Heuschnupfen und Asthma

Allergien nehmen im Lebensverlauf eher zu 

Stuttgart - 05.04.2018, 09:10 Uhr

Wie entwickeln sich allergische Erkrankungen im weiteren Lebensverlauf von Kindern? Auch das hat die KiGGS-Studie des RKI untersucht. (Foto: Miroslav Beneda / stock.adobe.com) 

Wie entwickeln sich allergische Erkrankungen im weiteren Lebensverlauf von Kindern? Auch das hat die KiGGS-Studie des RKI untersucht. (Foto: Miroslav Beneda / stock.adobe.com) 


Die dritte Auswertung der KiGGS-Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland zeigt nicht nur, dass jedes siebte deutsche Kind unverändert zu dick ist; sie zeigt auch, dass unverändert viele Kinder unter Asthma und Heuschnupfen leiden. Positiv sei, dass immer mehr spezifische Immuntherapien bei älteren Kindern durchgeführt werden. Dennoch scheinen Allergien mit dem Alter eher mehr als weniger zu werden.

Die KiGGS-Studie gehört zum Gesundheitsmonitoring des RKI (Robert Koch-Institut). Dabei handelt es sich um wiederholt durchgeführte, für Deutschland repräsentative Querschnitterhebungen bei Kindern und Jugendlichen im Alter von null bis 17 Jahren. Die Basiserhebung fand bereits zwischen 2003 und 2006 als Untersuchungs- und Befragungssurvey statt. Zwischen 2009 und 2012 erfolgte dann ein weiterer Befragungssurvey, die KiGGS Welle 1. Die Daten zur aktuellen KiGGS Welle 2 wurden von 2014 bis 2017 wieder als kombinierter Untersuchungs- und Befragungssurvey erhoben.


Nach wie vor sind mehr als eine Million Kinder und Jugendliche von Heuschnupfen und annähernd eine halbe Million 3- bis 17-Jährige von Asthma betroffen.

Journal of Health Monitoring, 2018 3(1) DOI10.17886/RKI-GBE-2018-010, RKI, Berlin 


Im Monat März wurde in den Medien viel über die unverändert hohen Zahlen an übergewichtigen Kindern, Bewegungsmangel und Zucker-Konsum berichtet. Vor allem Kinder mit niedrigem sozialökonomischen Status sind laut KiGGS 2 gefährdet. Doch nicht nur beim Übergewicht gibt es eine „Stabilisierung auf hohem Niveau“. Auch bei Asthma und Heuschnupfen kann keine Entwarnung gegeben werden: „Nach wie vor sind mehr als eine Million Kinder und Jugendliche von Heuschnupfen und annähernd eine halbe Million 3- bis 17-Jährige von Asthma betroffen.“ 

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Allergische Erkrankungen wie Heuschnupfen und (allergisches) Asthma zählen bei Kindern und Jugendlichen zu den häufigsten chronischen gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Seit etwa der Mitte des 20. Jahrhunderts ist die Häufigkeit allergischer Erkrankungen in westlichen Industrienationen gestiegen. Zunächst steil, dann flach. Jetzt scheinen sich die Zahlen in Deutschland auf hohem Niveau zu stabilisieren. 

Mehr Heuschnupfen mit zunehmendem Alter

Die Basiserhebung der KiGGS-Studie lieferte zwischen 2003 und 2006 die Ausgangswerte, mit denen die in den Jahren 2014 bis 2017 erhobenen Prävalenzen aus der KiGGS Welle 2 nun verglichen wurden. Die 12-Monats-Prävalenz von ärztlich diagnostiziertem Heuschnupfen bei drei- bis 17-Jährigen beträgt nahezu unverändert 9,9 Prozent (9,6 Prozent in der Basiserhebung). Jungen sind häufiger betroffen als Mädchen. Zudem nimmt die Prävalenz bei beiden Geschlechtern mit dem Alter zu. 

Zwischen sieben und 13 Jahren leiden mehr Jungen an Asthma

Für ärztlich diagnostiziertes Asthma beträgt die Zwölf-Monats-Prävalenz bei drei- bis 17-Jährigen 4,0 Prozent und hat sich damit gegenüber der Basiserhebung nicht wesentlich erhöht (3,7 Prozent). Mädchen sind unverändert seltener von Asthma betroffen als Jungen (3 Prozent versus 5 Prozent), während bei Jungen ein Anstieg in der Asthma-Prävalenz in den Altersgruppen sieben bis zehn Jahre (5,7 Prozent versus 4,1 Prozent) und elf bis 13 Jahre (7,1 Prozent versus 5,7 Prozent) zu verzeichnen ist.

