Datenklau-Prozess

Die mysteriösen SMS zwischen Thomas Bellartz und einer ABDA-Mitarbeiterin

Berlin - 06.03.2018, 12:45 Uhr

Im sogenannten Datenklau-Prozess geht es in diesen Tagen darum, ob Ex-ABDA-Sprecher Thomas Bellartz Informationen aus dem BMG an die ABDA weitergeleietet haben soll. (Foto: Külker)

Im sogenannten Datenklau-Prozess geht es in diesen Tagen darum, ob Ex-ABDA-Sprecher Thomas Bellartz Informationen aus dem BMG an die ABDA weitergeleietet haben soll. (Foto: Külker)


Im sogenannten Datenklau-Prozess vor dem Landgericht Berlin wird in diesen Tagen der Frage nachgegangen, inwiefern die ABDA in die mutmaßlichen Datenflüsse eingebunden war. Als Zeugin wurde am heutigen Dienstag eine Protokoll-Referentin der ABDA befragt. Ihr wurde ein SMS-Verkehr mit dem Angeklagten Thomas Bellartz aus dem Jahr 2012 vorgehalten, bei dem es offensichtlich um die Übergabe nicht näher benannter Gegenstände ging. Die Zeugin konnte sich allerdings an keine der SMS erinnern oder ihren Inhalt erklären.

Am 9. Verhandlungstag im Strafprozess gegen Ex-ABDA-Sprecher Thomas Bellartz und den System-Administrator Christoph H. stand wieder der Hauptanklagevorwurf im Mittelpunkt: Das mutmaßliche gemeinschaftliche Ausspähen von Daten aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG). Schon in der vergangenen Woche war es darum gegangen, inwiefern auch die ABDA von den mutmaßlichen Datenlieferungen aus dem BMG profitiert haben soll. Unter anderem ging es vor Gericht um ein „Spesenkonto“ der ABDA.

Bellartz-Prozess

Thema: Datenklau-Affäre

Bellartz-Prozess

Als erste Zeugin war am heutigen Dienstag allerdings zunächst Bernadette Sickendiek geladen, die Geschäftsführerin des Großhandelsverbands Phagro. Es ging um ein Telefonat mit dem Apotheke Adhoc-Redakteur Alexander Müller im August 2010, das schon am dritten Prozesstag in der Zeugenbefragung eines BMG-Juristen Thema war. Sickendiek schilderte, dass der Phagro am 3. August 2010 zu einem informellen Gespräch ins BMG in Bonn geladen war. Der Verband habe um den Termin gebeten, nachdem Apotheke Adhoc – und zwar als alleiniges Medium – detailliert über geplante Änderungen in der Apothekenbetriebsordnung berichtet habe. Da Apotheken die Kunden der Phagro-Mitglieder sind, habe man sich natürlich sehr für bevorstehende Änderungen interessiert, erklärte Sickendiek. Bei dem Gespräch, an dem neben ihr und Ulrich Kehr, Chef des Pharmagroßhändlers Kehr, die Fachbeamten aus der für Apotheken zuständigen Abteilung des BMG teilnahmen, hätten letztere erklärt, die Berichterstattung über die gesetzlichen Neuregelungen beruhe auf einem „unautorisierten Referentenentwurf“.

Zwei Tage später habe ein weiteres Treffen im BMG stattgefunden, diesmal in Berlin. Dabei sei es um Großhandelsspannen und Sparmaßnahmen gegangen. Als Sickendiek nach diesem zweiten Treffen in einem U-Bahnhof stand, habe es das Telefonat mit Alexander Müller gegeben. Er habe sie gefragt, wie der Termin am 4. August im BMG gewesen sei. „Mir ist das Telefon fast aus der Hand gefallen, als er mich das fragte“, schilderte Sickendiek. Niemand habe von diesem Termin gewusst, versicherte sie – außer Phargro-Vorstand Thomas Trümper, Ulrich Kehr, Trümpers Stellvertreter beim Phagro, Ralph D. Schüller sowie die zwei weiteren in der Berliner Geschäftsstelle beschäftigten Personen. 

Die Verteidiger beider Angeklagten bohrten daraufhin nach, wer noch alles von dem Termin gewusst haben könnte und wann Sickendiek wo über Inhalte des BMG-Gesprächs berichtet habe. Zudem wollte Bellartz‘ Anwalt Carsten Wegner wissen, wen der Phagro selbst in Verdacht gehabt habe, die undichte Stelle im Ministerium zu sein. Während der BMG-Jurist in seiner Zeugenaussage erklärt hatte, die Phagro-Geschäftsführerin habe einmal geäußert, der damalige BMG-Pressesprecher Christian Lipicki könne es gewesen sein, wies Sickendiek dies nun zurück. Sie habe Lipicki überhaupt nicht gekannt. Ihr Verdacht habe bei einem anderen BMG-Mitarbeiter gelegen. Wegner versuchte auch weiterhin Widersprüchlichkeiten zwischen der Aussage des BMG-Juristen und Frau Sickendiek ausfindig zu machen.

