Wirkstoffbestimmungen

Gutachter bemängeln Analysen im Zyto-Prozess

Essen - 23.03.2018, 09:15 Uhr

Am Donnerstag ging es beim Bottroper Zyto-Prozess um die die Untersuchungen des Paul-Ehrlich-Instituts und des Landeszentrum Gesundheit NRW.(Foto: hfd / DAZ.online)

Am Donnerstag ging es beim Bottroper Zyto-Prozess um die die Untersuchungen des Paul-Ehrlich-Instituts und des Landeszentrum Gesundheit NRW.(Foto: hfd / DAZ.online)


Experte kritisiert Vorgehensweise des PEI

Bei der Proteinbestimmung bezog sich das Institut auf im Arzneibuch beschriebene Methoden, die auf die zubereiteten Arzneimittel übertragen wurden. Sörgel sah dies kritisch und forderte SOPs – man könne nicht vorgehen, wie wenn man „ein kleines Master-Projekt mache. Das ist die Arbeitsweise, die man anlegen sollte immer dann, wenn es ernst wird“, sagte er. Er argumentierte, dass die Analytik bei Gerichtsprozessen höchsten Standards entsprechen sollte – sonst könne sie „zerlegt“ werden, wie etwa im Mordprozess vor gut 20 Jahren gegen O. J. Simpson, erklärte Sörgel, derr sich auch schon zuvor hierzu geäußert hatte.

Sörgel erklärte, dass er die Gutachten aus Interesse am Fall und zumindest bislang ohne Bezahlung erstellt hat. Erst dadurch sei ihm klar geworden, wie die Zyto-Herstellung in Deutschland läuft. „Vielen Kollegen, mit denen ich gesprochen habe, war nicht klar, dass in öffentlichen Apotheken in diesem Umfang Zytostatika hergestellt werden“, sagte der Pharmazeut. Seiner Meinung nach gehöre dies in die Hände von Klinikapotheken, wo auf hohem technischen Niveau und mit wirtschaftlich unabhängigem Personal gearbeitet werde. In Zyto-herstellenden Vor-Ort-Apotheken passierten seiner Einschätzung nach „sehr oft“ Fehler, erklärte er auf Frage der Verteidigung – bei landesweiten Untersuchungen „kämen wahrscheinlich schreckliche Ergebnisse raus. Das muss auch eine der Konsequenzen aus diesem Fall sein, dass das beendet wird.“

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Sachverständiger vermisst Unterlagen

Sörgel wollte vor Gericht keine klaren Fehler in den Analysen und Dokumenten der Behörden benennen – auch da sein kleines Team nur gut 10 Prozent der nötigen Unterlagen gesichtet habe, eine abschließende Einschätzung könne er daher nicht geben. „Wir haben Dinge gefunden, wo wir sagen müssen: Das hätten wir anders gemacht“, sagte er. Zu Abläufen von Aufkonzentrierungen, Verdünnungen oder auch die Schulung des Personals hätten keine Dokumente vorgelegen.

Obwohl die Methoden selbst in Ordnung seien, sei eine lückenlose Dokumentation wichtig, da bei jedem Arbeitsschritt Fehler passieren könnten, erklärte der Pharmazeut. „Alles hat einen Einfluss – wenn ich irgendetwas nicht dokumentiere, kann ich am Ende eigentlich nicht sagen, ob das Ergebnis korrekt zustande gekommen ist“, sagte er auf Frage eines Verteidigers.

Seine langjährige Laborleiterin, die promovierte Chemikerin Martina K., bestätigte zunächst in Bezug auf die Untersuchungen des PEI die Ausführungen – für Diskussionen zu den Analysen des Landeszentrums Gesundheit NRW reichte am Donnerstag die Zeit nicht mehr. Für die Beurteilung fehlten sehr viele Unterlagen sagte sie – so die SOPs sowie Informationen zu den eingesetzten Geräten. Sie führte eine Liste von Fehlern in den PEI-Dokumenten auf, die sich von Schreibfehlern über eine falsche Probenbezeichnung bis hin zu falschen Daten oder Werten erstreckte. Es handele sich um Kleinigkeiten, die aber letztendlich zur Systembeurteilung dazugehören“, sagte sie. 



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

„bevor ich gleich echt sauer werde“

von Thomas Brackmann am 23.03.2018 um 12:47 Uhr

Sinnfälliger als am gestrigen Verhandlungstag kann nicht deutlich werden, wie notwendig QM, auch für ein deutsches Gericht, ist. Aber hier scheiden sich offensichtlich die Geister.
Das Gericht hat nun einmal seinem Amtsermittlungsgrundsatz nachzukommen, und anscheinend ist hierbei auch QM-Absicherung von Nöten. Rügt das Gericht stattdessen vielmehr eine fehlende Nachfrage der Verteidigung, so weckt das bei dem Beobachter eher den Verdacht, dass für den Tatbestand ermittelt würde.
Der Sachverständige Prof. Blume hat in seiner informellen Befragung klipp und klar zum Ausdruck gebracht, dass die Lieferung der Rohdaten durch den vom Gericht mit der Begutachtung beauftragten ehemaligen Mitarbeiter des Paul-Ehrlich-Instituts unvollständig war.
Sich also darauf zurückzuziehen, man hätte gefragt werden können, ist sowohl vom Gericht, wie vom Sachverständigen zu kurz gesprungen.
Als der Sachverständige Siegfried G. von der Verteidigung befragt wurde, ob er als Inspektor im Zulassungsverfahren von Arzneimitteln unvollständige Unterlagen der Industrie nicht beanstandet hätte, fiel er dadurch auf, dass er sich erst am Kopf kratzte und dann die Frage bejahte. Er hat, glaube ich, der pharmazeutischen Sache einen Bärendienst erwiesen. Eine Berichterstattung auch darüber vermisse ich.

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