

Berlin - 16.04.2018, 10:00 Uhr
Goldman Sachs rät der Pharmaindustrie davon ab, Medikamente zu entwickeln, die Krankheiten vollständig heilen. Denn gesunde Menschen schmälern den Geldfluss, meinen die Analysten. (Foto: Imago)
Nach Informationen eines amerikanischen Nachrichtensenders empfehlen Analysten von Goldman Sachs der Biotech-Branche, lieber nicht in kurative Therapieansätze zu investieren. In dem Marktbericht „Die Genom-Revolution” erklärt die Investmentbank, weshalb Heilung den Geldfluss beeinträchtigen kann.
Innovative Therapien, die zur vollständigen Heilung führen, sind nach allgemeinem Verständnis erstrebenswert. Die Investmentbank Goldman Sachs scheint anderer Meinung zu sein und stellt in ihrer aktuellen Marktstudie vom 10. April 2018 die provokante Frage: „Lohnt es sich, Menschen zu heilen?“ „Vor wenigen Tagen berichtete der amerikanische Finanznachrichtensender „Consumer News and Business Channel“ (CNBC) über „Die Genom-Revolution“, welche aktuelle Empfehlungen der Investmentbank für ausgewählte Kunden aus der Biotechnologiebranche bereit hält.
In dieser Studie schreibt die Goldman Sachs Analystin Salveen Richter: „Das Potential, Behandlungen zu entwickeln, die schon nach einer Anwendung die Heilung vollbringen, ist der attraktivste Aspekt der Gentechnik. Allerdings sind solche Behandlungen ganz anders zu betrachten, wenn es darum geht, ein bleibendes Einkommen zu erzielen.“
Für Goldman Sachs schmälern Behandlungen, die zu einer kausalen Heilung führen, den langfristigen Geldfluss (Cash-Flow). Als Beispiel zitierte Richter ein Hepatitis C-Arzneimittel von Gilead Sciences, das Heilungsraten von 90 Prozent bewerkstelligt.
Nach anfänglichem Umsatzhoch sanken die Einnahmen für das Biotech-Unternehmen, meinte die Finanzexpertin. „Bei Infektionskrankheiten wie beispielsweise Hepatitis C verringert die Heilung die Zahl der verfügbaren Patienten sowie der Virusüberträger“, erläuterte Richter.
Wenn Heilung nicht das Primärziel sein soll, worauf sollen sich Biotech-Unternehmen dann fokussieren? Für diese Frage hat die Investmentbank mehrere Antworten parat. So seien beispielsweise Krebserkrankungen laut Goldman Sachs ein lukrativer Markt, weil bei diesen Indikationen die Patientenzahl über einen längeren Zeitraum stabil bliebe.
Darüber hinaus geben die Analysten ihren Pharmakunden drei strategische Ansätze auf den Weg:
Mit ihrer Marktstudie behandelt Goldman Sachs als fachfremde Institution ein hochsensibles Thema. In sozialen Netzwerken stößt die Denkweise der Analysten verständlicherweise auf vielfache Empörung. So schreibt ein Twitter-User (übersetzt aus dem Englischen): „Woher hat Goldman Sachs das Recht zu fragen, ob die Heilung von Menschen mittels Gentherapie lohnenswert ist?" Ein weiterer Nutzer drückt sich deutlicher aus: „Heilung ist kein Geschäftsmodell. Selbst wenn ich versuche, das differenziert zu sehen, muss ich kotzen.“
Als „menschenverachtend und unwürdig“ empfindet es ein Facebook-Nutzer, dass die Investmentbank die Pharmaindustrie davon abbringen will, heilende Medikamente zu entwickeln. Auch die bisherigen deutschsprachigen Medienberichte sind kritischer Natur. Beispielswiese bezeichnet die Huffington Post die Goldman Sachs-Studie als „abartig“ und der Merkur stuft diese als „unmoralisch“ ein.
3 Kommentare
Gilead
von Stefan Boehnke am 28.01.2020 um 4:24 Uhr
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Gelungener Artikel - jetzt sind wir alle empört
von Benjamin Zang am 18.04.2018 um 19:30 Uhr
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AW: Gelungener Artikel - jetzt sind wir alle
von Cliff am 15.09.2019 um 13:14 Uhr
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