Falsche Abrechnungen

AOKen decken Millionen-Betrug im Gesundheitswesen auf

Berlin - 28.03.2018, 15:30 Uhr

Viele Krankenkassen haben eigene Ermittlerteams, die Abrechnungsbetrügereien nachgehen. (Foto: Andrey Popov/ stock.adobe.com)

Viele Krankenkassen haben eigene Ermittlerteams, die Abrechnungsbetrügereien nachgehen. (Foto: Andrey Popov/ stock.adobe.com)


Die Allgemeinen Ortskrankenkassen haben eigene Ermittlergruppen, die Betrügereien im Gesundheitswesen nachgehen. Die AOK Nordwest vermeldet nun, sie habe in den vergangenen zwei Jahren mehr als 3,5 Millionen Euro zurückgeholt. Die AOK Niedersachsen berichtet von ermittelten Rückforderungen in Höhe von 7,7 Millionen Euro. Ob und in wie weit Apotheker betrügerisch auffielen, lassen die Kassen offen.

Am gestrigen Dienstag haben die bayerischen Staatsminiserien für Justiz und Inneres bekannt gegeben, dass sie ihren Kampf gegen Betrug im Gesundheitswesen verstärken wollen. Schwerpunktstaatsanwaltschaften gibt es hier schon. Nun sollen auch die Polizeipräsidien im Freistaat ein spezielles Wirtschaftskommissariat erhalten. In anderen Bundesländern ist man noch lange nicht so weit. Etwa in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein – was die hier aktive AOK Nordwest bedauert.

Der Stabsbereich Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen der AOK Nordwest hat nun seinen Tätigkeitsbericht 2016/2017 vorgestellt. Demnach holte sich die Kasse in den vergangenen zwei Jahren über 3,5 Millionen betrügerisch erlangte Euro zurück. Den höchsten Rückfluss verzeichnete die Kasse im Bereich der ärztlichen Behandlung (1,11 Millionen Euro),  gefolgt von der Krankenhausbehandlung (874.000 Euro), der Häuslichen Krankenpflege (638.000 Euro), Arznei- und Verbandsmitteln (510.000 Euro) und Heilmitteln (106.000 Euro).

Zu viel Impfstoffe und Insulinpumpen-Material

Ob in welchem Maße gegen Apotheker ermittelt wurde, erklärte die AOK Nordwest auch auf Nachfrage nicht. Doch es gibt Beispiele aus dem ärztlichen Bereich. Einmal ging es um Impfstoffe: In zwei Fällen hätten Ärzte erheblich mehr abgerechnet, als ihnen überhaupt Impfstoffe zur Verfügung standen. Ein Fall ist bereits abgeschlossen – die AOK konnte eigenen Angaben zufolge eine Schadensregulierung für alle Krankenkassen in Höhe von über 360.000 Euro erzielen. Zudem deckten die AOK-Ermittler einen weiteren besonders schweren Fall auf, in den ein Versicherter und mehrere Ärzte involviert sind: Ein insulinpflichtiger Patient fiel dadurch auf, dass er sich bei unterschiedlichen Ärzten anstandslos erheblich zu viele Zusatzmaterialien für seine Insulinpumpe, ohne diese selbst zu verbrauchen. Der entstandene Schaden habe mehr als 300.000 Euro betragen und sei von der AOK erfolgreich zurückgefordert worden.

AOK-Chef fordert Schwerpunktstaatsanwaltschaften

Derzeit verfolgt das siebenköpfige Ermittlungsteam der AOK Nordwest 1110 Fälle aus allen Bereichen des Gesundheitswesens. „Bestätigt sich der Verdacht der Abrechnungsmanipulation, schalten wir die Staatsanwaltschaft ein und fordern die finanzielle Wiedergutmachung des Schadens ein. Ebenfalls prüfen wir, ob eine weitere Zusammenarbeit mit dem Vertragspartner noch möglich ist“, erklärt Stabsstellenleiter Rechtsanwalt Dr. Jürgen Mosler. Um den Betrugsfällen intensiver nachgehen zu können, fordert die AOK Nordwest jetzt ebenfalls die Einführung von speziellen Schwerpunktstaatsanwaltschaften, die sich ausschließlich mit Wirtschaftskriminalität im Gesundheitswesen befassen. AOK-Vorstandschef Tom Ackermann betont: „Gegen die wenigen schwarzen Schafe muss konsequent und mit aller Härte des Gesetzes vorgegangen werden. Denn hier werden Gelder der Solidargemeinschaft veruntreut.“ Als Minimalkonsens schlägt Ackermann Sonderdezernate in den Wirtschaftsabteilungen der Staatsanwaltschaften vor.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

Bitte, nur einmal ....

von Bernd Jas am 29.03.2018 um 11:03 Uhr

....wenn ich das noch in meinem Apothekerdasein erleben dürfte, ... EINE Retaxe zu UNSEREN Gunsten, dann hätte es wenigstens den Anschein eines Funken von Aufrichtigkeit und Gerechtigkeitsempfinden bei dieser ....
(Verzicht auf restlichen Kommentar wegen tiefgreifender Erschütterung der Umgangsformen und der Netiquette)

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