TUBERKULOSETAG

Resistente Tuberkuloseformen bereiten Sorgen

Remagen - 23.03.2018, 07:00 Uhr

 Mycobacterium Tuberculosis bildet vermehrt Resistenzen gehen Therapeutika. (Foto: Imago / spl)

 Mycobacterium Tuberculosis bildet vermehrt Resistenzen gehen Therapeutika. (Foto: Imago / spl)


Die Tuberkulose gehört mit 1,7 Millionen Todes­fällen weltweit zu den zehn häufigsten Todes­ursachen. Auch wenn die Krankheitslast in Europa im internationalen Vergleich gering ist, besteht nach Meinung von Experten kein Grund, sich entspannt zurück zu lehnen. Sorge bereiten in der europäischen Region der WHO vor allen die Fälle, die nicht auf gängige Therapien ansprechen, wie anlässlich des Welttuberkulosetags am morgigen Samstag zu erfahren ist.

Nach einem neuen Bericht, den das Europäische Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) und des WHO-Regionalbüro für Europa im Vorgriff auf den Welttuberkulosetag am 24. März 2018 veröffentlicht haben, wurden im Jahr 2016 für die Region 290 000 neue Tuberkulosefälle und 26 000 TB-Todesfälle verzeichnet, hauptsächlich in zentral-und osteuropäischen Ländern.  Damit entfällt nur ein sehr geringer Anteil (3 Prozent) der globalen Krankheitslast auf die Europäischen Region der WHO. Die Zahl der neuen Tuberkulose-Patienten soll dort in den letzten zehn Jahren mit einer durchschnittlichen jährlichen Rate von 4,3 Prozent rückläufig sein. Obwohl dies die schnellste Abnahmerate weltweit ist, reicht dieser Trend wohl nicht aus, um das Ziel der Beendigung der TB-Epidemie im Jahr 2030 zu erreichen, so wie es die globale Strategie vorsieht. 

Große Sorge wegen arzneimittelresistenter TB 

Trotz der Fortschritte bleibt die TB, vor allem in ihren arzneimittelresistenten Formen (MDR-TB, Resistenz gegen zwei oder mehr Erstlinien-Tuberkulostatika) auch in der Europäischen Region der WHO eine große Sorge. Jeder fünfte Patient ist davon betroffen. Das ist die höchste Rate weltweit.  Außerdem ist der Anteil der extrem arzneimittelresistenten Tuberkulose (XDR-TB, Resistenz gegen alle Erstlinien-Tuberkulostatika und mindestens zwei Zweitlinien-Tuberkulostatika) nach dem Bericht zwischen 2011 und 2016 von 13,9 auf 20,6 Prozent gestiegen. Die Erfolgsraten für die Behandlung der MDR-TB und der XDR-TB bleiben niedrig. In den europäischen Ländern wird die Zielvorgabe für den Behandlungserfolg nach dem TB-Aktionsplan (Tuberculosis action plan for the WHO European Region 2016–2020. Copenhagen: WHO Regional Office for Europe; 2015) in Höhe von 75 Prozent bis 2020 bis dato mit 55 Prozent (2016) noch weit verfehlt.   

Diagnoseraten bei resistenten Formen nicht ausreichend

Zudem deuten neueste Daten aus der Tuberkulose-Überwachung darauf hin, dass jeder vierte Fall von multiresistenter TB in der Europäischen Region der WHO nicht erkannt wird. Zwar hat sich die Diagnoserate zwischen 2011 bis 2016 von 33 auf 73 Prozent erhöht, aber auch diese bleibt immer noch unter dem regionalen Zielwert von 85 Prozent, den der europäische TB Aktionsplan definiert.

Um dieser Bedrohung zu begegnen, hat das ECDC im Jahr 2017 ein Pilotprojekt gestartet, um die Aufdeckung und Untersuchung von Mycobacterium Tuberculosis in der EU/im EWR mit Hilfe der Technologie der Gesamtgenomsequenzierung (WGS) zu verbessern. Das Projekt soll gemeinsame Standards für die Untersuchung von MDR-TB Bakterienstämmen und die Verfolgung von Ausbrüchen festlegen.  

Tuberkulose-Fälle in Deutschland

Dem Robert Koch-Institut wurden nach vorläufigen Daten in 2017 insgesamt 5.486 Tuberkulose-Fälle übermittelt, nach 5.949 im Jahr 2016 und 5.834 in 2015 (Datenstand 1.3.2018). Die Erkrankungs­zahlen seien damit erstmals seit einigen Jahren wieder leicht gesunken, teilt das RKI in einer Pressemitteilung anlässlich des Welttuberkulosetags mit. „Trotzdem müssen wir die Anstrengungen in der Tuberkulose­kontrolle verstärken", sagt RKI-Präsident Lothar H. Wieler, Er hält einen Rückgang von jährlich zehn Prozent für erforderlich, um die internationalen Eliminations­ziele zu erfüllen. In Deutschland stünden moderne und effektive Maßnahmen zur Verfügung, um die Infektion rasch zu diagnos­tizieren, zu heilen und so Folge­infektionen zu vermeiden, versichert das RKI. Dies gelinge aber nur, wenn es niedrig­schwellige Angebote für Erkrankte gebe und Ärzte bei Symptomen wie länger bestehendem Husten, Nachtschweiß, Fieber und Gewichts­abnahme auch an Tuberkulose dächten. Das Robert Koch-Institut verweist an dieser Stelle auf die von den Fachgesellschaften 2017 veröffentlichten Leitlinien für Erwachsenen- und Kindertuberkulose.

Weitere Informationen finden Sie in der aktuellen Ausgabe 11/2018 des Epi­demio­logischen Bulletins des RKI.

International hoch aufgehängt

Die Tuberkulose steht derzeit sehr hoch auf der internationalen politischen Agenda. Im September dieses Jahres soll sie erstmals Thema in der General­versammlung der Vereinten Nationen sein. Bis dahin gebe es noch einiges zu tun, sind sich die WHO und das ECDC einig, und die „Schlagfrequenz“ der Bemühungen müsse ebenfalls deutlich zunehmen. „Das ist kein Weg, den man zu Fuß gehen sollte, sagt die WHO-Regionaldirektorin für Europa Zsuzsanna Jakab. „Wir müssen jetzt vielmehr einen Quantensprung machen, um mit politischem Engagement auf allen Ebenen konkrete und sofortige Ergebnisse zu erzielen.“



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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