Leberschäden durch Schöllkraut

Schulz-Asche attackiert Iberogast-Hersteller Bayer

Berlin - 23.02.2018, 10:00 Uhr

Grünen-Politikerin Schulz-Asche hat bei der Bundesregierung wegen möglicher Risiken von Iberogast nachgefragt.  (Foto: Bayer)

Grünen-Politikerin Schulz-Asche hat bei der Bundesregierung wegen möglicher Risiken von Iberogast nachgefragt.  (Foto: Bayer)


Die Schweizer Arzneimittelbehörde hat kürzlich die Arzneimittelinformation zu dem pflanzlichen Magen-Darm-Mittel Iberogast® Tinktur angepasst. Grund waren Hinweise auf seltene, aber teils schwerwiegende Leberschädigungen. Die grüne Gesundheitspolitikerin Kordula Schulz-Asche hat daraufhin bei der Bundesregierung nachgehakt: Sieht sie einen Anlass, Patienten auf Risiken hinzuweisen? Die Antwort von Staatssekretärin Ingrid Fischbach stellt Schulz-Asche keinesfalls zufrieden. Sie findet das Verhalten des Herstellers Bayer „skandalös”.

Das in Iberogast® – neben acht weiteren Arzneidrogen – enthaltene Schöllkraut steht schon seit längerem in dem Verdacht, leberschädigend zu wirken. Ein Stufenplanverfahren für Präparate zur innerlichen Anwendung führte im April 2008 zu einem Bescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Danach wurde die Zulassung für Arzneimittel mit einer Tagesdosierung von mehr als 2,5 mg Gesamtalkaloiden widerrufen. Für Präparate mit einer Tagesdosierung von 2,5 µg  bis höchstens 2,5 mg Gesamtalkaloide wurden Änderungen der Produktinformationen angeordnet. So sollte im Abschnitt „Nebenwirkungen“ auf bekannte Fälle von Leberschädigungen und -versagen hingewiesen werden. Absolute Gegenanzeigen sollte es geben bei bestehenden oder früheren Lebererkrankungen, oder gleichzeitiger Anwendung von Arzneimitteln mit leberschädigenden Eigenschaften, sowie in der Schwangerschaft. Außerdem sollten bei einer Anwendung von mehr als vier Wochen die Leberfunktionswerte (Transaminasen) kontrolliert werden. Allerdings: Der Bescheid aus dem Jahr 2008 ist bis heute nicht bestandskräftig. Ein Widerspruch des damaligen Iberogast-Herstellers Steigerwald sorgte dafür. Der Konzern Bayer, der Steigerwald 2013 übernommen hat, erklärte auf Nachfrage von DAZ.online, am 31. Juli 2017 sei für Iberogast® gegen den Stufenplanbescheid Klage eingereicht worden. Das hemmt die Rechtskraft weiterhin.

Schweizer geben Anlass für schriftliche Anfrage

Die Arzneimittelbehörde der Schweiz (Swissmedic) ist dagegen kürzlich tätig geworden, nachdem neue Verdachtsfälle gemeldet wurden. Diese haben die Behörde veranlasst, in der Fachinformation für Iberogast® Tinktur die Rubriken „Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen“ und „unerwünschte Wirkungen“  sowie die Patienteninformation zu ergänzen. Dabei handelt es sich ausdrücklich um eine Anpassung im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes. Sollte die Anpassung der endgültigen gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten, werde Swissmedic darüber zu gegebener Zeit informieren, heißt es.

Die Bundestagsabgeordnete Kordula Schulz-Asche (Grüne) hat sich daraufhin mit folgender Frage an das Bundesgesundheitsministerium gewandt: „Wie beurteilt die Bundesregierung die Gesundheitsgefahren des Schöllkraut enthaltenden Arzneimittels Iberogast® vor dem Hintergrund der kürzlich veranlassten Anpassung  der Arzneimittelinformation des Schweizerischen Heilmittelinstituts und sieht sie darin einen Anlass, Patientinnen und Patienten auf mögliche Gesundheitsrisiken hinzuweisen?“

