Revisionsbesuch in der Apotheke

Gefahrstoffe: Worauf der Pharmazierat achtet

Berlin - 07.05.2018, 15:00 Uhr

Mit viel Humor und praxinahen Beispielen berichtete die Landespharmazierätin von Schleswig-Holstein, Grit Spading, von ihrem Revisionsalltag. (Foto: LAK Brandenburg)

Mit viel Humor und praxinahen Beispielen berichtete die Landespharmazierätin von Schleswig-Holstein, Grit Spading, von ihrem Revisionsalltag. (Foto: LAK Brandenburg)


Sind die Chemikaliengefäße korrekt gekennzeichnet? Wo liegen Ihre Gefährdungsbeurteilungen? Auf diese und weitere Revisionsfragen bereitete Pharmazierätin Grit Spading Apotheker am vergangenen Samstag in Brandenburg vor. Auch lernten die Teilnehmer, bei welchen Chemikalienwünschen Apotheker hellhörig werden und die Abgabe überdenken sollten.  

Bekommen Sie Schweißperlen, wenn der Pharmazierat nach den Gefährdungsbeurteilungen oder Ihren Gefahrstoffetiketten fragt? Gerade das, womit man nicht täglich in der Apotheke hantiert, scheinen Amtsapotheker besonders interessant zu finden. Auf der Fortbildung „Stofferprobt und Bombensicher“ machte die Landespharmazierätin von Schleswig-Holstein, Grit Spading, am vergangen Samstag in Potsdam rund 90 Apotheker zum Gefahrstoffrecht in der Apotheke fit.

Beliebte Tagesordnungspunkte bei einem Revisionsbesuch sind laut Spading die Gefährdungsbeurteilungen und die sich daraus ableitenden Betriebsanweisungen. Deren Erstellung liegt unter Verantwortung des Apothekenleiters, der diese Aufgabe delegieren kann. Zwar stehen im Internet Vorlagen und Formulare zur Verfügung, doch der Inhalt der Dokumente muss zum Leistungsspektrum der Apotheke passen. Werden dort beispielsweise Zytostatika hergestellt oder mit Blutproben hantiert, müssen diese Tätigkeiten in den Unterlagen vorkommen. Fehlen die Gefährdungsbeurteilungen, liegt gemäß der Gefahrstoffverordnung eine Ordnungswidrigkeit vor.  

Gefahrstoffetiketten in der Apotheke

Des Weiteren nehmen Amtsapotheker gerne die Gefahrstoffkennzeichnung von Rezeptur- und Abgabegefäßen unter die Lupe. Dass die Kennzeichnungsvorschriften vor rund 10 Jahren auf das Globally Harmonized System of Classification (GHS) umgestellt wurden, sei noch nicht in jeder Apotheke angekommen, berichtete Spading aus ihrer Inspektionserfahrung. Die Übergangsfristen für die Umstellung sind inzwischen abgelaufen: Zuletzt durften bis 1. Juni 2017 Gemische, die vor dem 1. Juni 2015 in Verkehr gebracht wurden, abverkauft werden.

Neu sind die nach dem GHS-System zu verwendenden neun Piktogramme, die sich allerdings nur geringfügig von den alten Gefahrensymbolen unterschieden. Wer im Studium noch die R- und S-Sätze gelernt hat, muss diese gedanklich durch die „Hazard (H)- und Precautionary (P)- Statements“ austauschen. Hinzugekommen sind auch die sogenannten Signalwörter „Gefahr“ und „Achtung“, die zusätzlich für bestimmte Stoffe neben den Piktogrammen verbindlich auf das Etikett müssen. Da von dem Signalwort „Gefahr“ die größere Warnwirkung ausgeht, kann bei einem Gemisch das Signalwort „Achtung“ entfallen, wenn bereits eine gefährlichere Komponente enthalten ist.  

Checkliste für das Abgabeetikett

Werden Gefahrstoffe oder ihre Gemische, beispielswiese im Rahmen einer Rezeptur, an Privatpersonen abgegeben, gelten zusätzliche Schutzvorschriften. So ist bei Privatpersonen der kindersichere Verschluss obligat. Für die Abgabe an Privatpersonen ist es auch verpflichtend, auf dem Etikett die „Blindentastmarke“,  ein erhabenes gleichschenkliges Dreieck, anzubringen. Der kindersichere Verschluss und die Blindentastmarke entfallen für Rezepturstandgefäße oder bei der Abgabe an Arztpraxen.  

Nicht zu vergessen sind auch die Anschrift der Apotheke mit Telefonnummer sowie die EG-Nummer der Chemikalie.

Doch das Abgabeetikett ist aus Sicht von Spading noch eine relativ einfache Übung, denn dieses lasse sich mit Hilfe verschiedener Gefahrstoffprogramme zeitsparend elektronisch gestalten. Noch mehr Aufmerksamkeit erfordern die Abgabemodalitäten für verschiedene Chemikalien, deren Einhaltung sich mit einem Blick ins Abgabebuch überprüfen lässt.

