Kleine Anfrage im Bundestag

Grüne hinterfragen Werbekampagnen für Kinderarzneimittel

Stuttgart - 12.03.2018, 17:50 Uhr

Die Grünen möchten von der Bundesregierung eine Stellungnahme zu Werbekampagnen für Kinderarzneimittel (Foto: Dirk Sattler / imago)

Die Grünen möchten von der Bundesregierung eine Stellungnahme zu Werbekampagnen für Kinderarzneimittel (Foto: Dirk Sattler / imago)


Die Grünen-Bundestagsfraktion hat Bedenken gegenüber Werbekampagnen für Kinderarzneimittel. Nicht nur würden die Hersteller die in Deutschland geltenden Gesetze  umgehen, sondern auch für Wirkstoffe mit bedenklichem Nutzen-Risiko-Verhältnis werben. In einer Kleinen Anfrage möchte die Fraktion von der Bundesregierung wissen, wie diese mit Werbekampagnen für Kinderarzneimittel umzugehen gedenkt. Auch die Beratung in Apotheken wird kritisch hinterfragt.

Bei Werbung für Kinderarzneimittel und -medizinprodukte gelten die gleichen Vorgaben wie bei Produkten für Erwachsene. Werbung, die sich direkt an Kinder unter 14 Jahren richtet, ist nach dem Heilmittelwerbegesetz (§ 11 Satz 1 Nr.12) allerdings verboten. Jedoch scheinen die Hersteller dieses Gesetz zu umgehen, indem sie beispielsweise in der Werbung für nicht-verschreibungspflichtige oder frei verkäufliche Arzneimittel die Eltern gezielt ansprechen. Häufig werden die Produkte auch zur Anwendung bei banalen Erkrankungen beworben.

Die Grünen-Bundestag-Fraktion möchte sich daher in einer Kleinen Anfrage bei der Bundesregierung über Werbung für Kinderarzneimittel erkundigen. Unter anderem möchte sie wissen, welche Informationen der Regierung zu öffentlichen Werbekampagnen für frei verkäufliche Arzneimittel vorliegen. Dazu zählen nicht nur Kampagnen in Zeitungen und Fernsehen, sondern auch Beiträge in Elternblogs oder auf Social-Media-Kanälen. Zudem sollen Pharmaunternehmen auch in Kindergärten Werbematerial verteilt haben, wozu die Grünen die Bundesregierung um Stellungnahme bitten.

Werben Apotheker für ungeeignete Arzneimittel?

Welche Gefahren die Grünen durch solche Werbekampagnen sehen, lassen die einzelnen Fragen in der Anfrage erkennen. So wollen die Grünen wissen, ob es durch die Werbung zu einer vorschnellen, nicht indikationsgerechten Gabe der Arzneimittel kommen könne. Weiterhin fragt die Fraktion, ob Alternativen zur medikamentösen Therapie weniger genutzt werden und ob die Ursachenbekämpfung zugunsten der Symptomlinderung vernachlässigt wird. In allen drei Punkten wollen die Grünen von der Bundesregierung wissen, wie hoch diese die Gefahr durch Werbemaßnahmen sieht.

Zum Kreis der umstrittenen Werbemaßnahmen zählt die Fraktion scheinbar auch die Beratung in der Apotheke. In einem Punkt heißt es: „Welche Hinweise hat die Bundesregierung, ob Eltern auch in Apotheken frei verkäufliche Arzneimittel für Kinder empfohlen werden, die aus pädiatrischer Sicht ungeeignet oder nutzlos sind?“

Problematische Wirkstoffe

In den weiteren Fragen gehen die Grünen konkret auf das Schmerzmittel Ibuprofen sowie die Antihistaminika Dimenhydrinat, Diphenhydramin und Doxylamin ein. Die Fraktion möchte wissen, welche Kenntnisse zu den Gefahren durch eine nicht sachgemäße Anwendung bei Kindern vorliegen und in wieweit die Bundesregierung die Werbekampagnen für problematisch hält. Die Fraktion nennt dazu unter anderem TV-Spots zu Ibuprofen, die nicht nur die Anwendung bei Kindern bewerben, sondern auch den durch die Behandlung einhergehenden Lebensqualitätsgewinn für die Eltern.

Bei den Antihistaminika erkundigt sich die Fraktion darüber, welche Nebenwirkungsprofile und Wirksamkeitsbelege dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bei der Therapie von Kindern unter 3 Jahren vorliegen. Im August des vergangenen Jahres hatte das BfArM beschlossen, dass die Wirkstoffe Dimenhydrinat und Diphenhydramin nur noch unter strenger Indikation bei Kindern unter 3 Jahren angewendet werden dürfen. Hintergrund waren Meldungen über schwerwiegende Nebenwirkungen wie Krampfanfälle. Vor diesem Hintergrund möchten die Grünen von der Regierung wissen, inwiefern Werbung problematisch ist, die für die Verabreichung von Antihistaminika bei Kindern wirbt.

Welchen Zweck erfüllt das Heilmittelwerbegesetz?

Der Wirkstoff Doxylamin soll für Kinder unter 18 Jahren der Verschreibungspflicht unterstellt werden. Das hatte der Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht im vergangenen Juni empfohlen. Bislang ist mit Sedaplus® ein Doxylamin-haltiger-Saft zur Behandlung von Schlafstörungen zugelassen – und zwar ab einem Alter von sechs Monaten. Die Grünen möchten jetzt von der Regierung wissen, ob sie beabsichtigt, Doxylamin der Verschreibungspflicht zu unterstellen und ob darüber hinaus auch Arzneimittel mit Dimenhydrinat oder Diphenhydramin für Kinder verschreibungspflichtig werden sollen.

Zuletzt hinterfragt die Fraktion noch den Zweck des § 11 Satz 1 Nr.12 HWG vor dem Hintergrund, dass Kindern der eigenständige Erwerb frei verkäuflicher Arzneimittel rechtlich nicht möglich sei. Zudem will sie wissen wie die Einhaltung des Gesetzestextes kontrolliert wird und wie viele Bußgeldverfahren wegen eines Verstoßes gegen § 11 Satz 1 Nr.12 HWG von 2010 bis 2017 verhängt wurden.



Dr. Mathias Schneider, Apotheker, Volontär DAZ
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Liebe Grüne,

von Stefan Haydn am 13.03.2018 um 11:43 Uhr

wenn dieser Partei der Schutz der Kinder so am Herzen liegt, dann sollten wir nicht nur den Versand für Rx untersagen, sondern auch für die Umsatztreiber der Versandapotheken im OTC-Bereich. Dazu zählen nämlich gerade Sedativa/Hypnotika und Schmerzmittel.

In der Regel ist es dem Versandapotheker nämlich völlig egal, wenn Eltern Arzneimittel für ihre Kinder mitbestellen.
Und deren sachgemäße Anwendung erst recht!

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