Diabetes-Therapie

Metformin plus Sitagliptin: Warum Ärzte die freie Kombination verordnen

Stuttgart - 23.05.2018, 09:20 Uhr

In der Apotheke bedeutet die Umstellung von der fixen auf die freie Kombination Erklärungsbedarf. (Foto: Gerhard Seybert / stock.adobe.com)                                      . 

In der Apotheke bedeutet die Umstellung von der fixen auf die freie Kombination Erklärungsbedarf. (Foto: Gerhard Seybert / stock.adobe.com)                                      . 


Je mehr Arzneimittel ein Patient nimmt, desto größer ist die Gefahr, dass er sie nicht wie vom Arzt verordnet anwendet. Kombinationsarzneimittel können diesen Patienten das Leben leichter machen und für bessere Adhärenz sorgen. Allerdings machen einige Apotheker in letzter Zeit die Beobachtung, dass Typ-2-Diabetiker, die Sitagliptin und Metformin erhalten, von der fixen auf die freie Kombination umgestellt werden. Warum das so ist? DAZ.online hat nachgefragt.

Blutdrucksenker, Statine, vielleicht noch Allopurinol oder auch mal ein Schmerzmittel: Neben ihren – oft mehreren – Antidiabetika, nehmen Patienten mit Typ-2-Diabetes in vielen Fälle noch eine ganze Menge anderer Arzneimittel ein. Um die Therapie möglichst einfach zu gestalten und die Adhärenz zu fördern, werden oft Kombinationsarzneimittel eingesetzt. Doch in letzter Zeit machen Apotheker vermehrt die Erfahrung, dass Ärzte Patienten von der Fixkombination Sitagliptin/Metformin (Janumet®) auf die freie Kombination umstellen – sehr zum Leidwesen der Patienten, da zweimal eine Zuzahlung anfällt und sie mehr Tabletten schlucken müssen.

Erklärung Medikationskatalog

Die Erklärung dafür liefert der Medikationskatalog der kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Der soll Vertragsärzte bei einer evidenzbasierten, sicheren und indikationsgerechten Verordnungsentscheidung unterstützen, wie es auf der Seite der KBV heißt. Abhängig von der Evidenz – hier fließen zum Beispiel Leitlinien, aber auch IQWiG- und G-BA-Bewertungen mit ein – werden die Wirkstoffe dann eingestuft als „Standard“, „Reserve“ oder „nachrangig“. „Standard“ ist wohl selbsterklärend: Das, was für die Mehrheit der Patienten infrage kommt. „Reserve“ umfasst Wirkstoffe, die bei „relevanten“ Patientengruppen, für die eine Behandlung mit den Standardwirkstoffen nicht in Frage kommt, verordnet werden sollen. Zum Beispiel Sartane bei ACE-Hemmer-Unverträglichkeit. Unter das Label „nachrangig“ fallen alle anderen, für die jeweilige Indikation zugelassenen Wirkstoffe. Diese können im Einzelfall schon Vorteile haben und können dann auch eingesetzt werden. In der Gesamtschau seien sie aber als „nachrangig zu verordnen“ einzustufen, schreibt die KBV. Im Klartext, die KBV sieht eine Verordnung dieser Mittel nicht gern. Unter Umständen könnte der Arzt bei einer Wirtschaftlichkeitsprüfung so eine Verordnung begründen müssen.

Sitagliptin + Metformin vs. Sitagliptin/Metformin

Und was genau hat das jetzt mit der fixen beziehungsweise freien Kombination von Sitagliptin und Metformin zu tun? Laut KBV gilt Metformin als Standard, Sitagliptin mono als Reserve und die fixe Kombination von beiden sollte nur nachrangig verschrieben werden. Letzteres gilt aber noch nicht so lange, zuvor war auch die fixe Kombi als Reserve eingestuft. Und das führt dazu, dass die Ärzte umstellen. 

Warum das so ist? DAZ.online hat bei der KBV nachgefragt. Hintergrund für die unterschiedliche Einstufung ist die Nutzenbewertung des G-BA. Der sehe zwar für die Kombination aus Metformin und Sitagliptin durchaus Hinweise für einen geringen Zusatznutzen – sie scheint hinsichtlich der Hypoglykämien Vorteile gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie zu haben. Dieser Zusatznutzen wurde aber nur für die freie Kombination festgestellt, erklärt die KBV. Denn bei der fixen Kombination werde eine Metformin-Dosis von mindestens 1700 mg vorausgesetzt, und diese Teilpopulation habe der pharmazeutische Unternehmer nicht erfasst, heißt es. Der G-BA vermisse also Daten für die Gruppe, für die sich die Fixkombi laut Zulassung eigentlich eignet, und sehe deswegen keinen Zusatznutzen. Daher solle die Fixkombi laut KBV nur nachrangig verordnet werden – übrigens ebenso wie Metformin/Saxagliptin und Metformin/Dapagliflozin.

Die 1700 mg Metformin kommen durch die zweimal tägliche Gabe von Janumet® zustande, die geringste Stärke ist die Kombination aus 50 mg Sitagliptin und 850 mg Metformin.

Beschluss zu Sitagliptin läuft ab

Ob Sitagliptin alleine den Status als „Reserve“ behält, wird sich im Herbst zeigen. Dann läuft die Befristung des Beschlusses des G-BA ab. Saxagliptin wurde der Reservestatus aberkannt – alleine und in Kombination mit Metformin. Der Grund: keine Endpunkte, die einen Vorteil bezüglich des kardiovaskulären Risikos belegen. Es soll nur noch „nachrangig“ verschrieben werden. Liraglutid hingegen ist jüngst aufgestiegen zum Reservemittel. Hier konnte der Benefit hinsichtlich der Vermeidung kardiovaskulärer Ereignisse gezeigt werden.

Ebenfalls Reservestatus haben Albiglutid und Dulaglutid sowie Empagliflozin, aber auch Glibenclamid und Glimepirid. Einzige Standardmittel neben Metformin sind die Insuline.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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