Influenzasaison 2017/18

Und sie schützt doch – die Grippeimpfung!

Stuttgart - 16.02.2018, 17:55 Uhr

Schützt besser als erwartet: Die aktuelle Influenzaimpfung 2017/18. (Foto: EgoR / stock.adobe.com)

Schützt besser als erwartet: Die aktuelle Influenzaimpfung 2017/18. (Foto: EgoR / stock.adobe.com)


Die Grippeschutzimpfung fristet ein trostloses Dasein – kaum einer will sie. Das Argument einiger Impfverweigerer: Auch eine Influenzaimpfung biete keinen vollkommenen Schutz. Das ist korrekt, nur welche Alternativen bietet die Pharmazie? Dabei schützt die Impfung, den unheilvollen Prognosen zum Trotz, gerade in der aktuellen Grippesaison 2017/18 sogar ziemlich gut vor der Virusgrippe, nämlich zu 46 Prozent. Obwohl der dominierend zirkulierende Influenza B-Stamm Yamagata in der dreifachen Influenzaimpfung noch nicht einmal enthalten ist. Wie funktioniert das?

Die Impfraten bei der Grippeschutzimpfung sind mies. Anstelle der von der WHO angestrebten und von einer Empfehlung des Europäischen Rats aufgegriffenen 75 Prozent Durchimpfung bei älteren Menschen (bis 2010!), liegt die Impfquote bei den Bundesbürgern gerade einmal bei 34,8 Prozent (aktuellste Daten: Influenzasaison 2016/17). Ein Stück weit scheint die Virusgrippe von ihrem Schrecken eingebüßt zu haben: Zeitzeugen der verheerenden Spanischen Grippe (1918-1920) leben wohl kaum noch, und selbst die 50 Millionen Todesopfer, die sie gefordert hat, sind – bei Wikipedia gelesen – ziemlich anonym.

Doch das ist nicht der einzige Grund: Die Menschen trauen der Grippeimpfung nicht: Sie fürchten Nebenwirkungen und verteidigen ihre Impf-Nachlässigkeit mit einer nur geringen Wirksamkeit der Schutzimpfung. Zu diesem Schluss kamen jüngst das WHO-Regionalbüro für Europa und das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC). Zugegeben: Der Impfschutz liegt nicht im hohen zweistelligen Bereich. Nur – was sind die Alternativen? Tamiflu®? Relenza®?

Influenza B-Virus Yamagata zirkuliert vorwiegend

Für Wirbel hatte in der derzeitigen Influenzasaison 2017/18 vor allem das Influenza-B-Virus der Yamagata-Linie gesorgt: Es dominiert mit 75 Prozent aller zirkulierenden Influenzaviren das aktuelle Grippegeschehen – und die passende Impfkomponente enthält nur die quadrivalente Grippeschutzimpfung in diesem Jahr. Die Tatsache, dass GKV-Patienten hauptsächlich mit der trivalenten Vakzine geimpft werden, befeuerte natürlich zusätzlich das ohnehin ständig züngelnde Flämmchen der „Zwei-Klassen-Medizin“. Allerdings hatte sich bis vor kurzem die STIKO auch nicht explizit für eine vierfache Grippeschutz-Impfung ausgesprochen, frühere Rabattverträge der Krankenkassen über ausschließlich dreifache Influenza-Impfstoffe trugen ihren Teil zur präferierten Impfung mit der trivalenten Vakzine der Versicherten bei.

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Bewundernswert ist die Unermüdlichkeit des Robert-Koch-Instituts: Die Impfexperten am RKI sind tatsächlich hartnäckig – und werden nicht müde, zu betonen, dass eine Grippeimpfung immer noch der beste Schutz sei. Jedes Jahr aufs Neue, nicht nur zum Startschuss der Grippesaison. Nein, auch während der jeweils aktuellen Grippeepidemien repetieren sie dieses Mantra gebetsmühlenartig.


Die Influenzaimpfung ist der beste Schutz vor einer Influenzaerkrankung.

