Brief an die EU-Kommission

Bundesländer wollen keine europäische Nutzenbewertung

Berlin - 04.05.2018, 07:00 Uhr

Im Bundesrat haben die Länder beschlossen, gegen die von der EU-Kommission vorgeschlagene EU-Nutzenbewertung zu protestieren. (Foto: Imago)

Im Bundesrat haben die Länder beschlossen, gegen die von der EU-Kommission vorgeschlagene EU-Nutzenbewertung zu protestieren. (Foto: Imago)


Die EU-Kommission hat mit ihrem Vorschlag, die Nutzenbewertungen für Arzneimittel und Medizinprodukte in Europa vereinheitlichen zu wollen, für viel Aufregung gesorgt. Nachdem der Bundestag gegenüber der EU eine Subsidiaritätsrüge ausgesprochen hat, protestieren nun auch die Bundesländer: In einem Brief an die Bundesregierung und an die Kommission erklärt der Bundesrat unter anderem, dass die EU mit diesem Schachzug ihre Kompetenzen überschreite.

Das EU-Kommissariat für Gesundheit hatte Ende Januar ein Papier vorgelegt, das in der gesamten Pharmabranche für erhebliche Diskussionen sorgte. In einem Richtlinien-Entwurf hatte die Kommission vorgeschlagen, alle Nutzenbewertungssysteme für Arzneimittel und Medizinprodukte in den EU-Mitgliedsstaaten gleichzustellen. Dem EU-Vorschlag zufolge sollen künftig Experten aus allen Staaten in einer Koordinierungsgruppe zusammenkommen, um über den Zusatznutzen von Arzneimitteln und Medizinprodukten zu entscheiden. Die EU-Staaten müssen diese Beschlüsse umsetzen.

Ende März beschloss der Bundestag dann eine sogenannte Subsidiaritätsrüge. Gegenüber der EU-Kommission sprach sich das Parlament dafür aus, die verpflichtenden EU-Nutzenbewertungen nicht einzuführen. Die Regierungsfraktionen sowie alle Oppositionsfraktionen stimmten für einen entsprechenden Antrag, den Union, SPD, Grüne und FDP gemeinsam und fraktionsübergreifend gestellt hatten. Inzwischen haben sich auch einige andere Länder offiziell bei der EU-Kommission über den Entwurf beschwert.

Aus Deutschland wächst nun die Kritik. Denn auch die Bundesländer haben sich im Bundesrat auf eine Entschließung geeinigt, in der der Vorschlag der EU-Kommission aus mehrerlei Hinsicht kritisiert wird. Grundsätzlich unterstützen die Länder zwar das Ziel der EU, „die bereits bestehende Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten bei der Bewertung von Gesundheitstechnologien zu intensivieren“. Und auch eine stärkere Harmonisierung bei der Nutzenbewertung von Arzneimitteln auf EU-Ebene „könnte den Zugang von Patientinnen und Patienten zu innovativen Arzneimitteln in Europa verbessern“ und Doppelarbeit verhindern, heißt es in dem Beschluss.

Länder: Eine Kompetenzüberschreitung der EU

Das war es aber auch schon mit der Zustimmung. Denn die „intendierte vollständige Harmonisierung von HTA-Instrumenten, -Verfahren und -Methoden sowie der in Artikel 8 des Verordnungsvorschlags vorgesehenen verbindlichen gemeinsamen klinischen Bewertung von Arzneimitteln und Medizinprodukten" sei nichts weiter als ein Eingriff in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für ihre Gesundheitssysteme. Die Länder sehen es auch kritisch, dass die Mitgliedstaaten so ein Mitspracherecht bei der Preisfindung für Arzneimittel in Deutschland bekämen.

Außerdem sehen die Länder eine Kompetenzüberschreitung: „Nach Ansicht des Bundesrates fehlt der Kommission eine Gesetzgebungskompetenz hinsichtlich der nationalen Mittelzuweisung im Sozialversicherungsrecht. Die im Vorschlag angegebene Ermächtigungsgrundlage verleiht der EU nur die Kompetenz für Gesetzesvorhaben zur Rechtsangleichung des Binnenmarktes“, heißt es in der Entschließung. Ferner befürchten die Länder, dass der Marktzugang für Arzneimittel durch die verpflichtende vorgelagerte EU-Bewertung in einzelnen Mitgliedstaaten nicht nur nicht erleichtert, sondern eher sogar erschwert werden könnte.

Zusammenarbeit ja, mehr Bürokratie nein

Trotzdem stehen die Bundesländer zu ihrer Aussage, dass sie eine engere Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten bei der Nutzenbewertung grundsätzlich begrüßen. Allerdings wollen sie vermeiden, dass diese grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu neuen bürokratischen Pflichten etwa bei Pharmaunternehmen führen könnte. Man müsse sicherstellen „dass eine weitergehende freiwillige Zusammenarbeit tatsächlich zu einer Entbürokratisierung führen und keine weiteren (Doppel-) Strukturen auf EU-Ebene aufbauen sollte, die zusätzlichen Verwaltungsaufwand in Deutschland auf Ebene des Bundes und gegebenenfalls auch der Länder nach sich führen könnten. Es wäre infolgedessen auch mit negativen Auswirkungen auf deutsche Unternehmen und Standorte der Gesundheitswirtschaft zu rechnen.“

Ihren Beschluss haben die Länder sowohl der Bundesregierung als auch der EU-Kommission zukommen lassen.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

EU-Kommission legt Verordnungsentwurf für gemeinsame Nutzenbewertung vor

Europa kratzt an der Macht der Kassen

EU-Parlament nimmt Kommissionsvorschlag mit Änderungen an

Nächster Schritt zur EU-Nutzenbewertung

Arzneimittel und Medizinprodukte

EU will Nutzenbewertungen vereinheitlichen

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.