecht?
In der Eröffnungswoche, im Dezember 2012, war ich schon sehr gespannt auf die Rückmeldungen aus unserer ländlichen Kleinstadt zum neuen Konzept. Dann stand eine ältere, kritische Kundin vor mir und schaute sich um. Ich war auf das Schlimmste vorbreitet. Ihr Kommentar: „Endlich kann ich meine Augentropfen erkennen!“ Die übergroße Darstellung der Produkte in 3D-Optik und die klar strukturierte, wertige Anordnung ermöglichen es den Kunden, die Produkte schon beim Betreten der Apotheke zu erkennen. Emotionale Themen-Bilder, teils mit Lokalbezug (eigene Fotos), bringen uns immer wieder ins Gespräch – in der Apotheke mit Kunden und auch außerhalb. Unsere virtuelle Sichtwahl sorgt für Emotionen (Tierbilder, Landschaften, Bilder vom lokalen Karnevalsumzug). Zudem erklären wir, dass unser Technikeinsatz dazu dient, mehr Zeit für Kunden zu haben. Das gefällt.
Und hat sich die elektronische Sichtwahl schon „gelohnt“?
Wir konnten die Lagerumschläge der Sichtwahl-Artikel deutlich erhöhen und die Prozesskosten umfassend reduzieren. Die Kundenzahlen zeigen, dass unsere Apotheke gefällt. Nach meiner Erfahrung sind Amortisationszeiten für die Kombi „Lagerautomat plus virtuelle Sichtwahl“ von unter fünf Jahren machbar, wenn konsequent auch die Prozesse angepasst werden. Die durchweg positive Resonanz und die guten Ergebnisse in meiner Apotheke haben dazu geführt, dass ich 2014 die Firma promosi gegründet habe. Promosi bietet international „Virtuelle Präsentationskonzepte“ für Apotheken an und entwickeln das System kontinuierlich weiter. Gerade in Zeiten von Personalknappheit und Internetkonkurrenz helfen „digitale Tools“ den Apotheken.
Und die Freiwahl?
Haben Sie auch eine virtuelle Freiwahl? Touchscreens für die Kunden?
Wir konzentrieren uns in meiner Apotheke und bei promosi aktuell auf die virtuelle Sichtwahl und das „digitale Schaufenster“. Freiwahlterminals haben wir in Erprobung, da tut sich was. Zur Unterstützung der Freiwahlsortimente bietet Monitortechnik mit ausgefallen Formaten (wie z. B. ein Zwei-Meter-Stretch) schon heute viele Möglichkeiten. Es braucht aber sicher noch etwas Zeit, bis Apothekenkunden (ähnlich wie die Kunden bei McDonalds) sich selbst „Pillen-Menüs“ zusammenstellen und Touch-Terminals selbst bedienen.
Was bedeutet für Sie Digitalisierung der Apotheke? Hört das bei der virtuellen Sichtwahl auf?
Digitalisierung ist „allumfassend“ und für mich sehr wichtig, eine Chance! Aber doch nur ein Werkzeug, das uns in der Apotheke hilft, unsere Kernkompetenzen weiter auszuspielen. Übergeordnet ist für mich die persönliche, pharmazeutische Beratung und das, was ich mit der Technik mache, nämlich Prozessoptimierung und Change-Management. Ich denke in Prozessketten, z. B. vollautomatisiertes Management des Warenstroms mit Hilfe von Lagerautomatisierung und intelligenter Sortimentssteuerung über die Warenwirtschaft. Oder virtuelle Präsentationskonzepte an mehreren „Touchpoints“ (Schaufenster, Freiwahl, Sichtwahl) der Apotheke. Diese sind „intelligent“ vernetzt mit der Warenwirtschaft – dort liegt ein bisher wenig genutzter Schatz der Apotheke: umfassende Daten zu Abläufen und Kunden.
Haben Sie weitere oder andere Beispiele aus Ihrer Apotheke?
Einen großen Nutzen sehe ich in unserer intelligenten Sortimentssteuerung. Neuanlagen und Retouren im Rx-Bereich laufen bei uns vollautomatisch.
Das „digitale Schaufenster“ sendet lichtstarke Signale nach draußen und muss nicht zeitaufwendig dekoriert werden. Die Apotheke der Zukunft betreibt „Multi-Channeling“. Es gibt eine Abfolge von Kontaktpunkten in der Apotheke und im Netz zu den „Usern“, um die wir mit Versendern kämpfen. Apotheken-App, Homepage, Social-Media, digitales Schaufenster, Virtuelle Sicht- und Freiwahl und mobile Beratungs-Tablets helfen dem lokalen „Einzelhändler“ Apotheker, sich als zukunftsorientierter Dienstleister zu positionieren und effizient zu wirtschaften. Die Gestaltung dieser Prozesskette steht bei mir ganz oben auf der To-do-Liste.
Herr Böttrich, vielen Dank für das Gespräch!
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