Influenza Wochenbericht 05/2018; Arbeitsgemeinschaft Influenza RKI


Und sind wir doch einmal ehrlich: Es ist ja nun nicht gerade so, dass zahlreiche potente Arzneimittel gegen Grippe inflationär vorhanden wären. Bei Influenza sind die Schubladen des Apotheker-Kästchens nicht gerade üppig bestückt und die therapeutischen Optionen eher überschaubar. 

Amantadin, Oseltamivir, Zanamivir

  • Amantadin – aber das schützt als Uncoating-Hemmstoff eigentlich ausschließlich zu einem Zeitpunkt, an dem der Patient noch nicht einmal merkt, dass der infiziert ist und das Virus in ihm munter rumort, Körperzellen infiltriert und die Attacke plant. In der Praxis setzen Ärzte den Wirkstoff laut RKI kaum noch ein. Zudem zeigt Amantadin ausschließlich Wirksamkeit gegen Influenza A. In der Grippesaison 2015/16 waren die vorwiegend zirkulierenden A-Viren, A(H1N1)pdm09 und A(H3N2), alle resistent.
  • Dann wartet das pharmazeutische Portfolio noch mit zwei Neuraminidasehemmstoffen auf, Oseltamivir in Tamiflu® und Zanamivir in Relenza®. Doch auch hier gilt: Fix handeln. Die Therapie der Influenza muss innerhalb „von zwei Tagen nach erstmaligen Auftreten der Symptome begonnen“ werden. Neuraminidasehemmstoffe wirken im Gegensatz zu Amantadin sowohl gegen Influenza A- als auch B-Viren. Sie verhindern das Freisetzen neu assemblierter Grippeviren. Aktuell gibt es wenig Resistenzen.

Tamiflu® ersetzt keine Impfung gegen Influenza

Die Arzneimittel können neben der Therapie auch prophylaktisch eingesetzt werden. „Bei Anwendung zur Prophylaxe der Influenza liegt die protektive Wirksamkeit der antiviralen Arzneimittel etwa zwischen 60 Prozent und 90 Prozent", schreibt das RKI. Außerdem besteht laut RKI die Schutzwirkung nur so lange, wie die antiviralen Arzneimittel eingenommen werden. Was defintiv keine probate Lösung für eine komplette Grippesaison ist, und das jedes Jahr aufs Neue.

Selbst Roche betont in der Fachinformation zu seinem Arzneimittel Tamiflu®:


Tamiflu ist kein Ersatz für eine Grippeschutzimpfung.

Fachinformation Tamiflu (Stand Dezember 2016)


Das findet im Übrigen auch GlaxoSmithKline bei Relenza®. Und für die Wirksamkeit der Grippeschutzimpfung sieht es in diesem Jahr gar nicht mal so schlecht aus.

Wirksamkeit der aktuellen Grippeimpfung 2017/18

Tatsächlich bestand Sorge, dass der primär verimpfte Dreifach-Grippeimpfstoff, die dominierenden B-Yamagata-Viren nicht „erwischt“. Diese Bedenken kann das RKI zumindest etwas zerstreuen. Bereits Anfang des Jahres postulierte das Institut, dass auch die im dreifachen Impfstoff enthaltene B-Komponente aufgrund einer Kreuzimmunität einen gewissen Schutz vor der Yamagata-Linie bieten könne. Zusätzlich könnten „Wiederholungstäter" bei der Influenza-Impfung belohnt werden und frühere Impfungen sich im Nachhinein noch einmal auf den aktuellen Grippeschutz positiv auswirken. Selbst wenn der Patient die Impfkomponente gegen den hauptsächlich zirkulierenden Yamagata-Stamm in dieser Saison nicht erhalten hat. Warum? Die B-Yamagata-Linie im Dreifachimpfstoff war bereits in den Impfstoffen früherer Grippesaisons enthalten. Auch hier besteht laut RKI zumindest rein „theoretisch" die Möglichkeit, „dass Menschen, die sich damals haben impfen lassen, noch zu einem gewissen Teil immun sind“. Dies scheint sich zum Teil zu bewahrheiten.

