Gespräche mit Standesvertretern

Jens Spahn bleibt ein Rätsel für die Apotheker

Berlin - 16.05.2018, 10:05 Uhr

Auch nach zwei Monaten und mehreren Gesprächen mit den Standesvertretern wissen die Apotheker nicht, wo die Reise mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hingeht. (Foto: Imago)

Auch nach zwei Monaten und mehreren Gesprächen mit den Standesvertretern wissen die Apotheker nicht, wo die Reise mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hingeht. (Foto: Imago)


Die Treffen zwischen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und der Apothekerschaft mehren sich. Am gestrigen Dienstagabend erschien der Minister auf dem ABDA-Sommerfest in Berlin, am Montag traf er Gabriele-Regina Overwiening und weitere Vertreter der Apothekerkammer Westfalen-Lippe. Wie schon nach dem Treffen mit der ABDA-Spitze wurde auch nach diesem Gespräch Stillschweigen über die „brenzligen“ Inhalte vereinbart. Was Spahn im Apothekenmarkt vorhat, wird somit zunehmend zum Rätsel.

Seit ziemlich genau zwei Monaten ist Jens Spahn (CDU) nun Bundesgesundheitsminister. Was den Apothekenmarkt betrifft, galt Spahn schon vorher immer als kritischer Kopf, der offen für Veränderungen ist. Umso gespannter haben die Apotheker in den vergangenen acht Wochen verfolgt, wie er sich als neu ernannter Minister gegenüber den Apothekern verhält – zumal sein Vorgänger Hermann Gröhe mithalf, ihm ein ordentliches „Pfund“ in den Koalitionsvertrag zu setzen: das Rx-Versandverbot.

Doch während Spahn sich weiterhin rege und aktiv in allgemeinpolitische Themen einmischt, die Zukunft der elektronischen Gesundheitskarte hinterfragt, ein Versichertenentlastungsgesetz vorlegt und sich in zahlreichen Interviews zur ärztlichen Versorgung und zur Pflege äußert, scheint er den brenzligen Apothekenthemen zumindest am Anfang seiner Amtszeit komplett aus dem Weg zu gehen.

Stillschweigen, Stillschweigen, Stillschweigen

So schaute die gesamte Branche vor einigen Wochen gespannt nach Berlin, als sich Spahn erstmals mit der ABDA-Spitze im Bundesgesundheitsministerium traf. Bei den vergangenen Treffen zwischen Gesundheitsministern und der ABDA wurde zumeist schnell klar, worum es ging. Im Herbst 2016 war es beispielsweise Gröhe selbst, der nach dem ABDA-Treffen offen kommunizierte, dass er ein Rx-Versandverbot als Reaktion auf das EuGH-Urteil für richtig halte. Anders bei Spahn: Weder aus dem BMG selbst noch von der ABDA wurden nach dem Meeting Inhalte kommuniziert. Ganz im Gegenteil: Es wurde ein beiderseitiges Stillschweigen vereinbart.

Immerhin äußerte sich Spahn dann kurz im Gesundheitsausschuss zum Apothekenmarkt. Die Grünen-Fraktion wollte vom Minister wissen, wie er denn mit dem Rx-Versandverbot im Koalitionsvertrag umgehen werde. Spahns Reaktion soll zweifelnd gewesen sein, außerdem halte er das Apothekenhonorar für reformbedürftiger als den Versandhandelskonflikt. Nächstes Kapitel im Spahn-Rätsel: Das ABDA-Sommerfest am gestrigen Dienstagabend in Berlin. Gegen 19.00 Uhr betritt der Minister die von der ABDA für das Fest gebuchte Kirche im Berliner Stadtteil Kreuzberg, schnell wird er von einigen Standesvertretern belagert. Zu mehr als einem netten Smalltalk kommt es aber nicht, gegen 19.15 Uhr verlässt der Minister das Fest wieder.

Spahn trifft Kammerpräsidentin Overwiening

In dieses Bild passt dann auch das Treffen zwischen Spahn und Gabriele Regina Overwiening. Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe teilte am heutigen Mittwoch mit, dass am vergangenen Montag ein Treffen zwischen Spahn und der Kammerpräsidentin stattgefunden hat. Beide kommen aus der gleichen Gegend, Spahns Heimat Ahaus liegt nicht weit entfernt vom Kammersitz in Münster. Schon als Spahn gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion war, trafen sich beide des Öfteren zum Austausch. Wer nach dem jüngsten Treffen nun darauf gehofft hatte, dass Spahn im Apothekenbereich endlich aus der Deckung kommt, der hat sich geirrt. Recht vage heißt es in der Kammermitteilung, dass die „Digitalisierung und Fragen der wohnortnahen Versorgung“ thematisiert worden seien. Das einzige Zitat vom Minister ist: „Wir sollten die zunehmende Digitalisierung unserer Lebenswelten nicht als Gefährdung betrachten, sondern als große Chance sehen, die Versorgung der Patienten zu verbessern.“  Was die wohnortnahe Versorgung und den Rückgang der Apothekenzahl betrifft, soll Spahn laut Mitteilung verdeutlicht haben, dass „ein flächendeckendes Apothekennetz nicht nur anhand der Gesamtzahl der Apotheken, sondern auch an deren Verteilung zu beurteilen sei“. Mehr gibt es nicht.