Schulz-Asche: Patienten bleiben wichtige Infos vorenthalten

Die parlamentarische Staatssekretärin Ingrid Fischbach verweist in ihrer Antwort auf das genannte Stufenplanverfahren des BfArM. Unter der Voraussetzung der Umsetzung der geforderten Texte werde die Wirksamkeits-Risiko-Relation für Iberogast® weiterhin als positiv erachtet. Allerdings bestätigt auch Fischbach: „Die Entscheidung des BfArM ist derzeit Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung. Deshalb besteht derzeit keine  Verpflichtung des pharmazeutischen Unternehmens zur Umsetzung dieser vorn BfArM angeordneten Textänderungen.“ Mit Blick auf die Patienten schreibt die Staatssekretärin, dass diese – wie bei jeder medikamentösen Therapie – gehalten seien, ihre Reaktionen auf eingenommene Arzneimittel genau zu beobachten. Mögliche unerwünschte Arzneimittelreaktionen (UAW), insbesondere neu auftretende Symptome, sollten sie umgehend mit ihrem behandelnden Arzt oder Apotheker besprechen, gegebenenfalls das Arzneimittel absetzen, sowie dem BfArM selbstständig oder durch die Heilberufler eine entsprechende UAW-Meldung übersenden.

Faktisch negatives Wirksamkeits-Risiko-Verhältnis?

Diese Antwort veranlasste Schulz-Asche umgehend zu einer weiteren Nachfrage: Wie könne die Bundesregierung die derzeitige Zulassung von Iberogast verantworten, wenn die von ihr angenommenen Voraussetzungen für eine  positive Wirksamkeits-Risiko-Relation derzeit nicht gegeben sind? Schließlich falle die Wirksamkeits-Risiko-Relation damit zurzeit faktisch negativ aus.

Darauf antwortete Fischbach knapp: „Nach Auskunft des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte wird die Evidenzlage zum gegenwärtigen Zeitpunkt so bewertet, dass derzeit ein weiteres Inverkehrbringen von Iberogast® im Hinblick auf die Arzneimittelsicherheit nicht als unvertretbar angesehen wird.“

Schulz-Asche hat kein Verständnis für diese Situation: „Es ist skandalös, dass eine Arzneimittelbehörde ausdrücklich von der Einnahme eines Arzneimittels abrät und diese wichtigen Informationen den Betroffenen, also vor allem Schwangeren und Kranken, vorenthalten werden“. Das BfArM sage „klipp und klar“, dass Iberogast von Schwangeren und Stillenden nicht eingenommen werden soll. „Dass der Hersteller Bayer das nicht in seine Packungsbeilage aufnimmt und sogar auf seinem Internetauftritt im Zusammenhang der Einnahme von Iberogast während der Schwangerschaft die angeblich ‚gute Verträglichkeit‘ des ‚rein pflanzlichen‘ Arzneimittels betont, ist ein Skandal!“

Die Grüne räumt ein, dass Bayer bis zum Ende des laufenden Gerichtsverfahrens rechtlich nicht an den Bescheid des BfArM gebunden sein mag – aber hier müsse der Patientenschutz im Vordergrund stehen. Bayer stehe klar in der Verantwortung, seine schutzbedürftigen Patientinnen und Patienten offen und transparent über alle möglichen Risiken zu informieren, ist Schulz-Asche überzeugt. Eigentlich müsse Iberogast® ohne die entsprechenden Warnhinweise sofort vom Markt genommen werden. „Stattdessen verdient Bayer munter weiter im dreistelligen Millionenbereich. Das ist an Dreistigkeit kaum noch zu überbieten.“

Sowohl Bayer als auch das BfArM wollten sich angesichts des laufenden Verfahrens nicht genauer zu Einzelheiten äußern.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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5 Kommentare

Arznei-Telegramm

von Leserin am 26.02.2018 um 13:58 Uhr

Zitat Arzneitelegramm "Hierzulande
hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
(BfArM) 2008 die Zulassung von Schöllkraut-haltigen Arzneimitteln
widerrufen, die pro Tagesdosis mehr als 2,5 mg Gesamtalkaloide
enthalten, berechnet als Leitalkaloid Chelidonin.
4 Für Präparate mit 2,5 μg bis 2,5 mg Gesamtalkaloiden
pro Tagesdosis hatte das BfArM damals ähnliche Hinweise wie
jetzt in der Schweiz für die Gebrauchs- und Fachinformationen
angeordnet. Knapp zehn Jahre später fehlen diese bei IBEROGAST,
5 das mit 0,35 mg6 Schöllkraut-Alkaloiden pro Tagesdosis
in diesem Bereich liegt, noch immer."

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Leberschäden

von Fubke am 26.02.2018 um 10:02 Uhr

Ich nehme seit Anfang Januar regelmässig Iberogast, da ich Eisen nehmen musste und dadurch Sodbrennen hatte. Irgendwann hab ich mich schlecht gefühlt, kraftlos, völlig schwach. Das Ende vom Lied 20 Fach erhöhe Alt werde und die anderen leberwerte 10 Fach erhöht. Ich trinke keinen Alkohol und nehme auch sonst keine Medikamente ein. Übrig bleibt Iberogast!

