16. Sächsischer Apothekertag

Alzheimer-Forschung: Keine Heilung in Sicht

Radebeul - 26.04.2018, 13:40 Uhr

Große Hoffnungen hinsichtlich großer Fortschritte in der Demenzforschung weckte die Fortbildung beim 16. Sächsischen Apothekertag nicht. (Foto: beeboys / stock.adobe.com)

Große Hoffnungen hinsichtlich großer Fortschritte in der Demenzforschung weckte die Fortbildung beim 16. Sächsischen Apothekertag nicht. (Foto: beeboys / stock.adobe.com)


Demenz und ihre Herausforderungen für Medizin und Gesellschaft standen im Mittelpunkt des 16. Sächsischen Apothekertages. Fazit: Die Wirksamkeit von Antidementiva ist bislang begrenzt, obwohl die Alzheimer-Forschung verschiedenste Ansätze verfolgt. Letztlich gibt es jedoch vergleichsweise wenig klinische Wirkstoffstudien – und es fehlt an wirklich innovativen Forschungsansätzen.

Der 16. Sächsische Apothekertag, der am 21. April in Radebeul stattfand, hatte den Themenschwerpunkt „Demenz als gesellschaftliche, ethische und medizinische Herausforderung“. Integriert war ein Fortbildungsprogramm für Apotheker mit Vorträgen zu den medizinischen Grundlagen verschiedener Demenzformen und den entsprechenden Therapiemöglichkeiten. Die Referentin Dr. Susanne Schiek,  Bereichsleiterin Geriatrische Pharmazie der Universität Leipzig, ging unter anderem auf die Ergebnisse der aktuellen Alzheimer-Forschung und die Wirksamkeit von Antidementiva ein. Im Mittelpunkt standen die Fragen: Wohin geht die Forschung? Und wird Demenz eines Tages heilbar sein?

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Alzheimer-Forschung: Wie sieht die Zukunft aus? 

Die Frage nach der Heilbarkeit von Demenz ist von großer gesellschaftlicher Relevanz. So hatte im Jahre 2013 in London das Treffen der damaligen Gesundheitsminister der G8-Staaten einen ehrgeizigen Entschluss gefasst. In der „G8 Demenia Summit Declaration“ wurde festgeschrieben, dass durch eine Bündelung weltweiter Expertisen die Heilung bzw. Krankheitsmodulierung von Demenz spätestens im Jahre 2025 möglich sein solle. Als wichtiger Strategiepunkt wurde die Zugänglichkeit von Forschungsergebnissen im Sinne eines „open access“ genannt.  

Dr. Susanne Schiek nahm diese politische Forderung zum Anlass, um in ihrem Vortrag den tatsächlichen Stand der Alzheimer-Forschung zu verdeutlichen und die Aussichten für die Zukunft zu beschreiben. Sie stellte sowohl die bereits therapeutisch genutzten Therapieansätze mit Cholinesterasehemmern und dem NMDA-Antagonisten Memantin zur symptomatischen Therapie vor als auch krankheitsmodifizierende Strategien. Neue Strategien wie der Einsatz der neuen Wirkstoffklasse der 5-HT6-Antagonisten wurden ebenfalls angeführt. Die Wirkungen der neuen Strategien seien jedoch teilweise sehr gering und ließen sich oft nicht genau erklären. So falle zum Beispiel auch der Effekt durch die 5-HT6-Antagonisten eher gering aus, so Schiek einschränkend. 


Erfolge der Forschung vergleichsweise dünn 

Schiek gab trotz einer Vielzahl von Ideen zur Bekämpfung der Alzheimer-Demenz zu bedenken, dass die Erfolge der bisherigen Forschung vergleichsweise dünn seien und zu häufig zu Therapieversagen führten. So seien im Zeitraum von 2002 bis 2012 durchgeführte Studien mit kurativen Ansatz zu 99,6 Prozent gescheitert. Schiek begründete dies u.a. damit, dass die Forschung zu fokussiert auf bestimmte Erklärungsansätze zur Entstehung von Morbus Alzheimer sei. Sie resümierte, dass diese Ansätze „wohl nicht ganz die richtigen“ sein könnten.

Schiek betonte, dass die Mehrzahl der Studien zurzeit Phase-II-Studien seien. Bis auf leichte kognitive Verbesserungen in einigen dieser Studien, seien die Ergebnisse eher enttäuschend. „Meistens müssen wir sagen, es bringt nichts“, bedauerte sie.

