Preisbildung für Rezepturen

NARZ-Chef Graue fordert Kündigung der ganzen Hilfstaxe

Bremen - 04.04.2018, 07:00 Uhr

Jörn Graue, Chef des NARZ und des Hamburger Apothekervereins, fordert nach dem Schiedsspruch zur Zytostika-Vergütung, die Hilfstaxe komplett aufzukündigen. (Foto: tmb)

Jörn Graue, Chef des NARZ und des Hamburger Apothekervereins, fordert nach dem Schiedsspruch zur Zytostika-Vergütung, die Hilfstaxe komplett aufzukündigen. (Foto: tmb)


Ausgehend vom Streit um die Abrechnungsregeln für Zytostatikazubereitungen fordert der NARZ-Vorsitzende Dr. Jörn Graue, die Hilfstaxe insgesamt zu kündigen, also auch für klassische Rezepturen. Dazu verweist er auf einen Beschluss der DAV-Mitgliederversammlung, der schon seit 2012 bestehe.

Der Schiedsspruch zur Abrechnung für Zytostatikazubereitungen vom Januar hat die Zytostatika herstellenden Apotheker tief getroffen. Der Verband der Zytostatika herstellenden Apothekerinnen und Apotheker (VZA) hat den Deutschen Apothekerverband (DAV) schon im März aufgefordert, die Anlage 3 zur Hilfstaxe unverzüglich zu kündigen. Jörn Graue, Vorsitzender des Norddeutschen Apothekenrechenzentrums (NARZ) und des Hamburger Apothekervereins, geht nun noch einen Schritt weiter und fordert, die Hilfstaxe insgesamt zu kündigen. Dies würde neben den Zytostatikazubereitungen auch die klassischen Rezepturen und damit alle Apotheken betreffen. 

Kündigung schon 2012 beschlossen

Dabei offenbarte Graue zudem ein erstaunliches Detail, das die Diskussion unter den Berufspolitikern vorantreiben dürfte. Die DAV-Mitgliederversammlung habe schon 2012 die Kündigung der Hilfstaxe beschlossen. Dies erklärt Graue im Editorial der jüngsten Ausgabe des NARZ-Mitgliedermagazins „eFaktum“, die in der Woche vor Ostern erschien. Dort fordert Graue, der Schiedsstellenentscheid zu Zytostatikazubereitungen vom 19. Januar sollte als Aufhänger dienen, um den Beschluss von 2012 „endlich in die Tat umzusetzen und die Hilfstaxe zu kündigen“. Als Begründung führt Graue an: „Es reicht! Und wenn nicht jetzt, wann wollen wir dann für deren (gemeint ist die Hilfstaxe, Anmerkung d. Red.) grundlegende Korrektur streiten?“ Graue ergänzt dazu, eine solche Kündigung würde keineswegs in einen ungeregelten Zustand steuern. Denn die Arzneimittelpreisverordnung sehe Rezepturaufschläge auf tatsächliche Einkaufspreise vor.

Preise in der Hilfstaxe überaltert

Gegenüber DAZ.online erläuterte Graue den Hintergrund. Die in der Hilfstaxe festgelegten Einkaufspreise für Inhaltsstoffe und Primärverpackungen klassischer Rezepturen wurden vor vielen Jahren vereinbart und seien längst unrealistisch. Wenn also gemäß Arzneimittelpreisverordnung mit den tatsächlichen Einkaufspreisen taxiert würde, ergäben sich meist deutlich höhere Preise für Rezepturen. Als krasses Beispiel nannte Graue Alkohol für Rezepturzwecke.

Arbeitsleistung honorieren

In der Hilfstaxe stehen noch immer die Preise für unversteuerten Alkohol, den jedoch inzwischen kaum noch eine Apotheke beziehe, weil die Mindestmenge dafür unrealistisch hoch sei. Graue bekräftigte gegenüber DAZ.online, der DAV habe schon seit 2012 das Mandat, die Hilfstaxe insgesamt zu kündigen. Spätestens mit dem Streit um die Zytostatika-Taxierung sei dies nun ein fälliger Schritt.

Auch in seinem Editorial bei „eFaktum“ verknüpft Graue den aktuellen Streit um die Zytostatika-Taxierung mit der lange überfälligen Aktualisierung der gesamten Hilfstaxe. Der Schiedsspruch zu Zytostatika sieht abhängig von den Wirkstoffen unterschiedliche Abschläge vor und unterstellt damit, dass die Apotheken entsprechende Einkaufsvergünstigungen realisieren.

