Bottroper Skandal

Bekannte des „Zyto-Apothekers“ sagen vor Gericht aus

Essen - 18.05.2018, 11:15 Uhr

Am gestrigen Donnerstag waren ein Freund sowie die Ex-Freundin des Zytoapotheker geladen. (Foto: hfd)

Am gestrigen Donnerstag waren ein Freund sowie die Ex-Freundin des Zytoapotheker geladen. (Foto: hfd)


Das Landgericht Essen hatte am gestrigen Donnerstag den laut Zeugen besten Freund des „Zyto-Apothekers“ sowie zwei Frauen geladen: Sie sollten bei der Aufklärung helfen, welchen Einfluss eine Kopfverletzung auf die Psyche des Apothekers Peter S. hatte.

Im Prozess gegen den Bottroper Zyto-Apotheker Peter S. hatte die Verteidigung eine Kopfverletzung, die der Pharmazeut vor gut zehn Jahren erlitt, als Grund für womöglich unbewusste Handlungen vorgebracht. Der psychiatrische Sachverständige Björn Fischer ist daher vom Gericht beauftragt, ein Gutachten zu einer möglichen verminderten Schuldfähigkeit zu erstellen. Nachdem er vor zwei Wochen frühere Kollegen von S. befragt hatte, lud das Gericht nun drei Bekannte.

Der 48-jährige Bauingenieur Georg K. war während des Prozesses von mehreren Zeugen als der wohl beste Freund des vor Gericht bislang schweigenden Zyto-Apothekers beschrieben worden. Er sei zusammen mit Peter S. aufgewachsen und habe diesen während der Studienzeit etwas aus den Augen verloren, sagte K. am Donnerstag. Nachdem der Apotheker wegen des Unfalls im Krankenhaus war, habe sich der Kontakt wieder intensiviert. S. habe gesagt, er sei gestürzt – danach hatte er regelmäßig schwere Kopfschmerzen.

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Als „ausgeglichen und leistungsorientiert“ beschrieb K. seinen Freund zunächst. Doch sei er durch eine hohe Arbeitsbelastung in den letzten Jahren sehr gestresst gewesen. „Wenn über allem die Arbeit schwebt, kommt Privates zu kurz“, sagte der Zeuge vor Gericht. Der Apotheker habe ihn nach dem Unfall gefragt, ob er bei seiner kirchlichen Hochzeit Trauzeuge sein wolle – doch zu der für einige Monate nach der standesamtlichen Trauung geplanten kirchlichen Hochzeit kam es nicht mehr, da S. sich in der Zwischenzeit scheiden ließ. Entscheidungen habe der Apotheker teils „verwunderlich schnell“ getroffen, sagte K.

Im Gerichtssaal verfolgte S. die Verhandlung mit großteils regungslosem Gesichtsausdruck, doch oftmals wachen Augen. Auf die Frage des Sachverständigen, ob S. in der Lage war, Gefühle zu zeigen, bejahte K. dies: Die Scheidung sei für den Apotheker eine Enttäuschung gewesen, auch die Schicksale von Patienten hätten ihn wohl emotional betroffen. Konzentrationsprobleme habe er im Zusammenhang des extremen Stresses gesehen. Materielle Dinge seien ihm wichtig gewesen, doch habe sich das im normalen Bereich bewegt – vielleicht habe sich dies durch den Unfall geändert. Auf die Frage, ob S. schon immer Apotheker werden wollte, erklärte K.: „Ich glaube, das war vorgeschrieben.“

Zeugin nahm S. immer als extrem zuverlässig wahr

Die anschließend geladene 46-jährige Apothekerin Barbara K. hat Peter S. vor gut 15 Jahren bei einer Zyto-Weiterbildung kennengelernt. Bis einige Zeit vor dem Unfall hatte sie eine gut dreijährige Beziehung mit ihm. S. habe sie anschließend – auch wegen anderer Krankheitsprobleme – als nicht mehr so belastbar wahrgenommen, sagte K. vor Gericht. 