Wer Overwiening kennt, weiß, dass die Kammerpräsidentin aus Westfalen-Lippe auch bei kritischen Themen kein Blatt vor den Mund nimmt, auch mal Dinge ausspricht, mit denen sie in der Apotheken-Öffentlichkeit anstößt und auch Politiker gerne kritisch angeht. Kurzum: Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die Kammerpräsidentin Themen wie den Versandhandelskonflikt oder das Apothekenhonorar im Gespräch mit dem Minister ausgeklammert hat. Doch auch Overwiening schweigt zu diesen Themen, auch auf Nachfrage will die Kammer keine Details aus dem Minister-Gespräch verraten.

In der Pressemitteilung der AKWL wird Overwiening wie folgt zitiert: „Wir Apothekerinnen und Apotheker können und werden hierzu einen großen Beitrag leisten, um durch digitale Lösungen die Versorgung der Menschen durch die wohnortnahe Apotheke zu sichern und weiter auszubauen.“ Zur sinkenden Apothekenzahl erklärte Overwiening in der Mitteilung, dass es in der Kammerregion Westfalen-Lippe fast 300 Apotheken weniger als noch vor 15 Jahren gebe, die Gesamtzahl liege nunmehr bei 1959. Aber: „Eine Bedarfsplanung ist für den Apothekenmarkt nicht erforderlich“, sagte die Kammerpräsidentin.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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5 Kommentare

Was will Herr Spahn?

von Heiko Barz am 16.05.2018 um 20:08 Uhr

Ich habe schon an anderer Stelle geäußert, dass der GM Spahn ausschließlich Zeit gewinnen will. Er wartet auf Daten seiner Zuträger, die er dann für seine Interessenssphäre auswerten kann, in dieser Sphäre spielen wir Apotheker nur keine Rolle. Und dann wird er stolz die Vernichtung des Deutschen Apothekers als gewichtiges Kanzlerargument auf sein Schild heften. Das ist das was er will!

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Das große Schweigen

von Dr.Diefenbach am 16.05.2018 um 12:56 Uhr

Hierzu gibt es nur ein Wort :Unverschämtheit .Ich frage mich wozu all diese Geheimnisträger gewählt wurden.Stellt zB eine Kammerpräsidentin SO ihre Wichtigkeit dar wie im Artikel beschrieben.Was nicht vergessen werden darf.Sie muss ha von ihrer Organisation beauftragt sein.Warum äußert sich ,dies betrifft auch alle anderen Bundesländer,kaum bis nie einer der anderen Delegierten??WIR haben doch diese KollegInnen gewählt ?Man kann vermuten,dass ein schräger Deal im Raume steht,ummantelt mit "Zukunftsperspektiven" in großem Ausmaß .Eine Anhebung des Honorars,tippe ich,wird es nicht geben.Eine Absenkung des Kassenzwangsrabattes ??Was wird aus Kammerbeiträgen bei weniger Zahlbeteiligten (eine rhetorische Frage)-Fest steht:Auch die uns Vertretenden betreiben teilweise völlig inakzeptable Verhaltensmuster.Dass die Apotheke in der heutigen Form für viele kein Modell der Zukunft ist,man sage es doch offen.

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Spahn ein Rätsel ?

von Conny am 16.05.2018 um 12:34 Uhr

Nee , für mich nicht.Sein Kumpel ist Max Müller. Nur für Narren ist Spahn ein Rätsel !

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Schluss jetzt, bevor es zu spät ist

von Wolfgang Müller am 16.05.2018 um 12:16 Uhr

Kollegin Patzest hat Recht. So geht es nicht weiter. Ich bin mittlerweile davon überzeugt, dass da jede/r Fürst/in sein/ihr höchst eigenes pseudo-elitäres Kammer-Süppchen kocht. Und ziemlich sicher nicht UNSER Süppchen. Nämlich nicht das der normalen, einfachen, vor Ort ohne überambitioniertes Gedöns trotzdem bestens AMTS- und Kunden/Patienten-orientierten, trotz Allem noch überlebenswilligen "Traditions-Apotheken" (ein schöner Begriff für eine schöne Sache, finde ich).

Ich bin mittlerweile auch fest davon überzeugt, dass die ganze "Geheimhaltung" hauptsächlich von unseren eigenen Leuten kommt. Siehe "Arbeitsgruppe Honorar", geheim seit sieben (?!) Jahren.

Geheimhaltung wohl, damit irgendein Horror-Umverteilungs-oder Einschreibepatienten-Vorschlag zur Zerbröselung des Fixhonorars zu Gunsten "Neuer (unprofitabler?) Dienstleistungen" nicht von irgendwelchen minderqualifizierten Inferiores wie uns gerade jetzt hier "zerredet" wird. Bevor "auf höchster Ebene" Fakten geschaffen wurden. Das ist ENTSETZLICH.

DAV/vor Allem Fritz Becker (und vielleicht Klaus Michels?), übernehmen Sie, es ist höchste Zeit. Kammern (und damit schon auch die ABDA ...) haben in unserer Honorar- und Rx-Versands-Thematik nichts zu suchen.

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Ich fordere

von Christiane Patzelt am 16.05.2018 um 11:08 Uhr

hiermit all meine KollegInnen auf, die Beiträge für Verbände und Kammern nur unter Vorbehalt zu bezahlen, bis ENDLICH mal einer sagt, was Phase ist!

Zu einem Schweigen unsererseits (Streik,Tür zu,Licht aus) fordere ich euch nicht auf, weil eh keiner mitmacht! ABER, sich diesen Mist gefallen lassen müssen wir uns auch nicht!

Redeverbot gibts in China und Nordkorea!! Wo leben wir denn?

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