DSGVO-Expertenbefragung

Das sind die wichtigsten Antworten zum Datenschutz in der Apotheke (Teil 2)

Berlin - 23.05.2018, 17:45 Uhr

In der Apotheke stellt sich künftig so manche datenschutzrechtliche Frage. (Foto: Imago)

In der Apotheke stellt sich künftig so manche datenschutzrechtliche Frage. (Foto: Imago)


Der Countdown bis zum Inkrafttreten der EU-Datenschutz-Grundverordnung am kommenden Freitag läuft. Lesen Sie im zweiten Teil unserer DSGVO-Experten-Befragung weitere Antworten auf Apotheker-Fragen. Diesmal geht es unter anderem um die Einlösung von (unklaren) Rezepten, Zuzahlungsbescheinigungen, Quittungen und die Arzneimittelabholung.

Der 25. Mai steht vor der Tür. Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ist auf allen Kanälen Thema. Was passiert, wenn ich möglicherweise nicht gleich alle neuen Vorgaben einhalten kann? Sicherlich stellen sich einige Apotheker diese Frage. Die Sanktionen wurden schließlich deutlich verschärft. Anwälte oder Firmen, die mit mehr oder weniger windigen Abmahnungen Geschäfte machen wollen, kennt man schon aus der Vergangenheit. Aber wie werden die Aufsichtsbehörden vorgehen? Beim letzteren Punkt bemüht sich die Bundesbeauftragte für Datenschutz, Andrea Voßhoff, zu beruhigen: Vonseiten der Behörden seien keine unmittelbare Bußgelder zu befürchten, wenn sich die Betroffenen nicht sogleich an die DSGVO halten, sagte sie der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom heutigen Mittwoch. Als erste Möglichkeit bei Beschwerden seien Verwarnungen zu erwarten.

Auch wenn es eigentlich einen zweijährigen Vorlauf für das neue Recht gab, fühlen sich viele Betroffene – auch Apotheker – noch nicht wirklich fit, sondern haben Fragen über Fragen. DAZ.online, DAZ und AZ forderten ihre Leser daher kürzlich auf, diese Fragen einzusenden. Wir haben diese sodann gebündelt und verschiedenen Experten zur Beantwortung vorgelegt. 

Hier kommt der zweite Teil der Antworten. Diesmal geht es um Fragen rund um die die Einlösung von (unklaren) Rezepten, Zuzahlungsbescheinigungen, Quittungen und die Arzneimittelabholung. Geantwortet haben die Rechtsanwälte Dr. Timo Kieser und Svenja Buckstegge (Oppenländer Rechtsanwälte Stuttgart), die auch die siebenteilige AZ-Serie „Datenschutz ante portas“ geschrieben haben. 

Oppenländer Rechtsanwälte
Svenja Buckstegge und Dr. Timo Kieser geben Antworten auf Ihre Fragen zur DSGVO.

Frage: Was gilt, wenn es Fragen wegen Unklarheiten einer ärztlichen Verordnung gibt? Braucht man eine (schriftliche) Einverständniserklärung des Patienten, um mit dem Arzt Rücksprache zu halten? Was ist, wenn der Patient nicht mehr in der Apotheke anwesend ist? Dürfen Arztpraxen oder Kliniken überhaupt noch telefonisch Anfragen der Apotheke beantworten? Wenn nein: Wie soll dann die Praxis aussehen?

