Kommentar

Haben die Apotheker zu hoch gepokert?

Berlin - 07.03.2018, 11:30 Uhr

ABDA-Präsident Friedemann Schmidt und alle anderen Interessenvertreter der Apotheker konzentrieren sich seit anderthalb Jahren auf das Rx-Versandverbot - haben sie sich verzockt? (Foto: Imago)

ABDA-Präsident Friedemann Schmidt und alle anderen Interessenvertreter der Apotheker konzentrieren sich seit anderthalb Jahren auf das Rx-Versandverbot - haben sie sich verzockt? (Foto: Imago)


Eines ist sicher: Nach dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung wurde bislang keine bessere Lösung als das Rx-Versandverbot präsentiert. Die (teilweise) Aufhebung der Festpreise ist ein gefährliches Experiment, das sich der Gesetzgeber nicht erlauben sollte. Die beiden Interviews mit den gesundheitspolitischen Sprecherinnen von Union und SPD zeigen aber auch, dass die Apotheker am Ende dieser Wahlperiode im schlimmsten Fall mit komplett leeren Händen dastehen könnten, meint DAZ.online-Chefredakteur Benjamin Rohrer.

Natürlich ist die Nachricht, dass sich die Große Koalition für das Rx-Versandverbot einsetzen will, eine gute für den Apothekenmarkt gewesen. Fast anderthalb Jahre sind seit dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung nun vergangen und weder die Apotheker noch die Versand-Lobby noch die Politik haben bislang einen besseren Vorschlag auf den Tisch gelegt als das Rx-Versandverbot. Die Politik sollte es schlichtweg nicht zulassen, dass sich in der Arzneimittelversorgung eine Rabattschlacht zwischen mehreren Konzern-getriebenen Anbietern entwickelt, die für die Patienten nur noch schwer durchschaubar und Zweifel sogar noch zu deren Nachteil ist.

Die beiden DAZ.online-Interviews mit Karin Maag (CDU) und Sabine Dittmar (SPD), den neuen gesundheitspolitischen Sprecherinnen der Großen Koalition, zeigen aber auch, in welches politische Risiko sich die Apotheker gebracht haben, indem sie in den vergangenen Monaten fast ausschließlich über das Rx-Versandverbot geredet haben. 

Die CDU-Politikerin Maag antwortete auf die Frage, was in dieser Wahlperiode beim Apothekenhonorar und den pharmazeutischen Kompetenzen möglich sei, sehr klar: „Dieses Fass sollten die Apotheker zumindest in dieser Wahlperiode mit Blick auf das Rx-Versandverbot nicht mehr aufmachen.“ Heißt übersetzt: Wir hatten schon genug Mühe, das Verbot gegen die SPD in den Koalitionsvertrag zu bekommen. Sehr schwer wäre es daher, weitere Apotheker-freundliche Forderungen gegenüber dem Wähler und dem Koalitionspartner zu erklären.

Alles auf eine Karte

Ebenso interessant sind die Aussagen von Sabine Dittmar, der neuen gesundheitspolitischen Sprecherin der SPD, zum Rx-Versandverbot. Dittmar erklärt: „Ich befürchte, dass wir mit dem Fixieren auf ein Rx-Versandhandelsverbot wertvolle Zeit verlieren, um uns um die wirklich drängenden strukturellen Fragen der Apotheker zu kümmern.“ Diese Aussage ist inhaltlich sicherlich anzuzweifeln: Denn bei der Frage um die Rx-Preisbindung geht es um nicht weniger als die Existenz vieler Apotheken. Hinzu kommt, dass die von Dittmar favorisierten Themen, also die Apotheken-Struktur, das Apothekensterben und die Apothekenvergütung, zu eng mit dem Versandhandels-Konflikt zusammenhängen, als dass man sie voneinander trennen könnte.

Allerdings steckt in Dittmars Aussage ein weiterer Hinweis, der für die Apotheker zur Gefahr werden könnte: Es ist unbestritten, dass die Umsetzung und Ausformulierung des Rx-Versandverbotes eine schwierige, auch juristische Angelegenheit sein wird. Die Arzneimittel-, Apotheken- und Rechtsexperten des Bundesgesundheitsministeriums werden einiges an Energie brauchen, um das Verbot auch rechtssicher umzusetzen, damit es von den Versendern nicht nach einem Monat wieder beklagt und zurückgenommen werden kann – vorausgesetzt, der neue Minister hat überhaupt vor, den Koalitionsvertrag an dieser Stelle umzusetzen. Schwer vorstellbar ist, dass sich das BMG bei diesem Aufwand noch mit einem Gesetz zur weiteren Ausgestaltung der pharmazeutischen Kompetenzen in der Arzneimittelversorgung beschäftigen wird – was eigentlich dringend nötig wäre.

Es bleibt nur zu hoffen, dass das BMG diese rechtssichere Lösung findet und es schafft, diese in den kommenden 3,5 Jahren auch in die Tat umzusetzen. Denn nach den Aussagen von Maag und Dittmar – und einem Koalitionsvertrag, in dem zum Apothekenmarkt NUR das Rx-Versandverbot steht – dürfte klar sein: Wenn dieses eine Projekt scheitert, könnten die Apotheker sogar ganz leer ausgehen.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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Gegenwind aus den eigenen Reihen

3 Kommentare

ich verstehe diesen Kommentar nicht

von Hummelmann am 07.03.2018 um 18:38 Uhr

Das RX-Versandverbot ist und war schon immer eine Notlösung mangels brauchbarer Alternative. JETZT sollten wir diese so schnell wie möglich in die Tat umsetzen, damit die Zukunft der Präsenzapotheke kurzfristig gesichert wird. DANN machen wir uns Gedanken, wie man die Entlohnung der Apotheken auch langfristig zukunftsfähig machen kann. Solange wir hier kein konsensfähiges Modell haben, müssen wir den Fortbestand der bestehenden und gut funktionierenden Arzneimittelvertriebssstruktur eben mit der Übergangslösung RX-Versandverbot sicher stellen. Zugegeben: Verbote sind nicht die perfekte Lösung, aber es ist momentan die EINZIGE !!!!
Also, was soll jetzt der Kommentar mit dem Pokerspiel???
JEDER, der GEGEN das RX-Versandverbot ist, soll SOFORT sagen, wie er das Problem BESSER lösen kann oder den Mund halten und mitmachen.
Mein Eindruck: die größten Probleme haben die Apotheker nicht mit den Politikern, sondern mit den Apothekern...

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FS.: "Warten auf die Politik!"

von Christian Giese am 07.03.2018 um 12:48 Uhr

"Politik ist wie Fahrradfahren, wenn man sich nicht bewegt, fällt man um."
Der Kluge sucht die Offensive aus eigener Kraft.
Robert Habeck in der heutigen SZ.

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Schweigen ist Silber

von Ulrich Ströh am 07.03.2018 um 12:23 Uhr

Apotheker sollten in Sachen Rx endlich -wahrnehmbar-argumentieren !

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