Arzneimittelforschung

Neue Antibiotika-Klasse gegen MRSA entdeckt

Stuttgart - 15.02.2018, 17:45 Uhr

Noch lassen sich keine Aussagen zur klinischen Wirksamkeit von Malacidinen treffen. Die Ergebnisse aus Tierversuchen sind aber sehr vielversprechend. (Foto:                             
                                    


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Noch lassen sich keine Aussagen zur klinischen Wirksamkeit von Malacidinen treffen. Die Ergebnisse aus Tierversuchen sind aber sehr vielversprechend. (Foto: jarun011 / stock.adobe)


Amerikanischen Forschern ist es gelungen, eine neue Antibiotika-Klasse aus Bodenbakterien zu identifizieren. Diese als Malacidine bezeichnete Gruppe zeigte sich in Tierexperimenten wirksam bei MRSA-Infektionen und wies zumindest unter Laborbedingungen keine Resistenzen auf. Entdeckt wurden die Antibiotika mithilfe von molekularbiologischen Methoden – ohne die Bakterien vorher anzüchten zu müssen. Ob die Substanzen auch beim Menschen eingesetzt werden können, bleibt abzuwarten.

Durch die vermehrte Bildung von Resistenzen schlagen gängige Antibiotika-Therapien immer häufiger nicht an. Vor allem bei nosokomialen – also im Krankenhaus erworbenen – Infektionen können Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) oder andere Problemkeime zu schweren Komplikationen führen. Daher werden dringend neue Antibiotika benötigt. Heutzutage kann bei MRSA-Infektionen meist (noch) das Antibiotikum Daptomycin eingesetzt werden. Dabei handelt es sich um ein zyklisches Lipopeptid, das in die Zellmembran von grampositiven Keimen eingebaut wird und so die Membranintegrität zerstört. Das Problem: Daptomycin kann nicht bei Pneumonien eingesetzt werden, da es von Surfactant, einer oberflächenaktiven Substanz in den Alveolen, inaktiviert wird.

Bei der Suche nach einer Alternative zu Daptomycin könnten nun Forscher von der Rockefeller University in New York fündig geworden sein. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie in „Nature MicrobIology“. Aus allen Teilen der USA sammelten die Wissenschaftler über 2000 Bodenproben, die sie dann in einem gezielten Genscreening analysierten. Dabei suchten die Forscher nach bestimmten Molekülstrukturen, die genau wie Daptomycin einen Calcium-bindenden Bereich aufweisen. Drei der identifizierten Genfragmente aus der DNA einer Wüstenprobe setzen die Wissenschaftler zu einem vollständigen Gen zusammen und übertrugen die DNA daraufhin in die Zellen einer Laborkultur von Streptomyces albus. Da sich die Extrakte aus der Zellkultur gegenüber Staphylococcus aureus wirksam zeigten, suchten die Forscher nach aktiven Substanzen - und identifizierten Malacidin A und B.

Im Tierversuch wirksam gegen MRSA

Wie bei Daptomycin handelt es sich bei den Malacidinen um zyklische Lipoproteine, deren antibakterielle Aktivität von der Anwesenheit von Calcium-Ionen abhängig ist. Allerdings unterscheidet sich die neue Substanzklasse sowohl in der Größe als auch in der Proteinsequenz. Auch der Wirkmechanismus ist ein anderer. Malacidine binden an Lipid II, einem Zwischenprodukt der Zellwandsynthese.

Die Effektivität der neuen Klasse wurde an Ratten getestet. Dazu wurde Malacidin A topisch auf eine mit MRSA infizierte Hautwunde verabreicht. Nach 24 Stunden waren keine Bakterien mehr nachweisbar. Malacidin A zeigte auch bei anderen gram-positiven Erregern eine antibiotische Wirksamkeit – auch bei solchen, die gegen Vancomycin resistent waren. Das ist vor allem deshalb interessant, da Vancomycin ebenfalls an Lipid II bindet. Im Gegensatz zu Daptomycin, werden die Malacidine nicht von Surfactant beeinflusst. Weiterhin positiv ist, dass sich auch  nach einer 20-tägigen Behandlung der MRSA-Bakterien mit sublethalen Dosen keine Malacidin-resistenten Bakterien Stämme gebildet hatten. Das schließt aber nicht aus, dass sich Resistenzen unter Umweltbedingungen – beispielsweise über einen horizontalen Gentransfer – bilden können. Ob sich die neue Substanzklasse überhaupt auch für Menschen eignet, muss sich erst in weiteren Studien zeigen.

Mit Genscreening zu neuen Substanzklassen

Mit den Ergebnissen konnten die Forscher zudem ihre These untermauern, dass die Gruppe der Calcium-bindenden Antibiotika größer als zunächst angenommen sei. Zwar seien Bakterien aus der Umwelt eine der größten Quellen, um neue Substanzklassen zu entdecken. Viele von diesen bleiben aber unerkannt, weil nur ein Teil der Bakterien im Labor angezüchtet werden kann. Das von den Forschern entwickelte Screeningverfahren könnte aber helfen, diese bisher „versteckten“ Antibiotika zu finden und damit einen Beitrag im Kampf gegen resistente Erreger zu leisten.



Dr. Mathias Schneider, Apotheker, Volontär DAZ
redaktion@daz.online


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