Kinder erhalten spezifische Immuntherapie mittlerweile häufiger

Zum Zeitpunkt der Basiserhebung erhielten 24,3 Prozent der älteren Kinder und Jugendlichen (elf bis 17 Jahre) eine SIT (spezifische Immuntherapie). Mittlerweile werden 30,1 Prozent der Kinder und Jugendlichen mit ärztlicher Heuschnupfen- oder Neurodermitis-Diagnose, nach einem positiven Allergietest, mit einer SIT behandelt. „Die Zunahme an durchgeführten spezifischen Immuntherapien als einzig kausale Therapie bei älteren Kindern mit Heuschnupfen- oder Neurodermitiserkrankung ist positiv zu bewerten“, schreibt das RKI im Fazit. Auch die Leitlinie zur spezifischen Immuntherapie bei allergischen Erkrankungen empfiehlt zur Reduktion von Neusensibilisierungen und zur Verminderung des Asthmarisikos einen frühen Therapiebeginn im Kindes- und Jugendalter. 

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Nicht immer hyposensibilisieren

Viel mehr Sensibilisierungen neu entwickelt als zurückgebildet

Der Nachweis allergischer Sensibilisierungen hat allein noch keinen Krankheitswert, deutet aber auf ein erhöhtes Risiko für allergische Erkrankungen hin. In der epidemiologischen Allergieforschung stellt man sich die Frage, inwieweit Sensibilisierungen im Lebensverlauf bestehen bleiben, neu entstehen oder auch zurückgehen. Von besonderem Interesse sind dabei Inhalationsallergene, die Heuschnupfen und Asthma bronchiale begünstigen. Die Datenlage dazu, wie wahrscheinlich die Transition einer Sensibilisierung in eine manifeste allergische Erkrankung ist, ist begrenzt.

Die KiGGS-Studie liefert nun neue Daten: Basierend auf Messungen spezifischer IgE-Antikörper gegen eine Allergenmischung (SX1), wurden Übergangswahrscheinlichkeiten von Nicht-Sensibilisierung zu Sensibilisierung und umgekehrt berechnet. Dazu wurden die Daten der Basiserhebung mit den neuen Daten verglichen: 2041 Mädchen und 2143 Jungen wurden untersucht – sie waren zum Zeitpunkt der ersten Messung drei Jahre und älter. Die Allergenmischung (SX1) enthielt dabei die acht häufigen Inhalationsallergene von Lieschgras, Roggen, Birke, Beifuss, Katze, Hund, Hausstaubmilbe und dem Schimmelpilz Cladosporium herbarum

„Senioren können keine Allergien bekommen…“ Falsch!

Am 14. März postete die Deutsche Atemwegsliga e.V. auf Facebook einen Artikel der Stuttgarter Zeitung: „Alter schützt vor Heuschnupfen nicht.“ Darin kommt der Allergologe Torsten Zuberbier von der Charité in Berlin zu Wort, er leitet auch die Europäische Stiftung für Allergieforschung: „Die Allergien an sich verschwinden nicht, sondern die Symptome bessern sich oft nach der Pubertät.“ Im mittleren Erwachsenenalter können allergischer Schnupfen, Asthma oder Neurodermitis dann wieder verstärkt auftreten. „Immer mehr Menschen auch jenseits des 70. Lebensjahres stellen sich in unserer Ambulanz mit neu entdeckten Atemwegsallergien vor“, schildert Zuberbier.

Bei Basiserhebung waren 30 Prozent der Mädchen und 39 Prozent der Jungen ab drei Jahren gegen mindestens eines von den acht genannten Inhalationsallergenen sensibilisiert. 89 Prozent der Mädchen und 95 Prozent der Jungen bleiben auch nach zehn Jahren sensibilisiert. Bei elf Prozent der Mädchen und bei sechs Prozent der Jungen war die frühe Sensibilisierung in der neuen Auswertung nicht mehr nachweisbar.

Allergie-News der vergangenen Monate

Kinder, die bei der Basiserhebung noch keine Sensibilisierung vorwiesen, entwickelten mit einer Übergangswahrscheinlichkeit von 21 Prozent (Mädchen) und 29 Prozent (Jungen) eine neue Sensibilisierung. Das Fazit der KiGGS-Studie lautet: „Im Lebensverlauf haben sich viel mehr SX1- Sensibilisierungen entwickelt als zurückgebildet.“ Bezüglich der Häufigkeit IgE-vermittelter allergischer Erkrankungen, spiegelten sich damit die charakteristischen Unterschiede nach Geschlecht und Alter wider. Zudem untermauerten die Ergebnisse die Notwendigkeit, die Ursachen weiter zu erforschen.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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