Dazu erklärt Graue, die Kalkulationsbasis für die Arbeitsleistung in den Apotheken sei obsolet, „und das nicht erst seit gestern“. Die Apotheken sollten gemäß der Schiedsstellenentscheidung „für überwiegend frei erfundene Abschläge auf Wirkstoffe Boni einräumen oder rückwirkende Preiskorrekturen hinnehmen“, so Graue. Wenn die Krankenkassen so vorgehen dürften, stehe mittelfristig nicht nur die flächendeckende Herstellung von Zytostatika auf dem Spiel, fürchtet Graue. Anstatt die Wirtschaftlichkeit der Apotheken über Einkaufskonditionen zu sichern, seien Vergütungsvereinbarungen auf der Grundlage der Arbeitsleistungen nötig, folgert Graue wiederum mit Blick auf die Zytostatikazubereitungen. Er ergänzt, dies habe man beim DAV erkannt.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Eine sachgerechte Anbruchregelung ist eh vonnöten

von Alfons Neumann am 05.04.2018 um 4:17 Uhr

Wie kann es sein, daß im Alltag für einen Patienten angeschaffte Rezeptur-Substanzen, bei denen man einen Krümel benötigt und später den Rest der Packung in die Tonne treten muß, auf anteilig verwendet retaxiert werden ?? Wer bestellt, hat voll zu zahlen bzw. wenn Arzt verordnet, KraKa hat voll zu übernehmen !!

Eine Kompromiß-Formulierung als "lediglich verwirrte Bierlaunen-Einzelmeinung", um mal Vorschläge zu äußern: Von der Apotheke im zeitlichen Zusammenhang bestellte Rezeptur-Substanzen werden bei Erstverordnung im kleinsten lieferbaren Gebinde vollständig zu Lasten der KraKa ohne jeglichen Abzug zum tatsächlichen EK abgerechnet, jegliche Retaxation dazu ist untersagt - wenn für den gleichen Patienten der gleichen KraKa innert 6 Wochen die Substanz erneut verordnet wird, wird dieselbe nicht berechnet. KraKa´s können innert 6 Monaten nach Anfertigung der Rezeptur gegen eine Bearbeitungspauschale von minnings 10,00 Euro Lieferschein bzw. entsprechende Verwendungs-Nachweise anfordern.

Erstmal nur ein Gedankenmodell meinerseits, da gibt´s sicherlich noch Diverses auszuformulieren.

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Hilfstaxe ist nicht mehr hilfreich, sondern ein Behelfsschlammassel!

von Andreas P. Schenkel am 04.04.2018 um 19:14 Uhr

Nachdem nun auch die Zyto-Apotheken die Hilfstaxe zu hassen gelernt haben, weil sie seit kurzem auch in diesem speziellen Bereich der Pharmazie eine betriebswirtschaftlich mögliche Arzneiherstellung sabotiert, ist die Hilfstaxe für uns komplett wertlos geworden. Also weg damit und alles von vorne verhandeln.

Die Ausgangsposition ist tatsächlich äußerst günstig: Nur die GKV profitieren von der ungekündigten Hilfstaxe; wäre sie weg, dann käme die AMPreisV zur uneingeschränkten Anwendung. Die GKV müsste dann für alle Rezepturen einiges mehr aufwenden. Und wir haben noch ein gutes Angebot für die Gegenseite: Cannabis-Zubereitungen sind derzeit ein erheblicher Kostenblock für die GKV. Eine hilfstaxliche Vereinbarung, die rasch etabliert würde, käme auch der GKV wahrscheinlich sehr gelegen. Möglicherweise wäre es hier klug, einen Fixanteil über die 8,35 € hinaus auszuverhandeln, um dauerhaft den bürokratischen Mehraufwand beim kompletten Cannabisblüten-Management in der Apotheke preislich abzubilden. Denn irgendwann wird dieser Ausgangsstoff aus Deutschland kommen und der Absolutbetrag aus dem 90%-Aufschlag aus § 5 AMPreisV wird stark absinken. Es lässt sich sicherlich für alle Bereiche der neu z verhandelnden Hilfstaxe eine Regelung aushandeln, der weder die alte, nicht kostendeckende Situation perpetuiert noch unangemessen hohe Kosten auf der Kostenträgerseite auslösen würde. Alles als Gesamtpaket verhandelt hätte sicherlich mehr Wumms für die Verhandlungen als einzelne Punkte nach und nach z verhandeln. Die alsbaldige Kündigung der gesamten Hilfstaxe ist der einzig richtige Weg und ergäbe einiges an Wucht zum Druckaufbau gegenüber den GKV, damit diese eine rasche neue vertragliche Einigung auf dem Verhandlungswege anstreben werden.

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