STIKO-Empfehlung nicht umgesetzt

FDP-Gesundheitsexperte macht G-BA mitverantwortlich für Grippewelle

Stuttgart - 02.03.2018, 12:00 Uhr

Prof. Dr. med. Andrew Ullmann bezeichnet den G-BA als „behäbigen Klotz“(Foto: imago / photothek) 

Prof. Dr. med. Andrew Ullmann bezeichnet den G-BA als „behäbigen Klotz“(Foto: imago / photothek) 


Die Empfehlung der STIKO vom November 2017, einen quadrivalenten Impfstoff für die Grippeimpfung zu verwenden, wurde noch nicht als Standardimpfung umgesetzt – der Gemeinsame Bundesausschuss hat noch nicht darüber entschieden. In den Augen des FDP-Obmanns im Gesundheitsausschuss des Bundestages, Andrew Ullmann, ist die aktuell schwere Grippewelle unter anderem darauf zurückzuführen, dass der G-BA „wiederholt nicht auf die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts gehört hat“.

Prof. Dr. med. Andrew Ullmann ist FDP-Obmann im Gesundheitsausschuss des Bundestages und Infektiologe. In einer aktuellen Mitteilung macht er den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) mitverantwortlich für die Grippewelle, die in diesem Jahr besonders heftig ausfällt. Ullmann, der vor seiner Wahl in den Bundestag die Abteilung Infektiologie am Universitätsklinikum Würzburg leitete, bezeichnet den G-BA als „behäbigen Klotz“. Er schreibt: „Es kann und darf nicht sein, dass der G-BA zunächst im November nicht auf die Empfehlungen des Robert Koch-Instituts (RKI) hört und dann, wenn es schon fast zu spät ist, nicht in der Lage dazu ist, flexibel und unbürokratisch zu handeln. Fakt ist, dass die meisten Patientinnen und Patienten darauf vertrauen, dass die Pflichtleistungen der Krankenversicherungen einen guten Schutz bieten. Das ist im Fall des Dreifachimpfstoffs in diesem Jahr wieder einmal nicht so.“

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G-BA hat drei Monate Zeit

Hintergrund ist, dass die STIKO auf ihrer Sitzung im November 2017 beschlossen hatte, die Impfung gegen saisonale Influenza mit einem quadrivalenten Influenzaimpfstoff zu empfehlen. In Saisons, in denen Influenzaviren der nicht in trivalenten Impfstoffen enthaltenen Influenza B-Viruslinie (ko-)zirkulieren, böten die Vierfachimpfstoffe nämlich einen besseren Schutz vor einer Influenzaerkrankung als trivalente Impfstoffe, begründete die Kommission ihren Kurswechsel. Der G-BA hat aber noch nicht über die geänderte Empfehlung entschieden. Er hat nach deren Inkrafttreten – das war am 11. Januar mit der Publikation im Epidemiologischen Bulletin – drei Monate Zeit dafür.

Und dass er sich diese Zeit anscheinend auch nimmt, ärgert offensichtlich Andrew Ulmann. Denn dieses Jahr ist genau das von der STIKO als Begründung für die geänderte Empfehlung herangeführte Szenario eingetreten – der hauptsächlich zirkulierende Stamm ist ein B-Stamm, der im Dreifachimpfstoff nicht enthalten ist.

Vierfachimpfstoff für die Abgeordneten

In seiner Mitteilung heißt es weiter: „Gerade die älteren und vorbelasteten Mitbürgerinnen und Mitbürger sind einer großen Gefahr ausgesetzt. Auch die Krankenhäuser und Ärzte ächzen unter dem Aufbäumen der Grippewelle. Es ist bezeichnend für das verfehlte Handeln der Bundesregierung in der Gesundheitspolitik. Eine Randnotiz ist übrigens, dass im Deutschen Bundestag alle Abgeordneten und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Vierfachimpfstoff in Anspruch nehmen können.“

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Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz hatte vor kurzem beklagt, dass die Empfehlung der STIKO noch nicht umgesetzt ist und daher nicht alle Kassen die Vierfach-Impfung übernehmen. Die Patientenschützer fordern ein Eilverfahren. Die Meinung des G-BA-Vorsitzenden Josef Hecken, der keinen Ansatzpunkt einer Benachteiligung von Kassenpatienten gegenüber Privatversicherten sieht, die die Impfung eher erstattet bekommen, teilt Brysch nicht. Heute seien chronisch und schwerkranke Menschen beim Grippeschutz auf das Wohlwollen ihrer Krankenkasse angewiesen, so Brysch. Dass der Gemeinsame Bundesausschuss die Entscheidung über die Vierfachimpfung erst für April treffen wolle, sei viel zu spät für die diesjährige Grippesaison.

EU-Impfziel nicht erreicht

Ob dreifach- oder vierfach, wenn man gar nicht impft, wirkt nun mal gar kein Impfstoff. Und von der EU-weit angestrebten Durchimpfungsrate von 75 Prozent bei der älteren Bevölkerung ist man weit entfernt – und zwar nicht nur In Deutschland. Und die Impfmüdigkeit nimmt eher zu. Auch die WHO hat sich jüngst besorgt gezeigt: Die geringe Impfbereitschaft gefährde die Bevölkerung im Falle einer Pandemie.

Laut einer aktuellen Studie, die dem Journal „Vaccine“ erschienen ist, wird in jedem zweiten europäischen Land ein Rückgang der verfügbaren Impfstoffe registriert. Nur ein Land, nämlich Schottland, erreicht das Ziel, 75 Prozent aller Senioren, die die die wichtigste Risikogruppe darstellen, zu impfen. In Deutschland waren es zuletzt nur knapp 37 Prozent der bundesweiten Senioren. Bei anderen Risikogruppen sieht es nicht besser aus. So sind laut dem Deutschen Ärzteblatt weniger als 40 Prozent der Menschen mit chronischen Erkrankungen gegen Grippe geimpft, genauso schlecht sieht es bei den Beschäftigten im Gesundheitswesen , die in erster Linie ihre Patienten schützen sollen. Auch hier lassen sich weniger als 40 Prozent impfen und auch bei den Schwangeren werden keine besseren Quoten erreicht.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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1 Kommentar

Falsche Ecke - tun nur so !

von Ratatosk am 05.03.2018 um 10:23 Uhr

Die FDP ist ja der Vertreter der punktuellen Minimalversorgung !
Die AOK verhandelt ohne Rücksicht auf Verluste auf die billigste Lösung, ohne auch auf weitere Versorgungslage zu achten, genau die FDP Linie, dabei fallen halt Verluste ( hier Tote ) an, aber daß dann aus dieser Ecke Klagen kommen ist nur noch widerlich. Zu sonstigen Engpässen die durch diese Politik entstelehn, lese man einfach den Artikel über Frankreich, oder nimmt zur Kenntniss, daß in USA sogar schon steriles Wasser in Kliniken ausgeht, aber hauptsache den Kassen gehts gut und die Bonitöpfchen sind gefüllt.

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