Datendiebstahl-Prozess

Der anonyme Anruf im Gesundheitsministerium

Berlin - 16.02.2018, 17:20 Uhr

Vor dem Landgericht Berlin wurde der Prozess gegen Ex-ABDA-Pressesprecher Thomas Bellartz fortgesetzt. (Foto: Külker)

Vor dem Landgericht Berlin wurde der Prozess gegen Ex-ABDA-Pressesprecher Thomas Bellartz fortgesetzt. (Foto: Külker)


Der sechste Verhandlungstag im Prozess gegen Ex-ABDA-Sprecher Thomas Bellartz und den Systemadministrator Christoph H. war kurz. Die Verteidiger der Angeklagten erklärten erneut, dass der Straftatbestand des Ausspähens von Daten angesichts der offenbar unzureichend gesicherten Postfächer im Bundesgesundheitsministerium schlicht nicht erfüllt sei. Es folgte eine weitere Zeugenvernehmung, bei der es um den anonymen Hinweis auf den „Datendiebstahl“ im Ministerium ging.

Nachdem der fünfte Verhandlungstag im Prozess um den mutmaßlichen Datendiebstahl aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) von langen Zeugenvernehmungen geprägt war, war der Termin am heutigen Freitag schnell erledigt. Die Verteidiger der beiden Angeklagten verlasen zunächst Erklärungen zu den zwei Wochen zurückliegende Zeugenaussagen von Mitarbeitern der IT-Firma, bei der Christoph H. arbeitete. Der Tenor: Es sei nun mehr als deutlich, dass die Daten, auf die Christoph H. angeblich zugegriffen hat, alles andere als „besonders gesichert“ sind, wie es die Strafnorm des § 202a Strafgesetzbuch (Ausspähen von Daten) verlangt. Alle Administratoren hätten zu allen Postfächern leichten Zugang gehabt. 

Bellartz-Anwalt: Verfahren abschlussreif

Der Anwalt von Ex-ABDA-Sprecher Thomas Bellartz, Dr. Carsten Wegner, wiederholte, was er schon zuvor bemängelt hat: Es sei absolut unklar, was genau die Staatsanwaltschaft seinem Mandanten vorwerfe: Welche Zugangssicherungen sollen überwunden und welche Daten von welchen Datenträgern entwendet worden sein? Bei den Durchsuchungen bei seinem Mandanten sei schließlich nichts gefunden worden, was dort nicht hätte gefunden werden dürfen, so Wegner. Er bleibt daher auf dem Standpunkt, dass das Verfahren abschlussreif ist. Weiterer Zeugen bedürfe es nicht.

Vorsitzender Richter: Prüfung noch nicht beendet

Der Vorsitzende Richter erklärte hingegen, dass das Gericht mit seiner Prüfung noch nicht weiter gekommen sei. Daher ginge das Verfahren seinen vorgesehenen Lauf. Und das sah für den heutigen Verhandlungstag die Befragung eines BMG-Mitarbeiters aus dem Referat Datenschutz im Gesundheitswesen vor. Dieser Zeuge hatte im September 2012 zwei Mal mit einem anonymen Anrufer telefoniert, der auf den „Datendiebstahl“ hingewiesen hatte. Offenbar aufgrund dieses Stichwortes, hatte die Vermittlung des BMG den Anrufer in die Abteilung des Zeugen durchgestellt. „Die Sache war so skurril, dass sie mir in Erinnerung blieb“, erklärte der Zeuge. Die Befragung zeigte jedoch, dass er nicht mehr jedes Detail im Kopf hatte. Allerdings lagen dem Gericht E-Mails vor, die der BMG-Mitarbeiter seinerzeit unmittelbar nach den anonymen Anrufen an Kollegen bzw. Vorgesetzte geschrieben hatte. Ihren Inhalt nahm das Gericht später auch mit ins Protokoll auf.

Anrufer berichtet von gestohlenen und verkauften Mails

Dem Zeugen zufolge hatte der Anrufer ein dringendes Mitteilungsbedürfnis, wollte aber anonym bleiben und insbesondere die Person schützen, von der er seine Informationen hatte – das war die Ex-Frau von H., was der Zeuge damals aber nicht wusste. Der Anrufer erklärte, dass im Ministerium E-Mails von Staatssekretären entwendet worden seien. Und zwar von jemandem der im BMG arbeitet und der sie dann an „den Apothekerverband verkauft“. Schon beim ersten Telefonat erschienen dem Zeugen die Schilderungen glaubhaft. Er wollte sich aber mit dem IT-Referat und dem internen Datenschutzbeauftragten des BMG rückkoppeln und bat daher um einen zweiten Anruf. Dieser kam einige Tage später auch. Diesmal war der Zeuge mit Fragen präpariert. Doch viel mehr, als dass die Daten in einem „Pendlerbüro“ kopiert wurden, bekam er nicht heraus. Die technischen Details kannte der Anrufer nicht. Er erklärte aber, es sei einmal ein Postfach versehentlich gelöscht und wiederhergestellt worden. Der „Täter“ sei auch sonst schon aufgefallen und das BMG könne sicher darauf kommen, um wen es sich handele. Wie es weiter ging, vermochte der Zeuge nicht zu berichten. Er hatte den anonymen Anrufer gebeten, sich künftig an einen anderen Kollegen aus dem BMG zu wenden.

Kommende Woche geht der Prozess weiter. Es bleibt abzuwarten, ob die Richter nun Zeit finden, um sich darüber klar zu werden, ob der Prozess wegen des Ausspähens von Daten abgeschlossen werden kann, wie es insbesondere Bellartz‘ Verteidiger fordert. Gegen Christoph H. stehen hingegen noch weitere Vorwürfe im Raum, die aber mit dem Ex-ABDA-Pressesprecher nichts zu tun haben.   



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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