Urteil zur Selbsttötung

FDP hinterfragt rechtlichen Rahmen bei Suizid-BtM

Berlin - 04.05.2018, 16:45 Uhr

Wie ist mit dem Thema Suizid-BtM umzugehen? Ein Jahr nach einem entscheidenen Urteil befinden sich Patienten, Ärzte und Apotheker immer noch in einer Grauzone. (Foto: Imago)

Wie ist mit dem Thema Suizid-BtM umzugehen? Ein Jahr nach einem entscheidenen Urteil befinden sich Patienten, Ärzte und Apotheker immer noch in einer Grauzone. (Foto: Imago)


Ein gutes Jahr ist seit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Sterbehilfe vergangen. Demzufolge soll das BfArM künftig darüber entscheiden, ob unheilbarkranke Suizidwillige in einer extremen Notlage ein tödliches Betäubungsmittel erhalten können. Apotheker und Ärzte bewegen sich dabei in einer rechtlichen Grauzone. Die FDP-Bundestagsfraktion fragt nun, welchen gesetzgeberischen Handlungsbedarf die Bundesregierung sieht.

Soll eine Behörde beim Sterben helfen? Das Urteil vom 2. März 2017 vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) sieht vor, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) den Erwerb eines Betäubungsmittels zur Selbsttötung in extremen Ausnahmefällen nicht verwehren darf.  

Die Behörde stand dem BVerwG-Urteil kritisch gegenüber und beauftragte den ehemaligen Bundesverfassungsrichter Professor Udo Di Fabio, ein Gutachten zu erstellen. Di Fabio kam Anfang dieses Jahres allerdings zu dem Schluss, dass das Urteil verfassungsrechtlich nicht haltbar sei. Die Arzneimittelbehörde prüft derzeit das Gutachten.

Grauzone für alle Beteiligten

Derzeit befinden sich die behandelnden Ärzte sowie die Apotheker, die das Natrium Pentobarbital abgeben, in einer juristischen Grauzone. Denn nach §217 des Strafgesetzbuches (StGB) ist die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung strafbar. Auch die Antragssteller wissen nicht, woran sie sind. Mehreren Medienberichten zufolge stapeln sich beim BfArM inzwischen 98 unbearbeitete Anträge von terminal kranken Patienten, die sich zum Freitod entschlossen haben.  

Die FDP-Bundestagsfraktion möchte nun von der Bundesregierung Antworten auf zentrale juristische Fragen im Rahmen der Sterbehilfe erhalten. In ihrer aktuellen kleinen Anfrage wollen die Freien Demokraten unter anderem wissen, wie die Regierung mit dem BVerwG-Urteil grundsätzlich umgehen wolle. Beispielsweise ob ein sogenannter Nichtanwendungserlass, der das Urteil vorerst aushebeln könne, beabsichtigt sei. Oder ob die Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag auf Normbestätigung stellen wolle, um die Verfassungskonformität des BVerwG-Urteils zu überprüfen. Diese beiden Maßnahmen hatte auch der Verfassungsrechtler Di Fabio in seinem Gutachten vorgeschlagen.

Ist das BfArM geeignet?

Des Weiteren hinterfragen die Freien Demokraten die Rolle des BfArMs bei dieser sensiblen Entscheidung. So möchte die FDP wissen, wie die Bundesregierung dazu steht, dass die Arzneimittelbehörde über den Erwerb von Suizid-BtM entscheiden soll. Und wie nach Meinung der Regierung das BfArM feststellen könne, ob etwa das Kriterium einer extremen Notlage für den Antragssteller gegeben sei.  

Zudem fragen die Liberalen, ob nach Auffassung der Bundesregierung externe Sachverständige an dem Verfahren beteiligt werden sollen und welche Rolle die Fachaufsicht über die Behörde spiele. Außerdem fragen sie, ob die Regierung Handlungsbedarf sieht, das Verfahren zum Erwerb von Natrium-Pentobarbital konkret auszugestalten. Denn bisher ist das Urteil noch nicht in der Verwaltungspraxis angekommen. 

Die Arzneimittelbehörde geht übergangsweise nach eigenen Angaben wie folgt vor:  „Vorbehaltlich einer endgültigen Klärung der Verfassungsmäßigkeit des Urteils wurden beziehungsweise werden die Antragsteller vom BfArM angeschrieben und um die Vorlage von Unterlagen gebeten, die für die Antragsbearbeitung zwingend erforderlich sind. Gegebenenfalls werden für die Bewertung auch externe Experten eingebunden, sodass insgesamt eine Prognose über den Zeitpunkt einer individuellen Entscheidung nicht pauschal möglich ist.“

Kriterien für den Antrag auf Na-Pentobarbital

Doch welche Voraussetzungen müssen für den Erwerb eines letalen Betäubungsmittels erfüllt sein? Laut dem BfArM ergeben sich die Kriterien für den Antrag aus dem BVerwG-Urteil. In diesem heißt es, dass eine extreme Notlage für den unheilbar Kranken bestehen muss. Und diese bestehe unter anderem, wenn der Suizidwillige keine andere „zumutbare Möglichkeit zur Verwirklichung des Sterbewunsches“  hat. Und was unter einer „zumutbare Möglichkeit“ zu verstehen ist, ist ein weiterer Gegenstand der FDP-Anfrage. Auch interessieren sich die Liberalen dafür, welche Beratungsmöglichkeiten Antragssteller in Deutschland haben.

Können sich Apotheker strafbar machen?

Ein weiteres Anliegen der Liberalen ist die Rechtssicherheit für Heilberufe. Denn sie fragen die Regierung, ob sie einen gesetzgeberischen Handlungsbedarf bezüglich §217 StGB sieht oder ob dieser gar reformiert werden solle.  

Nach Ansicht des Verfassungsrechtlers Di Fabio sollten Apotheker bei der Abgabe von Natrium-Pentobarbital eigentlich keine straffrechtlichen Konsequenzen befürchten. Denn der § 217 StGB stelle explizit die „geschäftsmäßige“ Förderung der Selbsttötung unter Strafe. Unter Geschäftsmäßigkeit verstehen Juristen, dass der Handelnde beabsichtigt, den entsprechenden Tatbestand in gleicher Art zu wiederholen beziehungsweise zu einem festen Bestandteil seiner beruflichen Tätigkeit zu machen. Diese Konstellation sieht Di Fabio für den Extremfall im Sinne des BVerwG-Urteils nicht gegeben. Allerdings räumt der Verfassungsrechtler in seinem Gutachten ein, dass abweichende Interpretationen nicht auszuschließen seien, da der § 217 StGB, der vor drei Jahren eingeführt wurde, noch eine „recht junge Norm“ sei.  

Seiner Ansicht nach sind Apotheker auch nicht verpflichtet, das Natrium Pentobarbital überhaupt abzugeben. Denn ein Kontrahierungszwang nach Apotheken-Betriebsordnung sei nur gegeben, wenn ein ärztliches Rezept vorliegt und nicht etwa bei einer Ausnahmegenehmigung durch das BfArM. Nach Auskunft des BfArMs ist es allerdings noch nicht abschließend geklärt, mit welchen Dokumenten sich ein Sterbewilliger nach Erhalt der Genehmigung in der Apotheke ausweisen soll, um das Natrium-Pentobarbital zu erwerben.



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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