Krebsforschung

Algorithmus findet Störungen im sozialen Netzwerk der Gene

Remagen - 17.05.2018, 10:15 Uhr

Gene bilde Netzwerke. Bei Krankheit verändern sich diese. (Bild: Jürgen Fälchle / stock.adobe.com)                                      

Gene bilde Netzwerke. Bei Krankheit verändern sich diese. (Bild: Jürgen Fälchle / stock.adobe.com)                                      


Krebsforscher konzentrieren sich beim Vergleich von gesunder Zellen und Tumorzellen meist auf bestimmte Gene, ein Ansatz, der aber vermutlich nicht vollständig erklären kann, was hinter den Kulissen der Krebsentstehung passiert. Ebenso wichtig ist es zu untersuchen, wie Gene als Teil eines größeren Netzwerks zusammenarbeiten. US-amerikanische Forscher haben den neuen Algorithmus ALPACA entwickelt, der Veränderungen im Networking der Gene genaustens aufspüren soll.

Störungen in der Struktur von Gen-Netzwerken können zu Krankheiten führen. Um die Krankheiten besser zu verstehen, müssen also die Veränderungen im regulatorischen Netzwerk der Gene genau identifiziert werden. Die Molekular- und Zellbiologin Megha Padi vom Krebszentrum der Universität Arizona und John Quackenbush, Direktor des Center for Cancer Computational Biology am Dana-Farber Cancer Institute in Boston/Massachussetts haben für diesen Zweck gemeinsam einen neuen Computer-Algorithmus mit Namen ALPACA (ALtered Partitions Across Community Architectures) entwickelt. Er soll aufspüren, welche Gen-Netzwerke in einer kranken Zelle besonders aktiviert werden, ein Ansatz, der zu besseren Therapien für verschiedene Krankheiten führen könnte. Die Ergebnisse wurden in dem Fachjournal Systems Biology and Applications veröffentlicht.

Gen-Gemeinschaften bilden soziale Netzwerke

Die Erstautorin der Studie Padi untersucht die Gen-Gemeinschaften in der gleichen Weise man ein soziales Netzwerk untersuchen würde, das heißt Verbindungen zwischen Menschen, die einander kennen. In einer Mitteilung präzisieren die Forscher, was damit gemeint ist: „Auf die gleiche Weise wie die Kommunikation unter verschiedenen Familienmitgliedern stattfindet, sehen wir, dass die Regulationsnetzwerke der Gene Gemeinschaften bilden. Sie kooperieren, um Rohstoffe zu verarbeiten, die die Zelle für ihre Funktion braucht. Die Gesprächsmuster dieser Gemeinschaften ändern sich, wenn gesunde Menschen krank werden. In einer kranken Zelle führen Missverständnisse am „Fließband" zu defekten Produkten.“ Die Verfolgung, wie die Kommunikation unter den Genen sich im Laufe der Zeit verändert, könnte Anhaltspunkte liefern, wie Krebs entsteht, so ihre Vermutung.

ALPACA soll erkennen, wie das Zellnetzwerk im Krankheitszustand umorganisiert wird

Um Krebs-Ursachen aufzudecken, konzentrieren sich die beiden Wissenschaftler also weniger auf Unterschiede zwischen einzelnen Genen als auf Unterschiede zwischen Gen-Gemeinschaften in gesunden Zellen im Vergleich zu kranken Zellen. Diese zu identifizieren, ist jedoch leichter gesagt als getan, denn für die Genetik, die dem Krebs zugrunde liegt, müssen Zehntausende von interagierenden Komponenten durchsucht werden. Bislang gibt es keine robusten Methoden, mit denen Unterschiede in der Netzwerkstruktur quantifiziert werden könnten. Hier hat der computationale Biologe und Bioinformatiker Quackenbush seine Expertise eingebracht.

ALPACA soll die erste Methode sein, die ergründen kann, wie das „soziale Netzwerk“ einer Zelle im Krankheitszustand umorganisiert wird. In Simulationen hat der Algorithmus zu differenzierteren, sensibleren und robusteren Ergebnissen geführt als bisherige Methoden für die Suche nach krankheitsassoziierten Modulen in regulatorischen Netzwerken. Die Wissenschaftler glauben, dass die Decodierung, wie Netzwerk-Module neue Funktionen fördern, zu einem besseren Verständnis des Verhältnisses zwischen Genotyp und Phänotyp führen könnte. 

„Böse Jungs" gezielt einkreisen

„Wir möchten das, was wir gelernt haben, dazu verwenden, um neue Strategien zur Prävention und zur Heilung von Krankheiten zu entwickeln“, sagt Quackenbush. Padi ist besonders daran interessiert, mit ALPACA neuartige Behandlungsmethoden für Menschen zu finden, deren Krebs auf derzeit verfügbaren Therapien nicht anspricht. Durch die Gegenüberstellung von chemoresistenten und chemosensitiven Tumoren hoffen die Forscher Gemeinschaften von „bösen Jungs" einkreisen zu können, das heißt konkret genetische Pathways, die mit maßgeschneiderten Medikamenten angegriffen werden könnten.

Die Einbeziehung von Methoden zur Analyse sozialer Netzwerke über ALPACA ist eine innovative Nutzung von Tools, die ansonsten vor allem mit dem Marketing in Verbindung gebracht werden und nicht mit der medizinischen Forschung. „Diese Art der Forschung ist selten, weil nicht viele Leute gleichzeitig auf beiden Feldern arbeiten“, stellt Padi fest.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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