Erneuter Feuerwehreinsatz in Apotheke

Das Leid mit der Pikrinsäure

Stuttgart - 24.05.2018, 10:45 Uhr

Pikrinsäure (Trinitrophenol) ist eine gelbe, geruchlose
Substanz, die pulverig, blättrig oder kristallin vorliegen kann. (Screenshot: LKA Bayern)

Pikrinsäure (Trinitrophenol) ist eine gelbe, geruchlose Substanz, die pulverig, blättrig oder kristallin vorliegen kann. (Screenshot: LKA Bayern)


Obwohl die Pikrinsäure ein altes Thema ist, verursacht sie immer wieder Großeinsätze von Feuerwehr und Polizei und damit auch Schlagzeilen in den Medien. So auch am gestrigen Mittwoch in der Bild-Zeitung: „Evakuierung in Eging – Sprengstoff in Apotheke gefunden“, wurde dort getitelt. DAZ.online hat mit der Apotheke und dem Landeskriminalamt Bayern gesprochen.

Auch DAZ.online hat in den vergangenen Jahren immer wieder über Pikrinsäurefunde in Apotheken berichtet. Am vergangenen Dienstag verursachte in einer Apotheke in Eging am See (Landkreis Passau) der Fund einer Flasche Pikrinsäure zwischen 18 und 19 Uhr erneut einen Feuerwehreinsatz. Als die Apotheke den Bestand ihres Labors überprüfte, stieß sie auf die Glasflasche, die offenbar in Vergessenheit geraten war. Denn schon vor etwa zehn Jahren machten die Landeskriminalämter und Apothekerkammern darauf aufmerksam, welche Gefahr von nicht ordnungsgemäß gelagerter Pikrinsäure ausgehen kann.

Akut präsent in den Medien war das Thema zuletzt 2008. Damals wurde die Pikrinsäure nicht nur in Apotheken, sondern auch in Schulen gefunden. Schon damals wurde die Pikrinisäure im Labor nur noch selten benötigt, musste aber in Apotheken noch vorrätig gehalten werden. Das Problem war und ist dabei nicht die ordnungsgemäß gelagerte Pikrinsäure, sondern vor allem die Tatsache, dass sie nicht mehr gebraucht wurde und damit in Vergessenheit geriet und eintrocknete. Weil die Verunsicherung durch die Medien 2008 groß war, gaben die Apothekerkammern damals Rundschreiben heraus, in denen der korrekte Umgang mit Pikrinsäure geschildert wurde.   

Auch im aktuellen Fall keine Evakuierung notwendig

Bezüglich des aktuellen Pikrinsäurefunds in Bayern betonte ein Sprecher des Landeskriminalamts (LKA) nun am gestrigen Mittwoch gegenüber DAZ.online, dass verschlossene, in der Auffindesituation belassene Gebinde keine akute Gefahrenlage darstellen. Immerhin lagerten sie ja dort schon seit etwa zehn Jahren. In einem offiziellen Merkblatt des Bayerischen Landeskriminalamts „zu Gefahrenlagen mit Pikrinsäure“ wird außerdem betont, dass eine Evakuierung oder Räumung bei Beachtung der Sicherheitshinweise beim Fund von eingetrockneter Pikrinsäure nicht erforderlich ist.

Grundsätzlich war auch der aktuell betroffenen Apotheke aus Bayern das Thema Pikrinsäure bekannt, aber offenbar in Vergessenheit geraten. Weil ein Bekannter bei der Feuerwehr tätig ist, wurde beim Fund der Pikrinsäure zunächst dieser um Rat gefragt. Der Feuerwehrmann kümmerte sich um alles weitere, weshalb die Apotheke für etwa eine Stunden zwischen 18 und 19 Uhr zunächst im Unklaren blieb. Die Apotheke wurde zunächst geräumt, dann gab es jedoch Entwarnung: Das Fläschchen Pikrinsäure steht heute noch in der Apotheke und wird innerhalb der nächsten Wochen dort vom Landeskriminalamt abgeholt werden. Das heißt aber nicht, dass die Pikrinsäure ungefährlich ist.

Warum Pikrinsäure trotzdem gefährlich ist

Pikrinsäure ist giftig und kann auch über die Haut aufgenommen werden, heißt es im offiziellen Schreiben des Landeskriminalamtes (LKA) Bayern, das DAZ.online vorliegt. Bekannter als die Giftigkeit ist die Sprengkraft der Pikrinsäure, die leicht über der von TNT liegen soll. Was für ein Ausmaß eine Explosion der Menge Pikrinsäure, wie sie im aktuellen Fall vorlag, angenommen hätte, lässt sich schwer einschätzen, so der Sprecher des LKA. Generell sei es schwer bezüglich Sprengstoff eine solche Aussage zu treffen, weil der Schaden je nach Abstand zum Sprengkörper variiert. Grundsätzlich sei aber auch militärisch eingesetzter Sprengstoff transportsicher, solange er mit keinem Zünder verbunden wird. Früher sei Pikrinsäure auch in Munition verbaut worden. Um das Gefäß mit der Pikrinsäure ohne Zünder zur Explosion zu bringen, müsste man es etwa gegen eine Wand werfen oder auf den Boden fallen lassen. Deshalb kann das LKA das Gefäß ohne weitere Vorkehrungen sicher abtransportieren.

Öffnen sollte man ein solches Gefäß dennoch nicht eigenmächtig, weil auch durch starken Druck und Reibung, die am Deckel beim Öffnen entstehen, es zur Explosion kommen kann. Deshalb öffnen auch die Fachleute das Gefäß nicht von Hand. Anschließend wird zur „Entschärfung“ Wasser zur Pikrinsäure hinzugefügt und der Inhalt ordnungsgemäß entsorgt

Bei Metallgefäßen wird es besonders gefährlich

Was die Beamten bei einem Pikrinsäurefund zunächst abfragen, ist die Beschaffenheit des Gefäßes, ist dieses nicht aus Metall, gilt sozusagen „Entwarnung“. Im Kontakt mit Metall, wie das etwa auch bei Munition der Fall wäre, würden sich Pikrate bilden, die dann orange statt gelb erscheinen. Diese seien extrem empfindlich und damit besonders gefährlich, so der Sprecher des LKA.

Wenn man die Pikrinsäure also in nichtmetallischen Behältnissen feucht (mindestens 30% Wassergehalt) lagert, ist sie, abgesehen von ihrer Giftigkeit, handhabungssicher und nicht explosionsgefährlich, aber explosionsfähig.

Sichere Lagerung von Pikrinsäure

  • dicht verschlossen bei 12-28°C
  • vor Sonnenbestrahlung und Hitze schützen
  • Material jederzeit nass halten und nicht austrocknen lassen
  • alle sechs Monate überprüfen und nach Bedarf Wasser hinzufügen; Behälter alle drei Monate umdrehen, um das Wasser zu verteilen 
  • Material, das älter als zwei Jahre ist, sollte beseitigt werden

(Quelle: Sicherheitsdatenblatt)



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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