Chloroform und H2O2: Was geht und was nicht?

So ist nach Anhang 17 der REACH-Verordnung die Abgabe aliphatischer Chlorkohlenwasserstoffe nur für Forschungs- und Lehrzwecke erlaubt. Zahnärzte, die früher Chloroform zum Anlösen von Zahnfüllungen einsetzten, dürfen dies aus der Apotheke nicht mehr bekommen.  Alternativ sei Eucalyptol für diesen Verwendungszweck geeignet.

Seit dem 27. Januar 2017 haben sich die Abgabevorschriften für Wasserstoffperoxidlösungen, die höher als 12 Prozent konzentriert sind, verschärft. Hintergrund ist, dass sich mit einer 30-prozentigen Wasserstoffperoxidlösung zusammen mit Aceton und Schwefelsäure ein hochexplosiver Sprengstoff herstellen lässt, der auch im Zusammenhang mit Terroranschlägen bekannt ist. Jäger verwenden jedoch gerne 30-prozentige Wasserstoffperoxidlösung zum Bleichen von Geweihen. Sollte die Jagd nicht im Auftrag eines Dienstherren wie etwa der Gemeinde ausgeführt werden, darf der Jäger maximal 12-prozentige Wasserstoffperoxidlösung bekommen.

Nach dem Grundstoffüberwachungsgesetz gehören auch Kaliumpermanganat, Natriumchlorat, Kaliumchlorat und Kaliumperchlorat zu den Ausgangsstoffen zur Herstellung von Spreng- und Explosivstoffen. Für Kaliumpermanganat sind zwar auch medizinische Anwendungen denkbar, wie etwa antiseptische Sitzbäder. „Trotzdem sollten Sie sich genau anschauen, wer diese Stoffe verlangt“, warnte Spading. Einer Gruppe von Jugendlichen, die kurz vor Sylvester größere Mengen der oben genannten anorganischen Salze für ihre „Chemiehausaufgaben“ kaufen möchte, könne man als Apotheker auch mal die Abgabe verweigern.

Sachkunderegelung

Doch wer darf überhaupt Chemikalien abgeben? Bisher galt, dass die Approbation zum Apotheker sowie die Ausbildung zur PTA automatisch und unbefristet die Sachkunde zur Gefahrstoffabgabe beinhaltet. „Doch Ihre Sachkunde verfällt neuerdings automatisch nach sechs Jahren“, berichtete Spading. Denn ab dem 1. Juni 2019 muss das pharmazeutische Personal nach § 14 der Chemikalienverbotsverordnung alle sechs Jahre den Nachweis der Sachkunde durch eine eintägige Fortbildung erneuern.

Voraussichtlich werden nicht alle Kammern diese Sachkundefortbildung künftig anbieten. So haben sich beispielsweise die Apothekerkammern kritisch geäußert. Denn die Inhalte werden dabei von der Landwirtschaftskammer vorgegeben und seien wenig apothekenspezifisch. Zudem erstrecke sich dieses Fortbildungsangebot nur auf einen kleinen Teilbereich der Apothekentätigkeit und der bürokratische Aufwand für teilnehmende Kammern nach § 11 Chemikalienverbotsverordnung seihoch.



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

"Alkohol ist mein Sanitäter in der Not!"

von Thorsten Dunckel am 09.05.2018 um 9:40 Uhr

Gefährdungsbeurteilung der Aufstiegshilfen, Re-Prä-Qualifizierung, EU-Datenschutzgrundverordnung ... Warum nur habe ich bei der Lektüre dieses Pamphletes gerade so einen irren Lachflash bekommen?
Die Fortbildung wird von den Kammern dankenswerterweise kostenlos angeboten; genauso wie Retaxationen in Zukunft nicht mehr vorkommen. Der externe Datenschutzbeauftragte, der Revisor, der externe Auditor, der Arbeitsschutzbeauftragte ... verzichten in Zukunft auf Entnahmen aus meinem Selbstbedienungsladen (Apotheke) ... was war ich noch? Ach ja ein FREIER Heilberufler!
Ich werde mir gleich einmal die Gefährdungsbeurteilung von Ethanol überarbeiten und ergänzen um den Punkt "Zurücksetzen auf Werkseinstellung" ... Schönen Vatertag!!!

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Chemikalienabgabe

von Ratatosk am 07.05.2018 um 18:58 Uhr

Wer ist denn noch so be...., daß er Chemikalien abgiebt ?
Hier hat die Bürokratie über den Bürger gesiegt !
Sollen die Kunden das doch auch gerne wie die Grünen es wollen übers Internet bestellen, wir sind ja eh zu blöd, so daß wir trotz Studium alle 6 Jahre alles nochmal mit den Azubis vom Baumarkt und Baywa neu lernen müssen.

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