Nach Beschwerde von Nebenklägerin

NRW-Justizministerium schaltet sich in Zyto-Skandal ein

Karlsruhe - 31.05.2018, 14:25 Uhr

Das NRW-Justizministerium in Düsseldorf hat ein Beschwerdeschreiben einer Nebenklägerin im Zyto-Prozess an das Landgericht Essen weitergeleitet. (Foto: Imago)

Das NRW-Justizministerium in Düsseldorf hat ein Beschwerdeschreiben einer Nebenklägerin im Zyto-Prozess an das Landgericht Essen weitergeleitet. (Foto: Imago)


Viele Nebenkläger des Prozesses um den Bottroper Zyto-Apotheker Peter S. sind unzufrieden über die bisherige Aufklärung des Falles. Eine Nebenklägerin hat sich an NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) gewandt. Sein Haus betont die Unabhängigkeit der Justiz – und leitet dennoch das Beschwerdeschreiben ans Essener Landgericht sowie die Oberstaatsanwaltschaft weiter.

Aus Sicht vieler Krebspatienten, die Zytostatika von dem Bottroper Apotheker Peter S. erhalten haben, geht die Aufklärung des Skandals zu zögerlich voran. Außerdem sehen sie sich auch ansonsten im Stich gelassen. Die Nebenklägerin Heike Benedetti, die monatliche Demonstrationen in Bottrop organisiert hat, wandte sich nun an das Justizministerium in Nordrhein-Westfalen. „Dieser Apotheker ist durch ein lasches System gefallen“, schreibt sie. Benedetti betont, dass Patienten ihren Apothekern nur vertrauen müssten, da Onkologen die Rezepte einem Apotheker „zuschustern“.

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„Wir müssen mit dem Gedanken leben, womöglich nicht die für uns vorgeschriebene Dosis erhalten zu haben“, erklärt die Nebenklägerin. Sie kämpfe für ein gerechtes Urteil – und um eine angemessene Entschädigung der Opfer. Hier sieht Benedetti auch den Staat in der Pflicht, sich um eine „angemessene Opferentschädigung“ zu kümmern. Ihrer Ansicht nach sind auch die Opferbeauftragten in der Pflicht – wie der Opferbeauftragte der Bundesregierung, der SPD-Politker Edgar Franke, der gleichzeitig auch Berichterstatter für Apothekenthemen in der SPD-Fraktion ist.

Franke: Nur für Terroropfer zuständig

Doch bislang ist dessen Stelle offiziell nur für Terroropfer zuständig, so dass er sich auch nicht der Opfer der Amokfahrt von Münster im April angenommen hatte. „Staatliche Hilfe darf nicht vom Motiv des Täters abhängen“, hatte hingegen NRW-Justizminister Peter Biesenbach erklärt. Benedetti schöpfte Hoffnung, dass vielleicht auch Betroffene des Zyto-Skandals Unterstützung bekommen könnten.

Der Wunsch nach einem gerechten Urteil sei „hinsichtlich der nunmehr vor dem Landgericht Essen angeklagten Taten mehr als nachvollziehbar“, erklärte das Justizministerium im Auftrag Biesenbachs im Antwortschreiben an Benedetti. Gleichzeitig verwies das Haus, dass es auf den Gang und Abschluss des Verfahrens keinen Einfluss nehmen könne, da Richter unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen sind.

Justizminister wendet sich an Oberstaatsanwaltschaft und Gericht

„Gleichwohl habe ich Ihr Schreiben heute an die Präsidentin des Landgerichts Essen zur Kenntnisnahme, und rein vorsorglich auch an den Leitenden Oberstaatsanwalt in Essen zur weiteren Prüfung und ggf. weiteren Veranlassung weitergeleitet“, erklärt eine Mitarbeiterin Biesenbachs. In Bezug auf mögliche Entschädigungsleistungen leitete sie das Schreiben außerdem ans Landesgesundheitsministerium weiter.

Benedetti zeigt sich auf Nachfrage von DAZ.online positiv überrascht über die schriftliche Antwort des Justizministeriums: Es sei zwar verständlich, dass der Justizminister nicht direkt ins Verfahren eingreifen kann – die Weiterreichung ihres Schreibens an die Oberstaatsanwaltschaft und das Landgericht begrüßt sie aber. „Das hilft vielleicht etwas bei der Urteilsfindung“, sagt Benedetti. Ihr ist wichtig, dass nicht nur möglicher Abrechnungsbetrug über laut Anklage 56 Millionen Euro verfolgt wird, sondern auch Körperverletzungs- und Tötungsdelikte.

Als mögliche Anlaufstelle für die Betroffenen gibt es in Nordrhein-Westfalen seit September 2017 die Opferschutzbeauftragte Elisabeth Auchter-Mainz. Sie hat zwar kein eigenes Budget für Entschädigungen und Hilfe, vermittelt aber als Lotsin unterstützende Angebote. „Jeder kann uns anrufen, wir hören zu, wir überlegen gemeinsam, wie geholfen werden kann“, sagt Auchter-Mainz.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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