Wenige klinische Wirkstoffstudien

Außerdem gäbe es vergleichsweise wenige klinische Wirkstoffstudien in der Demenz-Forschung. Die Zahl der Studien im Bereich Alzheimer falle verglichen mit Forschungsbereichen wie der Krebsforschung oder der Behandlung von kardiovaskulären Erkrankungen sehr gering aus. Im Jahre 2017 hätte es zum Beispiel in der Alzheimer-Forschung nur 28 Wirkstoffe gegeben, die sich in Phase-III-Studien befanden. Viel zu wenige Studien angesichts der politischen Forderung, Demenz bis zu Jahre 2025 zu heilen. 

Die Diagnose „Demenz“ stellt meist einen dramatischen Einschnitt im Leben der Betroffenen – und auch ihres Umfeldes – dar. Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft geht jährlich von ca. 300.000 Neuerkrankungen in Deutschland aus. Der demografische Wandel lässt einen weiteren Anstieg vermuten. Schon im Jahre 2014 hätten ca. 1,6 Millionen Demenzkranke in Deutschland gelebt. Die meisten Betroffenen seien über 65-jährige. Aber es gibt auch jüngere Menschen, die an einer der Demenz-Arten erkranken, was sie vor besondere Herausforderungen stellt, da gerade sie auf Grund ihres jungen Alters „noch mitten im Leben stehen“. Ein weiteres Problem ist, dass die Diagnose „Demenz“ meist erst sehr spät im Krankheitsverlauf gestellt wird – zu spät, um mit einer Medikation die Auswirkungen der Demenz noch wirkungsvoll beeinflussen zu können.  

Alzheimer-Demenz bald heilbar? 

Unter dem Begriff „Demenz“ wird eine Reihe von Erkrankungen zusammengefasst, die mit einem Abbau bzw. Verlust kognitiver Fähigkeiten und Alltagskompetenzen sowie mit der Veränderung einzelner Persönlichkeitsmerkmale einhergehen. Die Alzheimer-Demenz gehört mit ca. 65 Prozent der Fälle zu den häufigsten Demenzformen. Zur Entstehung bestehen viele Hypothesen und Theorien. Sie fußen meist auf der Beobachtung, dass die Gehirne von Alzheimer-Patienten atrophiert sind und einen irreversiblen Verlust von Neuronen erleiden. Histologisch fallen zwei Dinge auf: 1. die Ablagerung von extrazellulären Aβ-Amyloid-Plaques und 2. intrazelluläre Neurofibrillenbündel, die neurofibrillären Tangles, die pathologische Aggregate aus hyperphosphorylierten Tau-Proteinen darstellen. 

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Genau an diesen Beobachtungen setzen die meisten medikamentösen Strategien zur Bekämpfung der Alzheimer-Demenz an – bisher mit mäßigem Erfolg. So ist eine vielverfolgte Annahme, die Amyloid-Plaques der Alzheimer-Gehirne müssten eliminiert werden, dann sei auch die Demenz beseitigt. Schiek erläuterte in ihrem Vortrag, dass es verschiedene Therapieansätze gäbe, die letztlich immer auf diese Bekämpfung der Plaques hinausliefen. Doch es sei letztlich nicht klar, ob die Plaques nicht eventuell eine Schutzmaßnahme des Organismus darstellten, da es das lösliche Aβ-Amyloid sei, das zellschädigend wirke. Die Plaques könnten also auch eine Art Gegenreaktion des Körpers auf zu viel lösliches Aβ-Amyloid sein. Die Forschung wisse nur, dass bei Alzheimer-Patienten Amyloid-Plaques, Tau-Fibrillen und eine Demenz zu finden seien. Wie aber die einzelnen Faktoren zusammenspielen, sei noch nicht hinreichend erforscht.

Die Forschung, so Susanne Schiek, setze zudem zu spät an und der Fokus auf den Amyloid-Plaques sei zu eng gefasst, denn Morbus Alzheimer sei eine multifaktorielle Krankheit und die Plaques nur ein Baustein davon. Schiek beantwortete dementsprechend die Leitfrage ihrer Vortrages nach Heilbarkeit von Alzheimer mit einer ernüchternden Feststellung: Ihrer Einschätzung nach wird es in absehbarer Zeit keine Arzneimittel geben, die die Alzheimer-Demenz heilen oder signifikant verlangsamen können. 



Inken Rutz, Apothekerin, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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