Impfung bietet fast 50-prozentigen Schutz

Im Epidemiologischen Bulletin Nr. 6 stellt das RKI vorläufige Daten zur Impfeffektivität vor. „Die Impfeffektivität des saisonalen Influenzaimpfstoffs gegen eine laborbestätigte Influenzaerkrankung lag im multivariablen adjustierten Modell bei 46 Prozent ... für alle Altersgruppen“. Das 95 Prozent-Konfidenzintervall gibt die Arbeitsgemeinschaft Influenza (AGI) mit 8 bis 68 Prozent wieder, was bedeutet: In 95 Prozent der untersuchten Daten, liegt der wahre Wert innerhalb des angegebenen Konfidenzintervalls.

Ein fast 50-prozentiger Schutz in einer Grippesaison, bei der der dominierende Yamagata-Virus – zur Erinnerung 75 Prozent aller zirkulierenden Viren! – im hauptsächlich verimpften Dreifach-Impfstoff noch nicht einmal enthalten ist? „Das wäre schlimmer zu erwarten gewesen", bestätigt Susanne Glasmacher vom RKI im Gespräch mit DAZ.online. Der Impfschutz sei in der Tat vergleichsweise gut. Ihrer Ansicht nach bestätigt dies die These der Kreuzimmunität und auch eines geboosterten Schutzes durch jahrelang lückenlose Influenzaimpfungen und folglich viel Kontakt zu anderen B-Viren. „Öfter impfen ist gut, oder öfter krank werden ist gut“, fasst Glasmacher zusammen. „Die Impfwirkung ist besser, wenn man regelmäßig impft“, sagt die Sprecherin des RKI.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

Spanische Grippe

von Rabea am 16.03.2018 um 21:45 Uhr

Der Vergleich mit der Spanischen Grippe ist völlig unpassend, da virusbedingte Todesfälle vom Immunsystem und damit insbesondere von Ernährung und Hygiene abhängen. 1920 wurden auch hunderte von Menschen durch Masern dahingerafft, während es bereits kurz vor Einführung der Masernimpfung nur noch wenige einzelne Todesfälle gab, weil die Lebensbedingungen sich entsprechend verbessert haben. Das verschleppen des Masernrisikos in das Baby und Erwachsenenalter und die damit verbundenen Spätfolgen ist durch die Impfung gekommen, d.h. durch die Impfung in der zweiten Generation sind Masern erst in der heutigen Form gefährlich geworden (wird nur leider immer unter den Teppich gekehrt). Vor der Impfung handelte es sich um eine eher harmlose Kinderkrankheit. Insoweit sollte grundsätzlich jede Impfung und deren Nutzen stark hinterfragt werden und die Impffaulheit hat durchaus ihre Berechtigung.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Spanische Grippe

von Melanie Habmann am 21.11.2018 um 23:15 Uhr

Hallo, wissen Sie zufällig seit wann es Grippeschutzimpfungen in Deutschland gibt? Ich finde im Netz nichts dazu. Meine Großeltern sind auch ohne Grippeschutzimpfung gut klar gekommen und ich frage mich, wer hat das ganze etabliert? Liebe Grüße Melanie Habmann

Konfidenzintervall

von Christian Lutsch am 17.02.2018 um 9:35 Uhr

Für die meisten Leser wohl eher irrelevant, dennoch eine kleine Anmerkung zur Statistik...

Zitat wikipedia bzgl konfidenzintervall:

"Die häufig anzutreffende Formulierung, dass der wahre Wert mit 95 % Wahrscheinlichkeit im Konfidenzintervall liegt, d. h. im vorliegenden berechneten Intervall, ist streng genommen nicht korrekt,[1][2] da der wahre Wert als gegeben (fix) und nicht stochastisch angenommen wird"

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