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AW: Leberschäden - unklar ist Ursache!

von Andreas P. Schenkel am 27.02.2018 um 19:23 Uhr

Sorry, aber die mögliche Leberschädigung durch das Arzneimittel ist eine Möglichkeit. Übrig bleiben außerdem: Virusinfektionen, Vergiftungen (e.g. Pilzgifte, auch Schimmel) oder Tumore, NASH/NAFLD, Autoimmunhepatitis, Gallensekretionsstörungen, etc...
Egal, ob Kausalzusammenhang oder nicht: Für einen Patienten mit vorgeschädigter Leber ist der Einsatz dieser Arznei zu risikoreich, keine Frage.

Grüne, wollen halt auch wieder mal in die Presse

von Ratatosk am 24.02.2018 um 8:55 Uhr

Kein Wunder, daß hier alles vom Beipackzettel bis zum exotischen Zusammenspiel alles ausgelotet wird. Bayer ist für Grüne halt durch den Monsanto Deal zur Zeit ein gutes Ziel, pharmafeindlich sind die im Durchschnitt ja immer, und in der Apotheke hats wohl in der Kindheit zu wenig Lekkerlies gegeben, so was wirkt lange nach.
Leider werden die wirklichen Gefahren entweder gar nicht gesehen, oder diese sind nicht medientauglich genug, was auch klar ist, da viele diese Dinge ja von Rot Grün angerichtet wurden.

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Da liegen mehrere Irrtümer vor

von Andreas P. Schenkel am 23.02.2018 um 19:37 Uhr

Frau SChulz-Asche irrt hinsichtlich ihrer Behauptung, dass Bayer in der Packungsbeilage nicht aufgenommen habe, dass Schwanger und Stillende das Iberogast® nicht einnehmen sollten. Durch die heutige Suche auf der Webseite "patienteninfo-service.de" fand ich einen Beipackzettel (Stand Januar 2016), in welchen wörtlich steht: "Schwangerschaft und Stillzeit:
Aus den vorliegenden Daten lassen sich keine Hinweise
für Bedenken hinsichtlich der Anwendung während der
Schwangerschaft und Stillzeit ableiten. Gleichwohl soll
Iberogast® während der Schwangerschaft und Stillzeit nur
nach Rücksprache mit einem Arzt eingenommen werden."

Auch gibt der Inverkehrbringer Bayer vital (laut DAZ.online-Artikel "Leber-Warnhinweise zu Iberogast angeordnet" vom 24.1.2018 an, dass die Schöllkraut-Alkaloiden-Gesamtmenge von ca. 0,3 mg pro Iberogast®-Tagesdosis aufgenommen werde. Dieser Wert liegt weit unterhalb der Obergrenze von 2,5 mg Gesamtalkaloide pro Tag, unterhalb derer sich ein Kausalzusammenhang zwischen der Anwendung von chelidoniumhaltigen Arzneimitteln und Lebererkrankungen als fraglich erwiesen hat (Wolfgang Blaschek: "Wichtl - Teedrogen und Phytopharmaka" 6. Aufl. 2016, Wiss. Verlagsgesllschaft). Schulz-Asche unterliegt demnach einer Fehlinterpretation der derzeit vorhandenen Daten, wenn sie unterstellt, die Nutzen-Risiko-Relation der Iberogast®-Tinktur falle derzeit negativ aus.

Schöllkraut ist, fachgerecht angewendet, eine wertvolle Arzneipflanze, die eben für Lebergeschädigte nicht verwendet werden darf, jedoch für lebergesunde Erwachsene bedarfsgerecht maßvoll eingesetzt werden kann. Für Panikmache ud Schlagzeilenhuberei, soviel sei Frau Schulz-Asche mitgegeben, gibt es keinen Grund; und erhöhte Vorsicht sollte schon längere Zeit gelten. An den wissenschaftlichen Fakten hat sich, wie der obige Artikel hervorhebt, ja schon eine Weile nichts verändert.

Und noch etwas: Dem Hersteller vorzuwerfen, dass er mit "Dreistigkeit" an seinem Arzneimittel etwas "verdiene", tja das ist schon sehr tendenziös formuliert, nach dem Motto: "Unverschämt: Die Bäcker bereichern sich seit Jahrtausenden am Hunger der Leut'!"

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