Umschläge von Bellartz an ABDA-Mitarbeiterin

Als zweite Zeugin sagte eine Referentin für protokollarische Angelegenheiten bei der ABDA aus. Sie war von 2002 bis 2008 für Öffentlichkeitsarbeit in der ABDA zuständig, in ihrer seit 2006 bekleideten Position kümmert sie sich vornehmlich um Ehrengäste und Organisation, etwa des ABDA-Sommerfestes. Der Vorsitzende Richter befragte sie zunächst, ob sie etwas über die näheren Umstände wisse, warum Bellartz, der im Sommer 2007 als Pressesprecher und Leiter der Abteilung Kommunikation bei der ABDA begann, im Jahr 2011 aus dieser Position ausschied. Möglicherweise sei die „Datenklau-Affäre“ ein Auslöser gewesen, vermutete die ABDA-Mitarbeiterin – allerdings kam die ja erst Ende 2012 in die Öffentlichkeit. Sie berichtete zudem, dass Bellartz‘ parallel gegründetes Unternehmen El Pato Dienstleistungen für die ABDA erbracht habe, beispielswiese Presseaussendungen. Diesen Massenversand habe die Dienststelle alleine nicht leisten können.

Als die ABDA-Beschäftigte nach etwaigen Treffen mit Bellartz gefragt wurde – etwa am damaligen Sitz von El Pato in der Berliner Schumannstraße oder bei einem der beiden zuhause – verneinte sie dies, jedenfalls könne sie sich nicht erinnern. Auch von etwaigen Datenträgern habe sie nicht gewusst. Ob Apotheke Adhoc mit einem Informationsvorsprung berichtet habe, vermochte sie ebenfalls nicht zu sagen. Von einem Spesentopf der ABDA für Informationen, von dem die Ex-Frau des Mitangeklagten als Zeugin berichtet hatte, wusste sie ebenfalls nichts. „Das kann ich mir auch nicht vorstellen“, so die Protokoll-Referentin.

Nachdem die Befragung bis dahin wenig zutage brachte, hielt der Vorsitzende Richter der Zeugin mehrere SMS vor, die sie 2012 – also nach dessen Ausscheiden aus der ABDA – mit Belllartz ausgetauscht hatte. Die Polizei hatte diese Kurznachrichten sichergestellt. In diesen SMS schrieb Bellartz im März 2012 beispielsweise:  „Hi, bin noch auswärts unterwegs, dann doch lieber morgen, werde für dich am Empfang in der Schumannstraße was hinterlegen“. Die ABDA-Mitarbeiterin antwortete, morgen sei „suboptimal“, lieber heute spät und nannte ihre Privatadresse. Auch in einem SMS-Verkehr im April ging es um Hinterlegtes, das sie abholen sollte. Da es der Zeugin wiederum zeitlich nicht gut passte, versprach Bellartz, einen Boten zu organisieren. Am Tag drauf schrieb Bellartz per Kurznachricht an die ABDA-Beschäftigte: „Bote hat gestern nicht mehr geliefert, wie lange bist du heute da?“, und später: „Willst du in der Schumannstraße vorbei schauen?“. Im Oktober hieß es in einer anderen SMS von Bellartz an die ABDA-Mitarbeiterin: „Würde dir gerne einen Umschlag zukommen lassen, geht das?“ in einer anderen Nachricht einige Tage später nannte er eine El Pato-Mitarbeiterin, die „dir den US morgen zukommen“ lässt – möglicherweise einen Umschlag, versuchte der Richter zu erklären. An keine einzige der vorgehaltenen SMS vermochte sich die Protokoll-Referentin allerdings zu erinnern. Genauso wenig konnte sie sich im Nachhinein erklären, was sie bedeuten könnten.

Als dritter Zeuge wird am heutigen Prozess-Tag noch der frühere ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf aussagen. DAZ.online wird weiter berichten.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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„Ein ungeheuerlicher Vorgang“

1 Kommentar

'US'=USB-Stick?

von Albrecht Bodegger am 06.03.2018 um 20:17 Uhr

Vielleicht steht 'US' für USB-Stick? Jedenfalls scheint es mir ungewöhnlich als Abkürzung für 'Umschlag'...

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