„Ich habe ihn immer als extrem zuverlässig wahrgenommen“, sagte die Zeugin, die ihn auch als sehr offenen Menschen beschrieb. S. sei ein Apotheker, „der zu jedem Zeitpunkt zu seinem Wort stand und der auch mit sehr viel Hingabe in seinem Beruf tätig war“, erklärte sie. Sie hätten sich über allgemeine Themen wie  Therapieprotokolle unterhalten, nicht jedoch über die konkrete Arbeit. Über die Bedeutung von Zytostatika für die Patienten sei ihr Ex-Freund sich im Klaren gewesen, soweit sie es wahrgenommen hat, sagte die Zeugin. „Wenn sie sich hinsetzen und eine solche Therapie herstellen, dann haben sie natürlich den Wunsch, dass das Produkt dem Patienten hilft“, sagte sie. „Sonst würde ich ja unser ganzes Berufsbild in Frage stellen.“

S. könne aus ihrer Erfahrung ein sehr geselliger Mensch sein und habe auch mehrere Freunde gehabt, sagte K. „Ich habe ihn immer als einen sehr lebensbejahenden Menschen kennengelernt, der nie gesagt hat, das Glas ist halb leer – sondern eher, das Glas ist halb voll“, sagte die Zeugin. Doch nach dem Unfall sei er durchaus das eine oder andere Mal traurig und bedrückt gewesen. 

Während ihrer Beziehung habe S. die Apotheke weiter entwickeln wollen – mit einem Schwerpunkt zur Versorgung eines Altenheims sowie der Etablierung der Zyto-Zubereitung. Anerkennung sei ihm wichtig gewesen, doch habe sich dies im gewöhnlichen Rahmen bewegt. Laut der Zeugin war S. entscheidungsfreudig, was sie als positiv beschrieb. Anders als andere Zeugen sagte sie, dass er Entscheidungen relativ schnell und dennoch mit viel Weitblick treffen konnte. Auf die nach dem Ende ihrer Beziehung relativ kurzfristige Hochzeit sowie die anschließende Scheidung angesprochen erklärte K., dass er sich womöglich verändert habe. 

PKA bestätigt Veränderungen des Apothekers nach dem Unfall

Da die geschiedene Frau von S. von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machte und nicht vor Gericht erschien, sagte anschließend die 30-jährige PKA Marina T. aus. Sie machte bis 2008 ihre Ausbildung in der Apotheke – zu der Zeit war noch die Mutter von Peter S. Betreiberin, die sie nach der Inhaftierung wieder übernommen hat. Ein halbes Jahr nach Ende der Ausbildungszeit kündigte T. und hatte zunächst wenig Kontakt mehr mit S. Nach dem Unfall sei S. in sich gekehrt gewesen und nicht mehr so witzig wie vorher, sagte die PKA. Was genau passiert sei, wisse sie nicht. „Er ist gestürzt, aber kann sich auch nicht mehr erinnern, soweit ich das weiß“, erklärte sie. 

Doch über eine Verwandte, die weiter für ihn arbeitete, kam wieder Kontakt zustande – und bei einem Treffen im Sommer 2014 fragte Peter S. sie, ob sie wieder bei ihm anfangen wolle. Doch erst nach einigen Treffen stieg sie Anfang November 2016 wieder ein – für ihre Teilzeitstelle mit zehn Stunden Wochenarbeitszeit erhielt sie gut 800 Euro brutto. Nebenher habe sie kein Geld erhalten – und sie wisse auch nichts von Schwarzgeldzahlungen, über die der Ex-Mann einer anderen Mitarbeiterin berichtet hatte.

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Doch gut vier Wochen nach ihrer Einstellung wurde S. inhaftiert. „Erstmal war da ein Riesenschock – das hat niemand für möglich gehalten“, erinnerte sich T. Sie habe erwartet, dass Peter S. wieder aus dem Gefängnis kommt, doch das war nicht so. Obwohl sie am Tag der Inhaftierung frei hatte, wurde sie wie alle Angestellten am Abend in die Apotheke bestellt. Sie bestritt Gerüchte, die Mitarbeiter seien „mundtot“ gemacht worden. „Wir wurden lediglich nur darauf hingewiesen, bitte nichts zu sagen“, erklärte T. – auch da die Mutter selber nichts über die Hintergründe gewusst habe.

Im Gefängnis hat die weiterhin in der Bottroper Apotheke arbeitende PKA ihren früheren Chef nach eigener Aussage einige Male besucht. Auf die Frage, ob sie eine private Beziehung zu S. gehabt habe, schloss das Gericht nach Antrag ihres Zeugenbeistands die Öffentlichkeit für mehr als eine halbe Stunde aus. Der Gutachter Schiffer erklärte am Ende der Verhandlung, dass die bisherigen Befragungen für die Erstellung seines Gutachtens wohl ausreichend sind – er stellte die Finalisierung des Gutachtens für die letzte Maiwoche in Aussicht. Für den heutigen Freitag sind vom Gericht keine Zeugen geladen. Der Vorsitzende Richter Johannes Hidding erklärte, er werde mindestens einen Beschluss verkünden. 



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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