„Erfinder der Rabattverträge“

AOK sucht nach Nachfolger für Christopher Hermann

Berlin - 21.05.2018, 10:30 Uhr

Gezählte Tage? Der Verwaltungsrat der AOK Baden-Württemberg hat die Stelle vom Vorstandsvorsitzenden Dr. Christopher Hermann ausgeschrieben. (Foto: Imago)

Gezählte Tage? Der Verwaltungsrat der AOK Baden-Württemberg hat die Stelle vom Vorstandsvorsitzenden Dr. Christopher Hermann ausgeschrieben. (Foto: Imago)


Bei einer der größten und für die Apotheker wichtigsten Krankenkassen Deutschlands könnte schon bald ein bedeutender Personalwechsel stattfinden: Nach Informationen von DAZ.online sucht die AOK Baden-Württemberg derzeit einen Nachfolger für den „Erfinder der Rabattverträge“, Dr. Christopher Hermann. Unklar ist, wann Hermann die Kasse verlässt. Rein theoretisch ist auch ein Wechsel zum GKV-Spitzenverband nicht ausgeschlossen.

Eine der größten Krankenkassen Deutschlands ist offenbar auf der Suche nach einem neuen Chef: Nach Informationen von DAZ.online sucht die AOK Baden-Württemberg derzeit einen Nachfolger für Dr. Christopher Hermann. Der Verwaltungsrat der Kasse hat bereits eine Headhunter-Agentur beauftragt, eine/n Nachfolger/-in zu suchen. Spannend ist, welche Eigenschaften der oder die Kandidat/-in erfüllen muss, um die AOK Baden-Württemberg zu leiten.

In der Stellenanzeige heißt es unter anderem: „Im Zuge einer langfristig angelegten Nachfolge suchen wir für die Landeszentrale Baden-Württemberg mit Sitz in Stuttgart einen sowohl fachlich als auch persönlich hochqualifizierten Vorstandsvorsitzenden (m/w).“ Die AOK Baden-Württemberg ist eine der größten regional tätigen Kassen Deutschlands. Sie hat knapp 5 Millionen Versicherte und allein im Ländle etwa 50 Prozent Marktanteil. In den 14 Bezirksdirektionen und der Stuttgarter Zentrale arbeiten derzeit rund 10.000 Beschäftigte.

Hermann gestaltete die Rabattverträge mit den Apothekern

Für die Apotheker ist die Position Hermanns keine unbedeutende: Stellvertretend für alle elf AOKen handelt die AOK Baden-Württemberg mit den Pharmaunternehmen die Rabattverträge aus. Vor etwa elf Jahren war es Hermann, der die Rabattverträge forcierte und fortlaufend mit DAV-Chef Fritz Becker die Abgabemodalitäten in den Apotheken aushandelte. In den vergangenen Jahren arbeiteten Hermann und seine AOK vermehrt an Selektivverträgen, etwa im haus-und fachärztlichen Bereich.

Und so ist es für den neuen AOK-Chef laut Stellenanzeige unerlässlich, solche Vertragsmodelle und die Wirtschaftlichkeit in den Vordergrund zu stellen: „Die Verantwortung ist umfangreich und politisch bedeutsam mit dem Ziel, die Spitzenposition unseres Klienten weiter auszubauen und seiner Funktion entsprechend zu positionieren sowie auszurichten. Hierzu entwickeln Sie Strategien und Konzepte qualitativ, unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte, beispielsweise im Hinblick auf Rahmen- und Rabattverträge, weiter.“

Geht Hermann zum GKV-Spitzenverband?

Aber Hermann hat auch außerhalb seiner Kasse wichtige politische Funktionen. Nicht selten ist er beispielsweise als Einzelsachverständiger im Bundestag zu Fachanhörungen geladen. „Sie sind oberster Repräsentant des Hauses und vertreten die Kasse wirksam gegenüber der Politik, Leistungsanbietern sowie anderen Akteuren des gesetzlichen Krankenkassensystems bzw. dem Dachverband. Die wirtschaftliche Stabilität hat hierbei stets oberste Priorität. In der Wahrnehmung Ihrer Aufgabe stellen Sie Ihren versorgungspolitischen Gestaltungswillen für Neuerungen und Ihre vertragspolitische Kompetenz unter Beweis“, heißt es weiter in der Anzeige.

In jedem Fall müsste die AOK die Stelle auch öffentlich ausschreiben, wenn es konkret wird. Schließlich ist sie eine Körperschaft öffentlichen Rechts. Aber welche Kompetenzen müsste Hermanns Nachfolger mit sich bringen? Wer könnte einen solchen Job machen? Die AOK jedenfalls hat hohe Anforderungen an die Bewerber: „Ihre hohen analytischen Befähigungen und Ihre strategische Kompetenz bilden die Basis für die erfolgreiche Übernahme der Aufgabenstellung. Kommunikations- und Kontaktfähigkeit auf höchstem Niveau, Verlässlichkeit und hohe Flexibilität verbinden Sie mit Integrationsfähigkeit, Durchsetzungskraft und ausgeprägter Dienstleistungsorientierung. Ihnen wird eine herausragende Position mit hohem Gestaltungs- und Handlungsfreiraum sowie die nicht alltägliche Chance geboten, einem bedeutenden Leistungsträger des Gesundheitswesens maßgeblich Ausdruck zu verleihen.“

Wann endet Hermanns Dienstzeit bei der AOK?

Auf Nachfrage von DAZ.online wollte die AOK nicht mitteilen, wann der Wechsel konkret wird. Die Kasse dementiert allerdings auch nicht, dass sie schon nach einem Nachfolger sucht. Ein Sprecher teilte mit: „Es gibt keine Daten und keine Zeitpunkte für ein Ausscheiden von Herrn Dr. Hermann aus der AOK Baden-Württemberg. Der Verwaltungsrat hat beschlossen, eine allgemeine Markterkundung durchzuführen. Bei einer so herausragenden Position wie der von Herrn Hermann steht eine solche frühzeitige Markterkundung für ein verantwortliches Handeln.“

Aber warum verlässt Hermann die AOK? Informationen von DAZ.online zufolge hat der Kassenchef einen Vertrag, der noch mindestens zwei Jahre lang gültig ist. Wer Hermann kennt, der weiß, dass der „Erfinder der Rabattverträge“ aber auch sehr gerne in der Gesundheitspolitik mitspielt. Ausgeschlossen ist also nicht, dass der 63-Jährige noch einmal ein „größeres“ Amt annimmt. Und ein solches könnte sich schon bald anbieten: Denn dem Vernehmen nach wird Johann Magnus von Stackelberg, einer der drei Vorstände des GKV-Spitzenverbandes, in absehbarer Zeit seinen Platz räumen. Das AOK-Lager soll Vorschlagsrecht auf diesen Posten haben. Dieses Szenario  ist zumindest derzeit aber nur theoretisch denkbar, die AOK wollte sich zu diesem Thema gar nicht äußern.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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1 Kommentar

Hermann, und dann?

von Heiko Barz am 21.05.2018 um 11:46 Uhr

Konnten sich die Apotheker mit Hermann noch am Verhandlungstisch ( siehe Becker ) über die katastrophale Rabattarzneimittelsituation "einigen", so wird der "Neue" eine noch aggressivere Taktik verfolgen müssen und Selektivverträge dann mit einzelnen Apotheken- "Organisationen" - wie die dann auch aussehen werden- schließen. Die anderen KKassen werden sich dann, wie schon bei den Industrierabattverträgen,
Ohne eigene große Anstrengungen schnellstens anschließen.
Der RabattarzneimittelGAU wird zum SuperGAU.

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