Antwort: Auf der sicheren Seite ist die Apotheke, wenn sie das Einverständnis des Patienten hat, bei Unklarheiten mit dem verschreibenden Arzt Kontakt aufnehmen zu können. Ein schriftliches Einverständnis ist nicht notwendig. Wenn das Einverständnis schriftlich erteilt wird, erübrigen sich aber Beweisschwierigkeiten der Apotheke. In einem Kundenkartenantrag sollten regelmäßig Formulierungen aufgenommen werden, dass der Apotheker berechtigt ist, mit dem verschreibenden Arzt Kontakt aufzunehmen, wenn es Probleme (Wechselwirkungen, Nebenwirkungen und Unklarheiten etc.) gibt. Das Ganze ist aber kein primär datenschutzrechtliches Thema. Die rechtlichen Schwierigkeiten ergeben sich aus der Verschwiegenheitspflicht nach § 203 StGB und den Verschwiegenheitspflichten in den Berufsordnungen. Datenschutzrechtlich könnte die Rücksprache mit dem Arzt gegebenenfalls über § 17 Abs. 5 Satz 2 ApBetrO gerechtfertigt werden. Danach sind Apotheker gehalten, bei Bedenken bei einer Verschreibung diese zu beseitigen, bevor das Arzneimittel abgegeben wird. Hierzu kann datenschutzrechtlich auch die Kontaktaufnahme mit dem Arzt gehören (Art. 6 Abs. 1  Satz 1  lit. f DSGVO). Bei formaler Betrachtungsweise bedarf es aber wegen § 203 StGB für die Abstimmung mit dem Arzt der Zustimmung des Patienten.

Darf man Zuzahlungsbescheinigungen dem Ehepartner mitgeben?

Frage: Ist es DSGVO­-konform, die Zuzahlungsbescheinigungen für Eheleute dem in der Apotheke persönlich Erscheinenden für dessen Ehepartner mitzugeben? Wie sieht es mit Nachbarn, Kindern, Betreuern aus? Darf man auf Zuzahlungssammelquittungen noch die Arzneimittelnamen aufdrucken?

Antwort: Die Aushändigung von Zuzahlungsbescheinigungen an den jeweiligen Betreuer des Kunden ist möglich. An Kinder und Nachbarn dürfen die Bescheinigungen ausgehändigt werden, wenn die betroffenen Patienten dem zugestimmt haben. Im Zweifelsfall muss die Apotheke diese Zustimmung nachweisen. Gleiches gilt für die Aushändigung an den jeweiligen Ehepartner. Wenn der Ehepartner gleichzeitig Rezepte des anderen Ehepartners einlöst, geht damit wohl konkludent das Einverständnis, die Zuzahlungsbescheinigungen zu erhalten, einher. Ob Arzneimittelnamen auf Zuzahlungssammelquittungen aufgedruckt werden, sollte mit dem Kunden abgeklärt werden. Die DSGVO steht dem nicht entgegen, wenn die Zustimmung der Kunden vorliegt. Zur Erlangung von Zuzahlungsbefreiungen/Berücksichtigung bei der Steuer wird regelmäßig der Arzneimittelname aber nicht notwendig sein. Letztlich erhalten dann Dritte Kenntnis von der Gesamtmedikation, was regelmäßig nicht im Interesse der Patienten ist. Mit dem Auf­druck der Arzneimittelnamen sollte man deshalb zurückhaltend sein.

Frage: Darf man Rezepte von Eheleuten bzw. verschiedenen Personen nacheinander in einem Gesamtauftrag verarbeiten, weil alles zusammen abgeholt und bezahlt wird? Wir buchen die Arzneimittel jeweils unter den entsprechenden Namen ab und es gibt dann einen großen Kassenzettel, der alle Medikamente für alle Personen enthält.

Antwort: Wenn die Rezepte von einer familiär verbundenen Person gemeinsam eingelöst werden, kann vertreten werden, dass eine konkludente Einwilligung in einen Gesamtauftrag vorliegt (insbesondere bei Familie oder Eheleuten). Wenn unterschiedlichste verschiedene Personen zusammengefasst wer­ den, z.B. durch die Einlösung von Rezepten durch einen Pflegedienstes, sind die Aufträge einzeln abzuarbeiten mit einzelnen Kassenzetteln, auch wenn die Arzneimittel zunächst einer Person (Mitarbeiter des Pflegedienstes) mitgegeben werden. Es dürfte sinnvoll sein, generell mit einzelnen personenbezogenen Kassenzetteln zu arbeiten. Probleme werden hierdurch vermieden.

