Weltnichtrauchertag

Grüne und Linke: Zur Rauchentwöhnung in die Apotheke

Berlin - 31.05.2018, 09:05 Uhr

Plakate mit Zigarettenwerbung sind innerhalb der EU nur noch in Deutschland erlaubt. (Foto: Imago)

Plakate mit Zigarettenwerbung sind innerhalb der EU nur noch in Deutschland erlaubt. (Foto: Imago)


Trotz zahlreicher Debatten ist Zigarettenwerbung in Deutschland immer noch erlaubt. Die Grünen-Bundestagsfraktion fordert in einem Gesetzentwurf nun erneut, die Tabakaußenwerbung zu verbieten. Für diejenigen, die sich von ihrer Sucht befreien wollen, ist die Apothekenberatung aus Sicht der Grünen und der Linken eine große Hilfe.  

Deutschland ist das EU-Schlusslicht beim Tabakwerbeverbot, in allen anderen EU-Ländern gibt es strengere Restriktionen bei der Tabakwerbung - obwohl Tabakwerbung nachweislich zum Rauchen verführt. Besonders Jugendliche sind gefährdet, weil sie die Zielgruppe des Zigarettenmarketings sind: Auf dem Weg zur Schule oder zur Ausbildungsstätte, an Bahnhöfen oder Bushaltestellen springen Jugendlichen Anzeigenmotive ins Auge, die ein lässiges Lebensgefühl suggerieren.

Grüne legen Gesetzentwurf vor

Die Grünen-Bundestagsfraktion hat nun einen Gesetzentwurf vorgelegt, demzufolge die Tabakwerbung auf Plakaten, Litfasssäulen und in Kinos sowie die Abgabe von Gratismustern untersagt wird. Die Initiative der Grünen soll am 7. Juni im Parlament debattiert werden. „Die Tabaklobby hat in Deutschland offensichtlich einen besonders großen Einfluss. In allen anderen Ländern in der EU ist das Verbot der Tabakaußenwerbung bereits umgesetzt“, erklärt die Grünen-Gesundheitspolitikerin Dr. Kirsten Kappert-Gonther gegenüber DAZ.online.

Milliardenschwerer Qualm

Im Geschäft mit dem blauen Dunst geht es um viel Geld. Laut dem aktuellen Drogen- und Suchtbericht gibt die Zigarettenbranche jährlich etwa 200 Millionen Euro für Werbung aus. Nach Angaben des deutschen Zigarettenverbandes erwirtschaftete 2016 die Tabakindustrie 20,5 Milliarden Euro.  

Demgegenüber steht nach Schätzungen des deutschen Krebsforschungszentrums ein gesundheitswirtschaftlicher Schaden von rund 80 Milliarden Euro. „Es geht um den Gewinn von wenigen zu Lasten der Gesundheit von vielen. Wer rauchen will, kann das weiter tun, doch die Industrie muss endlich in die Pflicht genommen werden“, appeliert die drogenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion.

Bisherige Anläufe scheiterten

Die Forderung von Kappert-Gonther ist nicht neu. Bereits In der vergangenen Legislaturperiode wurde darüber diskutiert, die Tabakaußenwerbung zu untersagen. Doch scheiterte die Regierung an Widerständen innerhalb der Union, dies umzusetzen. Auch in den neuen Koalitionsvertrag hat es das Verbot nicht geschafft, weil der entsprechende Passus in letzter Minute vor Abschluss gestrichen wurde. 

Grüne: Auch keine Werbung für E-Zigaretten

In ihrem Entwurf fordern die Grünen nicht nur die Werbung für Tabakzigaretten zu verbieten, sondern auch für elektronische Zigaretten, Tabakerhitzer und Liquids. Mit diesen Produkten nehmen Konsumenten zum Teil höhere Mengen des Suchtstoffs Nikotin auf, als beim Zigarettenrauchen. „Auch Werbung für E-Zigaretten und Tabakerhitzer ermuntert Jugendliche zum Rauchen. Wenn Jugendliche mit E-Zigaretten in Berührung kommen, ist es wahrscheinlicher, dass sie später auch Zigaretten konsumieren“, verdeutlicht Kappert-Gonther. 

E-Zigaretten zur Raucherentwöhnung?

Nikotinhaltige Liquids enthalten keinen Teer. So mancher Aufhörwillige hofft, sein Krebsrisiko zu reduzieren, wenn er von der Tabak- auf die E-Zigarette umsteigt. Für die Grünen-Gesundheitspolitikerin ist das Risikopotential des Dampfens noch nicht hinreichend untersucht. „Als Ärztin kann ich mir im Einzelfall durchaus vorstellen, dass für starke Raucher der Umstieg auf E-Zigaretten zur Risikoreduktion beitragen kann. Aber auch ohne Teer ist Nikotin ein starkes Suchtmittel – auch durch E-Zigaretten bleiben Menschen im Kreislauf der Sucht“, differenziert die Medizinerin. 

Grüne: Krankenkasse soll Raucherentwöhnung unterstützen

Aber wenn nicht mit E-Zigaretten, wie können Raucher dann vom Glimmstängel loskommen? Mit dem Rauchen aufzuhören, ist sehr schwer. Untersuchungen zufolge hat Nikotin ein Suchtpotenzial, das dem von Heroin vergleichbar ist. Weniger als 10 Prozent der Ex-Raucher haben es ohne Hilfe beim ersten Mal geschafft, abstinent  zu bleiben.

Kappert-Gonther findet, dass Aufhörwillige systematischer unterstützt werden sollten: „Ich halte es für sinnvoll, dass medizinische Rauchentwöhnungstrainings, wie sie zum Beispiel durch die Suchtambulanz an der Medizinischen Fakultät in München angeboten werden, in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen werden.“

Grüne und Linke: Apotheker können helfen

Dass sich werdende Nichtraucher jederzeit auch in der Apotheke beraten lassen können, sieht die Grünen-Gesundheitspolitikerin sehr positiv: „Die Beratung in den Apotheken hat einen hohen Stellenwert, denn sie ist niedrigschwellig zu erreichen, kompetent und unabhängig. Apothekerinnen und Apotheker sind Fachleute, die den Raucherinnen und Rauchern die Möglichkeiten der Rauchentwöhnung individuell passend empfehlen und einschätzen können, ob eine ärztliche Begleitung angezeigt ist. Ich halte als Ärztin und Psychotherapeutin von nicht-medikamentösen Strategien besonders viel. Im Einzelfall ist eine Nikotinersatztherapie für den Übergang zur Abstinenz durchaus sinnvoll.“ 

Auch für Movassat, drogenpolitischer Sprecher der Linksfraktion, ist die Apotheke eine Hilfestellung für Tabakabhängige. Denn aus seiner Sicht ist das Tabakwerbeverbot zwar unabdingbar für den Jugendschutz, jedoch nicht das primäre Mittel, den bereits Süchtigen zu helfen. „Daher sind Maßnahmen wie eine Nichtraucherberatung in der Apotheke primäre Handlungsinstrumente, um Menschen, die von ihrer Tabaksucht abkommen wollen, zu unterstützen.“



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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