Leipziger Startup-Unternehmen

Gutscheine für die Altarzneimittel-Abgabe in Apotheken

Berlin - 06.04.2018, 07:00 Uhr

In Leipzig testet das Startup Binee derzeit Sammelboxen in Apotheken zur Abgabe von Altarzneimitteln - die Kunden werden dafür mit einem Gutschein belohnt. (Foto: Martin Jaehnert, binee©)

In Leipzig testet das Startup Binee derzeit Sammelboxen in Apotheken zur Abgabe von Altarzneimitteln - die Kunden werden dafür mit einem Gutschein belohnt. (Foto: Martin Jaehnert, binee©)


Der Startschuss zum neuesten Umweltprojekt des Leipziger Start-up-Unternehmens Binee ist gefallen – und die erste Apotheke ist mit an Bord. Ziel: Durch Aufstellung von speziell entwickelten Sammelboxen mit integriertem Belohnungssystem sollen Anreize zur korrekten Entsorgung von Altarzneimitteln geschaffen werden. Leipzig ist der perfekte Ort für das Projekt, denn die Entsorgung von Altarzneimitteln über den Hausmüll ist dort verboten.

Am 22. März – pünktlich zum Weltwassertag – war es soweit: Die erste sogenannte medibinee-Sammelbox wurde in der Leipziger Thomas-Apotheke aufgestellt. Insgesamt sollen zunächst 30 Boxen in Leipzig und weitere 20 in Nordrhein-Westfalen aufgestellt werden. Seit 2016 wurde dieses speziell für die Annahme von Altarzneimitteln entwickelte System von dem Leipziger Start-up „binee UG“ in Zusammenarbeit mit dem Wasser- und Energieversorger Gelsenwasser AG entwickelt. Ziel: Die Gewässerbelastung durch unsachgemäß über die Toilette oder den Ausguss entsorgte Altmedikamente soll verringert werden.

Die medibinee-Sammelbox ist das neueste Projekt des im Umweltschutz engagierten Recycling-Start-ups. Martin Jaehnert, Gründer von „binee UG“, bekräftigt im Gespräch mit DAZ.online: „Das Unternehmen wurde gegründet, um Umweltthematiken zum Thema zu machen.“ Die Sammelbox solle vor allem bewirken, dass die Gewässer nicht zu stark durch Medikamentenrückstände belastet werden. „Nicht ins Abwasser mit den Arzneimitteln ist das Wichtigste am Projekt“, erläutert Jaehnert dementsprechend.

Wie funktioniert das medibinee-Sammelsystem?

Das medibinee-Sammelsystem soll unter anderem über ein werbefinanziertes Gutscheinsystem Anreize zur Nutzung der Boxen schaffen. Die Entsorgung von alten Medikamenten in die Box kann, wenn der Kunde dies wünscht, durch einen frei zu wählenden Gutschein eines der am Projekt beteiligten Gutscheinpartner belohnt werden. Die Hypothese hinter diesem Konzept: „Viele Leute wollen wahrscheinlich belohnt werden und Gutscheine sind ein Element“, erklärt Martin Jaehnert. Zugleich erläutert er, dass sich das Projekt über diese Werbefinanzierung tragen werde. Gleichzeitig solle diese Finanzierungsart ermöglichen, dass für Apotheker – abgesehen von den Stromkosten für das integrierte Tablet – keine weiteren Kosten anfallen.

Die in der Grundfläche 30 mal 30 Zentimeter großen Boxen sind mit einem Eingriffschutz gesichert und verfügen über ein Display, an dem die Kunden die Gutscheine frei wählen können. Von den Apotheken gut sichtbar für die Kunden aufgestellt, kann auf diese Weise die Aufmerksamkeit auf das Thema gelenkt werden. So sieht auch Apothekenleiterin Martina Müller von der Thomas-Apotheke genau in dieser Sichtbarkeit einen der größten Vorteile: „Die Neugierde wird geweckt.“ Zugleich müsse aber aufgepasst werden, was in die Boxen entsorgt wird, da sich auch Dinge darunter befinden können, zum Beispiel Quecksilberthermometer oder Spritzen, die nicht in die Boxen gehören. Angesichts der Problematik der Gewässerverunreinigung mit Arzneiresten begrüßt Martina Müller ausdrücklich, diese Umweltthematik mehr in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken – und die Boxen seien eine gute Möglichkeit dazu.

Leipzig: Entsorgung von Arzneimitteln über Hausmüll verboten

Leipzig sei der ideale Ausgangspunkt für das Projekt, denn in Leipzig sei die Entsorgung von Altmedikamenten über den Hausmüll nicht gestattet, beschreibt Martin Jaehnert die Ausgangssituation. Laut Angaben der Stadtreinigung Leipzig können abgelaufene oder nicht mehr benötigte Arzneimittel bei einer stationären Schadstoffsammelstelle oder den Schadstoffmobilen abgeben werden. Außerdem bestehe die Möglichkeit der Abgabe bei am freiwilligen Rücknahmesystem beteiligten Apotheken. 

Im Falle der Aufstellung der medibinee-Boxen komme die Stadtreinigung nach Erreichen eines Volumens von 240 Litern zur kostenlosen Abholung in die Apotheken, beschreibt Jaehnert das weitere Vorgehen. Einzig müsse in der Apotheke eine Zwischenlagermöglichkeit vorhanden sein, da die Boxen für dieses Volumen zu klein seien, gibt er zu Bedenken. Die Stadt führe die Arzneimittel im Anschluss einer Sondermüllverbrennung zu. Eine mögliche höhere Kundenbindung durch Sichtbarmachen der Serviceleistung Arzneimüllentsorgung, könne der Anreiz für Apotheker sein, Sammelboxen aufzustellen. Die Resonanz angefragter Apotheken sei dementsprechend positiv – so das Resümee von Jaehnert zum aktuellen Stand des Projektes. 

Kommentar zum Thema

Problematiken der Altarzneimittelentsorgung

Die Entsorgung von Altarzneimitteln ist in Deutschland von Bundesland zu Bundesland und Kommune zu Kommune unterschiedlich geregelt. Mal soll der Arzneimüll im Hausmüll entsorgt werden, mal zum Apotheker gebracht oder alternativ bei den Sammelstellen der Recyclinghöfe abgegeben werden. Entsprechend unterschiedlich fallen die offiziellen Empfehlungen aus. Sicher aber ist: In den Abguss oder die Toilette gehören Medikamente nicht. Das Problem: Auch moderne Kläranlagen können die im Abwasser vorhandenen Arzneimittelreste nicht restlos beseitigen. So kommt es zu einer Belastung der Gewässer, die das empfindliche Ökosystem Wasser gefährden kann. Eine korrekte Entsorgung alter Medikamente ist umso wichtiger.

Allerdings sind viele Bürger laut Umfragen nicht ausreichend über die korrekte Entsorgung von Arzneimitteln informiert. Eine Umfrage aus dem Jahre 2013 ergab laut Umweltbundesamt (UBA), dass 47 Prozent der Befragten zumindest flüssige Arzneimittel gelegentlich über das Abwasser entsorgen. Zu einem ähnlichem Ergebnis kam auch eine repräsentative Umfrage der Hamburger Umweltbehörde von 2017: Mehr als 40 Prozent der befragten Hamburger entsorgen mindestens ein Medikament pro Jahr über die Toilette oder den Abguss. Zudem gaben nur knapp 22 Prozent der Befragten an, dass sie sich ausreichend über korrekte Entsorgungsmöglichkeiten von Arzneimüll informiert fühlen. 



Inken Rutz, Apothekerin, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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