Wenn der Patient nicht mehr in der Apotheke ist, empfiehlt es sich, ihn anzurufen und sein Einverständnis einzuholen. Arztpraxen und Kliniken dürfen telefonische Anfragen grundsätzlich noch beantworten. Wichtig ist, dass es hierfür tatsächlich ein Einverständnis des Patienten gibt. Wenn eine Arztpraxis Anfragen beantwortet und es a) gar nicht die Apotheke ist, die anruft sondern ein Dritter, oder b) ein Einverständnis des Patienten nicht vorliegt, handelt die Arztpraxis mit der Beantwortung rechtswidrig. Sie kann sich deshalb auf den Standpunkt stellen, dass das Einverständnis des Patienten nachgewiesen wird. Hierzu ist ein unterschriebener Kundenkartenantrag, aus dem sich dieses Einverständnis ergibt, geeignet. Realität, Praktikabilität und Rechtssicherheit klaffen weit auseinander. Dies ist aber bei apotheken­/ärzterechtlichen Themen leider kein Einzelfall.

Personenbezogene Daten am Telefon?

Frage: Darf ich bei einem Telefonat personenbezogene Daten aufnehmen, um eine Bestellung auszulösen? Darf dann ein Angehöriger das Rezept zu dieser Bestellung in der Apotheke einlösen, ohne dass eine schriftliche Einwilligung des Patienten vorliegt?

Antwort: Ja, personenbezogene Daten können natürlich auch am Telefon aufgenommen werden. Eine schriftliche Einwilligung des Patienten, dass ein Ange­ höriger oder Dritte die Bestellung abholt, ist nicht notwendig. Generell fordert die DSGVO keine Schriftlichkeit von Einwilligungen. Bei Beweisschwierigkeiten hilft es, wenn eine Einwilligung schriftlich oder jedenfalls in Textform vorliegt. Wenn der Patient allerdings sein Rezept einem Angehörigen mitgibt, damit er es in der Apotheke eingelöst wird, ist dies eine entsprechende konkludente Einwilligung und Ermächtigung. Die vorbestellten Arzneimittel können abgegeben werden. 

Frage: Darf ich überhaupt Abholnummern für Rezeptbelieferungen mitgeben, wo der Name des Patienten draufsteht? Es könnte ja auch ein Angehöriger oder Nachbar das Medikament abholen?

Antwort: Die Aufnahme des Patientennamens auf den Abholnummern sollte vermieden werden. Der Grund ist nicht, dass gegebenenfalls ein Angehöriger oder Nachbar mit dem Abholschein das Medikament abholt. Denn dieser weiß, wenn er vom Patienten beauftragt worden ist, dass das Arzneimittel für die jeweiligen Inhaber ist. Der Patientenname verrät also nichts Neues. Es gilt aber das Gebot der Datensparsamkeit. Daten sollen nur dort verwendet werden, wo es notwendig ist. Die Aufnahme eines Patientennamen auf eine Abholnummer hat, wenn das Abholsystem richtig organisiert ist, kei­nen Zusatznutzen.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

Arztkontakt bei unklarer Verordnung

von Andreas P. Schenkel am 23.05.2018 um 20:57 Uhr

Trifft der Apotheker während des Abgabeprozesses auf eine unklare Verordnung, so ist er aufgrund des § 17 Abs. 5 Satz ApBetrO verpflichtet, das Abgabehemmnis (Irrtum, Unlesbarkeit, Sonstiges) vor der Abgabe zu beseitigen. Ist dies nur durch Kontaktaufnahme mit dem Verschreiber möglich, so ist diese nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. c DSGVO zulässig, da die ApBetrO hier eine rechtliche Verpflichtung erschafft. Ein Einverständnis des Kunden ist somit meiner Meinung nach nicht nötig.

Dadurch, dass sowohl der Apotheker als auf der Verordner derselben Strafnorm des § 203 StGB unterliegen, kommt die Verschwiegenheitspflicht hier nicht zum Tragen, da die beiden Beteiligten über den selben Vorgang reden und sie sich somit wechselseitig nichts offenbaren, was dem jeweils anderen nicht schon bekannt wäre.

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