Bayer-Präparat

Iberogast-Nebenwirkungen werden zum Thema im Bundestag

Berlin - 01.03.2018, 07:00 Uhr

Die Grünen-Politikerin Kordula Schulz-Asche hat sich für einen Bericht des BfArM und des BMG zum Thema Iberogast im Gesundheitsausschuss des Bundestages eingesetzt. (Foto: Imago)

Die Grünen-Politikerin Kordula Schulz-Asche hat sich für einen Bericht des BfArM und des BMG zum Thema Iberogast im Gesundheitsausschuss des Bundestages eingesetzt. (Foto: Imago)


Der Konflikt um die eventuellen Risiken des Bayer-Magenmittels Iberogast® geht in die nächste Runde. Die Arzneimittelexpertin der Grünen-Bundestagsfraktion Kordula Schulz-Asche lässt in der Sache nicht locker und hat nun eine Diskussion des Themas im Gesundheitsausschuss veranlasst. Außerdem fragen die Grünen die Bundesregierung, ob schon länger Erkenntnisse über starke Nebenwirkungen von Iberogast® vorliegen. Der Pharmakonzern Bayer sieht weiterhin keinen Anlass zur Sorge.

Seit einigen Wochen mehren sich Diskussionen um das Nutzen-Risiko-Profil des Magen-Darm-Mittels Iberogast® von Bayer. In der Schweiz hatte die Arzneimittelbehörde Swissmedic eine  Anpassung der Arzneimittelinformation zu dem pflanzlichen Präparat vorgeschrieben. Hintergrund dafür waren neuere Meldungen über sehr seltene, aber teils schwerwiegende Leberschädigungen. Das Phytopharmakon ist eine Mixtur aus alkoholischen Extrakten von neun verschiedenen Arzneidrogen, darunter auch Schöllkraut und Süßholzwurzel, sowie einem Frischpflanzenauszug aus der Bitteren Schleifenblume. Die Kombination wurde von der Firma Steigerwald schon in den späten 1950er Jahren erforscht und entwickelt.

Die Entscheidung der Schweizer Behörde veranlasste die Grünen-Gesundheitsexpertin Kordula Schulz-Asche auch hierzulande, die Nebenwirkungen des Präparates zu hinterfragen. Anfang Februar schickte die Politikerin eine erste Anfrage ans Bundesgesundheitsministerium zu dem Thema. Nun legt Schulz-Asche nach: Weil ihr die ersten Antworten des Ministeriums offenbar nicht ausreichten, will die Grünen-Politikerin nun wissen, welche zusätzlichen Erkenntnisse zu Risiken und Meldungen über Verdachtsfälle zu dem Präparat der Bundesregierung seit einem abgeschlossenen Stufenplanverfahren des BfArM aus dem Jahr 2008 vorliegen.

BMG und BfArM-Vertreter müssen im Gesundheitsausschuss berichten

Zur Erklärung: Schöllkraut steht schon seit längerem auch hierzulande im Verdacht, leberschädigend zu wirken. In Deutschland war im Jahr 2005 ein Stufenplanverfahren initiiert worden, das im April 2008 mit einem Bescheid des BfArM abgeschlossen wurde. Hiernach wurde die Zulassung für Arzneimittel mit einer Tagesdosierung von mehr als 2,5 mg Gesamtalkaloiden widerrufen. Für Präparate mit einer Tagesdosierung von 2,5 µg  bis höchstens 2,5 mg Gesamtalkaloide wurden Änderungen der Produktinformationen angeordnet, darunter eine entsprechende Ergänzung im Abschnitt „Nebenwirkungen“ und absolute Gegenanzeigen bei bestehenden Lebererkrankungen oder solchen in der Vorgeschichte oder gleichzeitiger Anwendung von Arzneimitteln mit leberschädigenden Eigenschaften sowie in der Schwangerschaft. Bayer hatte jedoch gegen das Ergebnis dieses BfArM-Verfahrens geklagt – eine gerichtliche Entscheidung steht noch aus.

Schulz-Asche will das Thema nun auf die gesundheitspolitische Bühne bringen und hat neben ihren Anfragen jetzt eine Befragung im Gesundheitsausschuss des Bundestages veranlasst. Informationen von DAZ.online zufolge soll es am 14. März einen mündlichen Bericht des BMG und des BfArM zu Iberogast im Ausschuss geben.

Schulz-Asche: Skandalöser Vorgang

Auf die erste Anfrage der Grünen-Abgeordneten hatte das BMG in der vergangenen Woche geantwortet: „Unter der Voraussetzung der Umsetzung der geforderten Texte wird die Wirksamkeits-Risiko-Relation für Iberogast® weiterhin als positiv erachtet.“ Allerdings bestätigte auch das BMG bereits: „Die Entscheidung des BfArM ist derzeit Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung. Deshalb besteht derzeit keine  Verpflichtung des pharmazeutischen Unternehmens zur Umsetzung dieser vorn BfArM angeordneten Textänderungen.“ Die Patienten sollten mögliche unerwünschte Arzneimittelreaktionen (UAW) daher genau beobachten.

Die Grünen-Politikerin hatte schon auf diese Antwort mit Unverständnis reagiert: „Es ist skandalös, dass eine Arzneimittelbehörde ausdrücklich von der Einnahme eines Arzneimittels abrät und diese wichtigen Informationen den Betroffenen, also vor allem Schwangeren und Kranken, vorenthalten werden“. Das BfArM sage „klipp und klar“, dass Iberogast® von Schwangeren und Stillenden nicht eingenommen werden soll.

Bayer: Alkaloid-Menge zu gering

Der Pharmakonzern Bayer hat offenbar aufgrund des immer größer werdenden politischen Drucks nun eine Pressemitteilung zu dem Thema veröffentlicht. Darin heißt es unter anderem, dass Iberogast® nur eine sehr geringe Menge an Alkaloiden enthalte. „Iberogast enthält einen Extrakt aus der Pflanze Schöllkraut, für deren Inhaltsstoffe (Alkaloide) bei einer Dosis ab 8 Milligramm Alkaloiden pro Tag vereinzelt Leberschädigungen in der wissenschaftlichen Literatur beschrieben wurden. Iberogast hingegen enthält nur eine sehr geringe Menge von 0,3 Milligramm Gesamtalkaloide in der empfohlenen Tagesdosis.“

Forderungen nach einer Änderung der Packungsbeilage weist der Konzern entschlossen von sich: „Eine Änderung der aktuellen Patienten- und Fachinformationen hinsichtlich der Verwendung von Schöllkraut ist derzeit nicht vorgesehen. Es liegen keine neuen Fakten vor, so dass sich die Sach- bzw. Beurteilungslage von Iberogast nicht verändert hat. Das Nutzen-Risikoprofil von Iberogast bleibt unverändert positiv.“



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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