„Datenklau”-Prozess

Gab es Datenaustausch auf Bestellung?

Berlin - 23.02.2018, 17:55 Uhr

Für die Apotheker-Lobby gegen Geld im BMG Daten ausspioniert? Am Gendarmenmarkt soll es zur ersten Geldübergabe gekommen sein. (Foto: Anibal Trejo

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Für die Apotheker-Lobby gegen Geld im BMG Daten ausspioniert? Am Gendarmenmarkt soll es zur ersten Geldübergabe gekommen sein. (Foto: Anibal Trejo / stock.adobe.com)


Am siebten Verhandlungstag des „Datenklau”-Prozesses sagte die ehemalige Ehefrau des angeklagten IT-Service-Technikers Christoph H. aus. Die Zeugin berichtete, dass sie von regelmäßigen Treffen erfahren hatte, bei dem ihr Ex-Mann sensible Daten an den ehemaligen ABDA-Pressesprecher Thomas Bellartz verkaufte. Dabei habe H. ihr berichtet, die Daten auf Bestellung der Apotheken-Standesvertretung kopiert zu haben.

Am heutigen Freitag stand der siebte Verhandlungstermin in der Strafsache gegen Ex-ABDA-Sprecher Thomas Bellartz und den Systemadministrator Christoph H. an. Den beiden wird vorgeworfen, gemeinsam Daten aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) ausgespäht zu haben. Bellartz soll den ehemaligen externen IT-Mitarbeiter des BMG beauftragt haben, für ihn Mails von leitenden Ministeriumsbeamten und Staatssekretären kopiert zu haben – dafür soll er H. Geld gezahlt haben.

Mutmaßlich erstmalige Übergabe am Gendarmenmarkt

Die Verhandlung begann unmittelbar mit der richterlichen Befragung der ersten Zeugin, der ehemaligen Ehefrau von Christoph H. Die Zeugin konnte sich konkret an ein Treffen im Februar 2010 zwischen Christoph H. und Bellartz in der Nähe des Berliner Gendarmenmarkts erinnern, das ihr der angeklagte IT-Techniker als die erste Datenübergabe genannt hatte. Sie habe damals im Auto gewartet und Christoph H. sei aus dem Auto mit einer CD gestiegen. Christoph H. habe ihr seinerzeit berichtet, dass die Daten für einen Apothekerverband bestimmt seien und dass es sich um kopierte E-Mail Postfächer wichtiger Personen beim BMG handeln würde.

Bellartz sei ihrer Erinnerung nach entweder vor oder nach der Datenübergabe in der Nähe des Autos vorbei gegangen und Christoph H. habe sie auf ihn aufmerksam gemacht, erklärte die Zeugin. Bei dieser mutmaßlich ersten Datenübergabe hätte Christoph H. ihrer Schilderung zufolge noch kein Geld bekommen. Die Auszahlung habe erst zu einem späteren Zeitpunkt stattgefunden. In der Folgezeit gab es ihrer Beschreibung zufolge bis Frühjahr 2011 mehrere Treffen, bei denen Christoph H. dem ehemaligen ABDA-Pressesprecher Daten-CDs übergab und dafür Bargeldbeträge zwischen 400 und 600 Euro erhielt. Wie oft diese Treffen stattgefunden hatten, konnte sie sich nicht genau erinnern, aber es war wohl zwischen ein und mehrmals im Monat. Da die Zeugin im Frühjahr 2011 aus dem gemeinsamen Haus auszog, hatte sie von Treffen, die danach stattfanden, nichts mehr gehört.

Konkrete Vorgaben für die Datenpakete

Die Zeugin erklärte, ihr damaliger Ehemann habe berichtet, dass ihm Bellartz konkret gesagt habe, für welche E-Mail Postfächer des BMG er sich interessiere. Die auf CD gebrannten Daten seien innerhalb Apothekenverband ausgewertet worden. Bei Bedarf habe Bellartz weitere E-Mail-Postfächer bei Christoph H. „nachbestellt“. Ihrer Erinnerung zufolge hatte H. erklärt, dass Bellartz bei den Bargeldzahlungen in Vorleistung gegangen sei. Die Beträge habe er sich dann vom Apothekenverband, der eine Art Spesenkonto dafür gehabt haben sollte, wieder geholt.

Ihr Ex-Mann habe ihr berichtet, die Daten in Zeiträumen, in denen im BMG nicht mehr viele Mitarbeiter zugegen waren – beispielsweise Freitagabend – auf einen USB-Stick kopiert zu haben. Dabei hätte er von einem so genannten Pendlerbüro aus agiert. Die Daten auf dem USB-Stick habe er dann entweder im Pendlerbüro oder zu Hause auf CD gebrannt. Einmal sei H. auch ein Missgeschick passiert. Und zwar habe er im Rahmen seiner Kopieraktionen versehentlich ein E-Mail Postfach gelöscht. Dies sei innerhalb des BMG aufgefallen. Doch H. sei es gelungen, das E-Mail Postfach wieder herzustellen.

Im weiteren Fortgang der Befragung erwähnte die Zeugin, dass H. von Bellartz erfahren hatte, dass es zu einem früheren Zeitpunkt bereits einen ähnlichen Datenaustausch zwischen dem Apothekenverband und einem IT-Techniker beim BMG gegeben hätte. Der mutmaßlich beteiligte IT-Techniker sei zum damaligen Zeitpunkt allerdings schon in Rente gewesen.

Anonymer Anrufer wollte seine Partnerin unterstützen

Der zweite Zeuge, der aktuelle Lebensgefährt der ersten Zeugin, bestätigte inhaltlich die Schilderungen seiner Partnerin. Er bestätigte zudem, im Jahr 2012 zwei anonyme Anrufe beim BMG getätigt zu haben. Diese waren bereits am vorangegangenen Verhandlungstag thematisiert worden.

Seine Lebenspartnerin habe ihm von den Vorgängen berichtet, nachdem die beiden ein Paar wurden. Der Zeuge sagte aus, er habe seine Partnerin ermutigt, die Aktivitäten von Christoph H. anzuzeigen. Jedoch hatte sich seine Partnerin gescheut zur Polizei zu gehen, weil sie sich vor der möglichen Reaktion ihres Ex-Mannes fürchtete, weshalb sich die beiden für den Weg des anonymen Anrufs entschieden hätten. Zwischen H. und dem Zeugen hatte es offenbar eine Auseinandersetzung gegeben, die beide Beteiligten zur Anzeige brachten, jedoch wurden beide Verfahren dazu eingestellt.

Die erste Zeugin wurde im weiteren Fortgang der Verhandlung erneut und unter Ausschluss der Öffentlichkeit befragt.   



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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